Der Computer wird durch diesen “Electronic Decision Support” aber noch lange nicht zu einem Arzt, wie so manche jetzt vielleicht befürchten. “Vielmehr ermöglicht er dem Arzt das Vorgehen nach neuestem Wissensstand”, erklärte Andreas Sönnichsen, Allgemein- und Präventionsmediziner an der Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, im Rahmen einer Connect-E-Health-Expertenveranstaltung, die kürzlich in Wien stattgefunden hat.
Der Moment der Therapieentscheidung stellt oft eine große Herausforderung dar. “Sechs Minuten hat ein Arzt im Schnitt pro Patient. Die Gefahr ist groß, dass einer der beiden dabei auf eine wichtige Frage vergisst”, so Sönnichsen. Erschwerend wirkt der Segen der raschen medizinischen Forschung: 70.000 neue Publikationen treffen monatlich auf der Forschungsplattform pubmed ein. Selbst wenn nur ein Prozent davon relevant wäre, könnte kein Arzt stets alles lesen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Bisher fließt die Forschung in sogenannte “evidenzbasierte Leitlinien” der Fachgesellschaften ein, die den Ärzten Anhaltspunkte zur Behandlung geben. “Da deren Umsetzung oft scheitert, können elektronische Werkzeuge die Versorgung verbessern”, ist Sönnichsen überzeugt. Schon heute gibt es mehrere Ansätze dazu: etwa einen evidenzbasierten Rechercheservice, bei dem der Arzt Patientendaten online an ein Zentrum schickt, das diese auswertet und eine Rückmeldung mit Literaturverweisen zurücksendet. Trotz des Gratis- Angebots wird das Tool nur von vier Prozent der Ärzte beansprucht: Drei Tage bis zur Rückmeldung sind vielen zu lang.
Viel eher gehört die Zukunft jenen Systemen, die automatisierte Antworten so schnell liefern, dass der Arzt diese noch im laufenden Patientengespräch berücksichtigen kann. Das bieten die “EbM Guidelines” – ein Tool, das im Ursprungsland Finnland bereits zwölf Millionen Ärztezugriffe pro Jahr verzeichnet, während es im gesamten deutschen Sprachraum erst knapp über 100.000 sind. Ein ähnliches System im Bereich der präoperativen Diagnostik trägt dazu bei, die häufigen überflüssigen Untersuchungen zu vermeiden und die Einhaltung der Leitlinien zu verdoppeln, wie Salzburger Studien beweisen.
Der EbM-Guidelines-Herausgeber Ikka Kunnamo berichtet von noch großen Vorbehalten der Ärzteschaft gegenüber dem Produkt. Für Fragen der Datensicherheit gebe es jedoch bereits gute regionale und nationale Lösungen. Akzeptiert werden jene Systeme, die Patientendaten auf einen Blick zusammenfassen, die Routinearbeit erleichtern, klinische Entscheidungen unterstützen und auch dem Patienten Erinnerungsnachrichten liefern. “Das Tool muss einfach und flexibel sein und mit anderen kooperieren”, so Kunnamo.