Wie gesund ist der Standort Österreich?

Ob Fieberthermometer, Stent oder Röntgenstrahlen – mehr als 400 unterschiedliche Produktgruppen prägen eine Branche, die in den letzten 30 Jahren einen enormen Innovationsschub in das heimische Gesundheitswesen gebracht hat. Seit sich im Jahr 1981 sieben Firmen zusammengefunden haben, ist die Zahl der Mitglieder der AUSTROMED als Interessensvertretung der Medizinproduktebranche auf aktuell 99 angestiegen – und weitere werden folgen. “Die Verbandsarbeit war seit jeher vom pragmatischen Ansatz geprägt, auf informellem Weg das Gespräch mit unseren Partnern zu suchen”, betont Mag. Friedrich Thomasberger, Präsident der AUSTROMED, in seiner Eröffnungsrede. Ein Thema der ersten Stunde war etwa die Verpackungsverordnung, in zahlreichen Normungsgremien war die AUSTROMED mit ihrer Expertise eingebunden und ein wesentlicher Meilenstein war die Mitarbeit an der Entstehung des aktuell gültigen Medizinproduktegesetzes.
Die rund 9.000 Mitarbeiter in den heimischen Medizinprodukteunternehmen sind einer der zentralen Standortvorteile, auf den die Betriebe setzen. Daher wird der Aus- und Weiterbildung im Rahmen der AUSTROMED-Akademie besondere Aufmerksamkeit geschenkt. “Die Ausbildung werden wir auch in Zukunft weiter forcieren, darüber hinaus wollen wir aber noch stärker proaktiv für den Standort Österreich eintreten, um noch mehr gehört zu werden und den Dialog zu den Stakeholdern weiter zu öffnen”, gibt Thomasberger Einblick in die Pläne.

Genug gespart?

Die Frage, ob Gesundheit ein Wachstumsmarkt und wie gut der Standort Österreich für die Branche tatsächlich ist, eröffnete die Podiumsdiskussion mit Rudolf Hundstorfer, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Prof. Dr. Kurt Grünewald, Gesundheits- und Wissenschaftssprecher Die Grünen, Dr. Dietmar Schuster, MBA, Referent in der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer Österreich und Mag. Friedrich Thomasberger. Einig waren sich die Diskutanten, dass die hoch qualitativen Arbeitsplätze in der innovativen Medizinproduktebranche mit aller Kraft zu erhalten sind und ausgebaut werden sollen – ein Wunsch, der angesichts aktueller Entwicklungen in der Praxis durchaus schwierig zu sein scheint. Denn Themen wie die Schuldenbremse, die Kostenspardiskussion im Gesundheitswesen oder neue Belastungen wie die Medizinprodukteabgabe lassen Zweifel aufkommen, dass es sich um eine prosperierende Branche handelt, deren Leistungen auch entsprechend anerkannt werden.
“Wenn wir unsere Politik weiter aktiv gestalten wollen, so müssen wir auch die Hausaufgaben erledigen, die wir durch die Finanz- und Wirtschaftskrise auferlegt bekommen haben”, ist BM Hundstorfer überzeugt. Dass dazu ausgaben- und einnahmenseitige Aktionen – auch im Gesundheitswesen – erforderlich sein werden, steht für ihn außer Frage, aber ebenso die Tatsache, dass die Balance zu finden ist, ohne die Konjunktur zu beeinträchtigen. “Hohe Beschäftigungszahlen und Innovationen sind nur möglich, wenn es der Wirtschaft gut geht”, so Hundstorfer weiter.

Bildung und Wachstum gehen Hand in Hand

Thomasberger fordert daher, den “Wachstumsmarkt Gesundheit” differenziert zu betrachten, denn die gute Position, die sich die Medizinprodukteunternehmen am Standort Österreich in den letzten 30 Jahren erkämpft haben, erscheint heute in einigen Punkten durchaus gefährdet: “Hohe Lohnnebenkosten oder die Einführung der Medizinprodukteabgabe machen es für Betriebe nicht attraktiv, ihre Geschäfte in Österreich weiter auszubauen”, ist der AUSTROMED-Präsident überzeugt. Nicht einfacher macht es das kränkelnde Bildungssystem, das kaum den Nachwuchs hervorbringt, den eine sehr wissens- und technologieorientierte Branche wie die der Medizinprodukte braucht.
In den Bildungsbereich zu investieren fordert auch Grünewald: “Wir müssen in Bildung, Wissenschaft und in das Gesundheitssystem investieren, wenn wir hier ein hohes Niveau aufrecht erhalten wollen. Und wir alle wissen, dass eine gesunde Wirtschaft auch nur von gesunden Mitarbeitern getragen werden kann. Und Gesundheit wird zu einem hohen Maß durch das soziale Umfeld und die Bildung mitgeprägt.”

Transparenz gefordert

Ein fairer Wettbewerb erfordert auch, dass Transparenz herrscht – und die fehlt in der Gesundheitswirtschaft über weite Strecken. “Wir haben eine schlechte Datenlage über Angebot, Nachfrage und erst recht über Qualitätsindikatoren. Alle reden vom besten Gesundheitssystem, aber dafür gibt es zumindest nach OECD-Datenlage keine Hinweise”, meint Schuster. Thomasberger ergänzt: “Dazu gehört auch die klare Aufgabentrennung in der öffentlichen Hand. Sie ist heute Regulator, Anbieter und Finanzierer gleichzeitig, das sorgt für Wettbewerbsverzerrung, monopolartige Strukturen und Intransparenz. Mehr Marktmechanismen würden dem System guttun!” Einen konkreten Schritt in Richtung Erhöhung der Transparenz setzt schließlich BM Hundstorfer: “Ich werde mich so rasch als möglich mit den Vertretern der AUSTROMED zusammensetzen und die konkreten Anliegen der Medizinproduktebranche ausführlich diskutieren.”

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