Der Aufwand für die Entwicklung von medizintechnischen Prototypen für die anwendungsorientierte Forschung steigt tatsächlich stark an, im Wesentlichen aufgrund administrativer Auflagen und formeller Anforderungen an die Laborinfrastruktur. Um trotzdem in diesem Bereich zügig und innovativ arbeiten zu können, müssten eine beträchtliche Aufstockung an qualifiziertem Personal und substanzielle Investitionen in die Infrastruktur erfolgen. Ohne die dafür notwendigen Mittel zu mobilisieren, wäre mit starken Einbußen bezüglich Entwicklung innovativer Medizinprodukte, Gründungsinitiativen und anwendungsnaher Ausbildungsschwerpunkte zu rechnen. Das ohnehin knapp verfügbare qualifizierte Personal wird einen beträchtlichen Teil der kreativen Kapazität über zusätzliche administrative Verpflichtungen einbüßen. Lösungen zur Kapazitätserweiterung müssen gefunden werden, um die kommenden Herausforderungen bestmöglich bewältigen zu können, substanzielle Rückflüsse aus MDR-bezogenen Dienst- und Beratungsleistungen wären aus meiner Sicht durchaus realistisch.
Grundsätzlich verteilt sich der Bedarf natürlich unmittelbar auf Fachleute im Regulatory-Bereich, aber – sicher derzeit etwas unterschätzterweise – auch auf solche aus allen relevanten technischen und naturwissenschaftlichen Themen. Medizintechnik ist hochgradig multidisziplinär, Wirksamkeit und Risiko können nur von über eine Zusammenschau technischer, physiologischer und medizinischer Expertisen wirklich tragfähig geklärt werden. Spezialisierungen müssen mit Sicherheit auf einem deutlich höheren Fundament an Detailerfahrungen beruhen als die Mindestvorgaben der MDR (Bachelorabschluss plus 4 Jahre Praxis), um valide Einschätzungen geben zu können. Grundbegriffe zum Regulatory-Bereich sollten in allen beteiligten Fächern in die Studienpläne einfließen, tiefergehende Spezialisierungen können realistischerweise erst in der praktischen Forschungs- und Entwicklungsarbeit entwickelt werden.
Die Fragestellung fasst die Situation schon sehr klar zusammen, genau dieser Bedarf wird sehr breit entstehen. Positiv betrachtet kann das auch als Chance für Universitäten und andere Forschungseinrichtungen gesehen werden, Forschungsleistungen mit praktischer Anwendung zu vernetzen und auch zusätzliche Drittmittel zu lukrieren. „Abziehen von Personal“ im Sinne dann in Forschung und Lehre fehlender Ressourcen wäre zu eindimensional gedacht. Einerseits ist es bereits jetzt eine der Kernaufgabe der Universitäten, hochqualifizierte Fachleute für Wirtschaft und öffentlichen Dienst auszubilden; dass zu viele junge Talente aus der akademischen Forschung und Entwicklung abwandern, liegt schon derzeit eher an Unterfinanzierungproblemen und Mangel an Karriereperspektiven. Eine Verbesserung dieser Rahmenbedingungen durch einen erhöhten Bedarf an gut ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen, an für Medizinproduktzulassungen obligaten Wirksamkeits- und Sicherheitsstudien mit hohem wissenschaftlichen Anspruch und an qualifizierte Beratungsleistungen könnten zu Einnahmen von Forschungseinrichtungen bei gleichzeitiger Stärkung der anwendungsorientierten Forschungsleistungen durchaus positive Beiträge liefern.
„Unsere hohen Qualitätsstandards werden vermehrt gefragt sein.“
Mag. Caroline Schober-Trummler
Vizerektorin für Forschung und Internationales, Medizinische Universität Graz
In Graz werden Inhouse-Produktionen sehr früh mit Firmenpartnern ausgelagert. Der Fokus der Mediziner liegt hier mehr auf der Versorgung. Die Produktentwicklung wird extern getragen und getrieben, da wir auch vergleichsweise wenig Medizintechniker hier haben. Das Thema betrifft uns vor allem in der In-vitro-Diagnostik, wo wir über eine sehr große Expertise verfügen. Wir haben zum Beispiel die größte klinische Biobank weltweit, die Forschungsgruppen beim Sammeln, Bearbeiten, Lagern von biologischen Proben und zugehörigen Daten bestmöglich unterstützt. Unsere hohen Qualitätsstandards bei klinischer Prüfung, werden künftig sicher noch intensiver nachgefragt werden.
Im regulatorischen Bereich wird Personal benötigt werden, das technische und rechtliche Expertise mitbringt. Hier wird ein interdisziplinäres Publikum gefragt sein, also zum Beispiel Mediziner, die sich im Rahmen einer postgradualen Ausbildung weiterbilden. Ich könnte mir vorstellen, dass wir in Kooperation mit anderen Universitäten, die Juristen oder Verfahrenstechniker ausbilden, gemeinsam Angebote ausarbeiten.