Wie Unternehmen ihren Weg zwischen Regulatorien und Auflagen, eigenem Anspruch und Stakeholder-Erwartungen sowie zwischen Greenwashing und echter Strategie finden, beschreibt Mag. Florian Frauscher, MLS, Leiter der Sektion Wirtschaftsstandort, Innovation und Internationalisierung im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.
Den Begriff der „Nachhaltigkeit“ gibt es in der Wirtschaft schon über 20 Jahre – warum erlebt er gerade jetzt wieder ein Revival?
Frauscher: Den Begriff gibt es schon sehr lange, er wurde in der Forstwirtschaft bereits im 18. Jahrhundert verwendet und 1972 vom Club of Rome aufgegriffen. Aktuell wird er sehr breit und manchmal inflationär verwendet. Umso wichtiger ist es, zu definieren, was gemeint ist, wenn man heute von Nachhaltigkeit spricht.
Die meisten Unternehmen arbeiten schon aus ökonomischen Gründen ressourcenschonend – was kann „Nachhaltigkeit“ darüber hinaus?
Unternehmen agieren schon aus wirtschaftlichen Gründen möglichst effizient und damit ressourcenschonend. Viele österreichische Betriebe gehören zum Beispiel bei Energieverbrauch und Treibhausgasausstoß zu den besten der Welt. Nachhaltigkeit kann aber viele Dimensionen betreffen, neben ökologischen Aspekten sind insbesondere ökonomische und soziale Aspekte relevant.
Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen – wo sind konkret wirksame Handlungsfelder?
Die Handlungsfelder im Gesundheitsbereich sind nicht grundlegend andere als in sonstigen Branchen: Themen sind zum Beispiel die Abfallvermeidung oder die CO2-Bilanz. Wichtig ist dabei, die gesamte Lieferkette zu betrachten, also Transport, Herstellung und Entsorgung.
Welche Erwartungen hat die Politik an Unternehmen aus der Gesundheitswirtschaft, konkret die Medizinprodukte-Branche?
Die Politik kann übergeordnete Ziele vorgeben, wie 100 Prozent erneuerbare Energien im Strombereich bis 2030 oder Treibhausgasneutralität bis 2040. Damit die Unternehmen zur Zielerreichung beitragen können, muss die Politik auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen – von den richtigen Regulativen bis zu monetären Anreizen.
Wo kann es für die Unternehmen Quick Wins geben?
Quick Wins sind oft dadurch zu erreichen, dass man als Unternehmen oder Branche glaubhaft und verlässlich die Gesellschaft unterstützt und deren Bedenken ernst nimmt. Investitionen in die Nachhaltigkeit haben oft ihren Preis, der auch weitergegeben werden muss, aber auch einen hohen Nutzen, zum Beispiel bei der Reputation der Unternehmen.
Wo sind Unternehmen bereits jetzt auf einem guten Weg?
Viele heimische Unternehmen verfolgen das Thema Nachhaltigkeit schon seit geraumer Zeit. Häufig wird in Österreich investiert, weil hier eine nachhaltige Produktion möglich ist – auch im Gesundheitsbereich.
Welche Themen erfordern langfristige Vorbereitung und Bearbeitung?
Im Bereich der Nachhaltigkeit braucht man jedenfalls einen langen Atem, da viele Entwicklungen und Umstellungen nicht von heute auf morgen möglich sind. Der themenoffenen Forschung und Entwicklung kommt dabei essenzielle Bedeutung zu, denn sie erfüllt im Innovationssystem eine äußerst wichtige Radarfunktion für frühzeitige Entwicklungen. Damit ermöglicht unser Forschungssystem rasche und flexible Reaktionen auf die globale Innovationsdynamik und aktuelle Technologietrends.
Braucht es nach dem „Health in All Policies“-Ansatz jetzt den „Sustainability in All Policies“-Ansatz?
Nachhaltigkeit schlägt sich sicher in sehr vielen Politikbereichen nieder. Allerdings braucht jeder Bereich meist spezifische Lösungen. Nachhaltige Wirtschaftspolitik für die Schwerindustrie braucht andere Lösungen als im Gesundheitssektor.
Welche gesetzlichen Grundlagen, die das Nachhaltigkeitsthema abbilden, gibt es jetzt bereits, welche sind in Planung?
Es gibt bereits ein breites Gerüst an Normen, Strategien und Regelungen, auf globaler, EU- wie auch auf nationaler Ebene. Es kommen zudem laufend neue Gesetze dazu. Entscheidend ist hier, auf eine Balance zu achten zwischen Nachhaltigkeit, aber auch Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit.
Gibt es für Unternehmen dabei eine Unterstützung, all diese Vorschriften in die Unternehmensstrategie zu integrieren?
Es gibt eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die trifft Unternehmen wie auch Individuen. Häufig sind aber sowohl für die Bürger als auch für die Unternehmen Unterstützung und Anreize auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit notwendig. Dies geschieht zum Beispiel mit der gerade beschlossenen Transformationsoffensive. Hier stehen 5,6 Milliarden Euro bis 2030 zur Verfügung, um Unternehmen bei Forschung und Entwicklung, Produktion und Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Weg zur Nachhaltigkeit zu unterstützen.
Wird der hohe Aufwand in der Umsetzung für Betriebe ein Wettbewerbsnachteil?
Die Transformation erfordert häufig enorme finanzielle Investitionen. Viele Unternehmen sind am Weltmarkt tätig. Um hier Wettbewerbsnachteile durch höhere Kosten zu vermeiden, setzt die Politik auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene verschiedene Maßnahmen. Langfristig ist Nachhaltigkeit sicher ein Wettbewerbsvorteil.
Welche Wünsche haben Sie an die Unternehmen im Hinblick auf die Umsetzung von Nachhaltigkeit?
Wir gehen in der Regel davon aus, dass Unternehmer selbst am besten wissen, wie sie ihre Ziele erreichen wollen. Im Dialog mit den Unternehmen erarbeiten wir gemeinsam die richtigen Rahmenbedingungen.