Die Gesellschaft für Prozessmanagement (GP) veranstaltete kürzlich in Kooperation mit dem A3CP – Austrian Competence Circle for Clinical Pathways – und der Donau-Universität Krems den Process Day 2011, der ganz im Zeichen der Qualitäts- und Prozessoptimierung im Gesundheitsbereich stand. “Prozessoptimierung steigert die Effizienz, spart Kosten und erhöht die Zufriedenheit der Patienten, aber auch der Mitarbeiter, denn Abläufe, Tätigkeiten und Kompetenzen werden klar geregelt und somit bessere Ergebnisse erzielt”, fasst Peter Kukla, Vorstand der Gesellschaft für Prozessmanagement und Leiter Prozessmanagement im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) die Vorteile des Prozessdenkens zusammen. Im Gespräch erläutert er die Hintergründe und Schwerpunkte des GP Process Day.
Welche Motivation steckt hinter dem Process Day 2011?
Qualitätsmanagement ist für Krankenanstalten ein unumgängliches Thema – eine wichtige Rolle dabei spielen Prozesse. Je genauer die Arbeitsabläufe definiert sind und eingehalten werden, desto besser wird die Qualität der Leistungen. Die laufende Verbesserung der Prozesse ist ein wesentliches Anliegen des Qualitätsmanagements. Sind Abläufe nicht genau definiert, Zuständigkeiten und Zusammenarbeit nicht ausreichend geklärt, führt das zu Chaos. Nur durch Prozessmanagement kann man Qualität verbessern. Auswertungen zeigen beispielsweise, dass in Unternehmen an Schnittstellen, beispielsweise in verschiedenen Abteilungen, ohne Regelung der Prozesse bis zu 60 Prozent an Zeit und Informationen verloren gehen können.
Der GP Process Day wurde vor nunmehr drei Jahren etabliert. Ziel war es, das Thema Prozessmanagement speziell für die Gesundheitsbranche aufzuarbeiten. Damit stellt sie eine Ergänzung zum Prozessmanagement-Summit, einem Event, das im Herbst dann branchenübergreifend den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema zusammenfasst.
Was war für Sie das Highlight beim diesjährigen Process Day?
Wir hatten einen sehr spannenden Bericht zu unserem Vorhaben ein Prozessreferenzmodell für das Gesundheitswesen zu etablieren. Die Gesellschaft für Prozessmanagement hat gemeinsam mit dem Wiener Krankenanstaltenverbund, den Steiermärkischen Krankenanstalten, der AUVA, dem Rudolfinerhaus und den Tiroler Landeskrankenanstalten ein “Gesundheitsmanagement Modell” entwickelt. Ein derartiges Modell gibt es für viele Branchen, bisher aber nicht für die Gesundheitsbranche.
Was ist das Ziel dieses Modells?
Im Prozessmanagement ist es üblich, mit Referenzmodellen zu arbeiten. Sie können wesentlich dabei helfen, Prozesse, beispielsweise für unterschiedliche Krankenhäuser, zu entwerfen, weil sie sozusagen ein Idealmodell darstellen, an dem die neu zu entwerfenden Prozesse gemessen werden. Obwohl sich die Prozesse in jedem Krankenhaus natürlich im Detail unterscheiden werden, lassen sich für bestimmte Bereiche Prozesse identifizieren oder Strukturen erkennen, die als gemeinsame Basis genutzt werden können. Hier setzen die bekannten Prozessmodelle an. Mit dem “Gesundheitsmanagement Modell” soll die Grundlage geschaffen werden, dass sich ein Krankenhaus auditieren lassen kann.
In welchem Status befindet sich das “Gesundheitsmanagement Modell”?
Wir arbeiten seit einigen Monaten daran und sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir ein erstes Probeassessment machen und über erste Erfahrungen damit berichten können. Assessments dienen dazu, die Effektivität und Effizienz einzelner Prozesse sowie des gesamten Prozessmanagementsystems zu bewerten. Sie zeigen die “Reife” bzw. “Güte” der einzelnen Prozesse und des ganzen Systems auf. Mit den bisherigen praktischen Erfahrungen werden nunmehr weitere Praxistests im Rudolfinerhaus und danach im Krankenhaus Hietzing durchgeführt.
Welche Prozesse werden beispielsweise auf Basis dieses Modells durchgeführt?
Wir haben eine Referenzprozesslandkarte entwickelt, die Kernprozesse für die Diagnose, die Therapie und das Management festlegt. Ein Vorzeigeprojekt ist sicher das zertifizierte Brustgesundheitszentrum Rudolfstiftung, das von einem abteilungs- zu einem prozessorientierten Behandlungsprozess übergegangen ist. Das ist besonders interessant, da hier abteilungsübergreifend viele unterschiedliche Berufsgruppen zusammenarbeiten. Sehr etabliert und ausgereift ist das Prozessdenken auch an der Augenabteilung im Krankenhaus Hietzing, wo das Prozessmanagement als Instrument zur Steuerung der Abteilung eingesetzt wird.
Wo sind die großen Herausforderungen für das Prozessmanagementsystem im Gesundheitswesen?
Ich denke, das ist die Darstellung des Nutzens. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Diagnose und Therapie und ganz allgemein die Versorgung der Patienten. Gleichzeitig haben wir aber auch einen steigenden Leistungs- und Kostendruck im Gesundheitswesen. Hier stellt Prozessmanagement sicher ein adäquates Mittel dar, um Verbesserungen zu erzielen. Dabei geht es gar nicht darum, die Versorgung über einen Kamm zu scheren, sondern beispielsweise administrative Vorgänge zu standardisieren, Schnittstellen oder Doppelgleisigkeiten möglichst zu reduzieren. Das Ergebnis ist eine Optimierung von Vorgängen, die dann wiederum mehr Zeit für die Versorgung der Patienten schafft.
Veränderungen erfordern auch immer die Akzeptanz vonseiten der Betroffenen. Wie motiviert sind die Mitarbeiter?
In den meisten Fällen wird das Prozessmanagement sehr gut angenommen. Es geht ja letztendlich um Verbesserungen und nicht darum, das Arbeitsleben schwer zu machen. Durch die Darstellung von Verantwortlichkeiten ist Prozessmanagement auch ein wichtiges Kommunikationsinstrument. Auch der Wunsch nach einer geprüften und überprüfbaren Qualität wird immer stärker und ist sicher mit ein Grund, dass sich das Instrument auch im Gesundheitssektor immer mehr etabliert.
Wie steht Österreich im internationalen Vergleich da?
In Bezug auf die Prozessstandardisierung sind Österreich und gerade der Wiener Krankenanstaltenverbund sicher federführend. Wir haben es geschafft, die administrativen Prozesse flächendeckend zu standardisieren und das bei einer Größenordnung von rund 30.000 Mitarbeitern. Vergleichbare Dimensionen gibt es in Europa nicht. Auch in Bezug auf das Referenzmodell sind wir Vorreiter in Österreich.
Was die Einrichtung von Versorgungszentren anbelangt, ist Deutschland einen Schritt weiter, das liegt aber auch an den gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Was wünschen Sie sich für die weitere Entwicklung des Prozessmanagements im Gesundheitswesen?
Eine stärkere Vernetzung in den einzelnen Bundesländern und die Bündelung von Know-how, damit wir noch rascher den eingeschlagenen Weg vorangehen können. Auch im Hinblick auf die Transparenz gibt es noch Optimierungspotenzial. Dazu ist der Process Day sicher ein wichtiger Mosaikstein im System.