In wenigen Tagen wird Mag. Dr. Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, den Staatspreis Innovation an Österreichs innovativstes Unternehmen verleihen. Die nominierten Projekte spannen einen Bogen über wichtige Zukunftstechnologien und -branchen. Mit dabei sind auch Vertreter der Life-Science-Industrie.
„Die aktuellen Krisen verdeutlichen, wie wichtig Innovationskraft im globalen Wettbewerb ist. Dies gilt insbesondere für kleinere Länder wie Österreich. Die heimischen Betriebe haben in den vergangenen Jahren eindrucksvoll bewiesen, dass sie auch unter schwierigen Rahmenbedingungen innovativ sind und damit einen ganz entscheidenden Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten“, betont der Minister im Vorfeld der Preisvergabe. Im Gespräch mit AUSTROMED beschreibt er den Stellenwert von Innovation für das Gesundheitswesen und der Bedeutung der gesellschaftlichen Akzeptanz dafür.
Welchen Stellenwert hat für Sie Innovation?
Für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie Österreich ist Innovation ohne jede Alternative. In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Land zu einem Strong Innovator in Europa entwickelt. Beispielsweise gibt es eine besonders forschungsintensive Life-Science-Branche, die große volkswirtschaftliche Bedeutung hat. Der gesamte Life-Science-Sektor zählt mehr als 60.000 Beschäftigte in über 980 Unternehmen, die einen jährlichen Umsatz von rund 25 Milliarden Euro erwirtschaften. Alleine die Medizintechnikbranche mit ihren 577 Unternehmen und rund 28.000 Mitarbeitern ist für einen jährlichen Umsatz von rund neun Milliarden Euro verantwortlich.
Wer ist verantwortlich, dass Innovationen im Gesundheitswesen gefördert werden und in den Markt kommen?
Innovationen werden maßgeblich von Unternehmen und der öffentlichen Hand gefördert. Im Bereich des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums unterstützen die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und die aws, die Austria Wirtschaftsservice GmbH, Innovationen. Mit dem Programm LISA-Life Science Austria ist die aws seit über 20 Jahren ein wichtiger Partner für die österreichische Life-Science-Branche und hilft Start-ups finanziell bei der Entwicklung von Produktinnovationen. Das Programm bietet österreichischen Life-Science-Start-ups maßgeschneiderte Unterstützung in jeder Unternehmensphase. Neben monetären Förderungsmaßnahmen wie LISA Preseed und Seedfinancing bietet das aws LISA Programm umfassende und kompetente Beratung sowie Unterstützung bei der Internationalisierung und Unternehmensgründung. Die enge Einbindung der fünf österreichischen Life-Sciences-Cluster sowie der im aws AplusB Scale-up-Programm geförderten Inkubatoren ermöglicht die Vernetzung aller wesentlichen Stakeholder der Branche. Bei der FFG gibt es seit dem Frühjahr einen neuen Life-Science-Schwerpunkt.
Wer bringt Innovation in die Gesellschaft?
Ein großer Anteil wird von der Wirtschaft getragen. Einen wesentlichen Beitrag leistet dabei die Forschung österreichischer Unternehmen sowie jene, die durch internationale Betriebe in Österreich betrieben wird. Der konkrete Bedarf in der Versorgung von Patienten ist ein wichtiger Treiber bei der Entwicklung von Medizintechnik. Dafür stehen forschende Unternehmen in stetem Dialog mit anwendungsnahen Forschungseinrichtungen und klinischen Anwendern. Neben schon etablierten Medizintechnikunternehmen spielen hier auch hochinnovative Start-ups eine wesentliche Rolle. Gemeinsam gelingt es, neue Produkte für eine bessere Patientenversorgung auf den Weg zu bringen.
Sind Bürger bereit für Innovation?
Wenn sie einen klaren Mehrwert in der Innovation sehen, dann sind sie sehr wohl bereit, diese Innovationen anzunehmen. Zum Beispiel waren die Covid-Impfstoffe schnell verfügbar. Doch die gesellschaftliche Akzeptanz war nicht in voller Breite vorhanden. Wir müssen in der Bevölkerung verstärkt Akzeptanz für Forschungsergebnisse schaffen.
Haben wir genug Ressourcen, um Innovationen auf den Weg zu bringen?
In Österreich sind 17 Universitäten und 13 Fachhochschulen in der Ausbildung in den verschiedenen Bereichen der Life Sciences aktiv, darunter auch sehr viele Fachrichtungen der Medizintechnik. Im Jahr 2020 waren rund 68.000 Studierende an Universitäten und rund 9.700 an Fachhochschulen in diesem Bereich eingeschrieben und dies führt zu ca. 8.000 Abschlüssen verschiedener Graduierung pro Jahr. Dementsprechend sichert die Universitäts- und Fachhochschullandschaft Österreichs einen Großteil des Bedarfs an Fachkräften in diesem Bereich. Dennoch wird uns der Fachkräftemangel aufgrund der demografischen Situation noch viele Jahre beschäftigen. Es ist daher entscheidend, Österreich auf internationaler Ebene als ausgezeichneten Arbeits- und Wirtschaftsstandort zu positionieren, um qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland anzusprechen. Wir haben als Bundesregierung die Rot-Weiß-Rot-Karte reformiert und den damit verbundenen Prozess der Beantragung und Genehmigung dafür wesentlich verbessert sowie die Kriterien erleichtert.
Wo sehen Sie in Österreich die größten Optimierungspotenziale für erfolgreiche Innovationen?
Innovationen werden in letzter Instanz von den Unternehmen getragen und müssen auch am Markt ankommen. Deshalb muss der Markteintritt für innovative Produkte erleichtert werden. Es existiert bereits einen hoher Vernetzungsgrad von Wissenschaft, Industrie und klinischer Anwendung, trotzdem gibt es hier weiteres Potenzial, um die Zusammenarbeit zu intensivieren. Auch die Abstimmung mit den Versicherungsträgern ist im Gesundheitssektor ein wesentlicher Aspekt. Hier gibt es Steigerungspotenzial bei Geschwindigkeit und Durchlässigkeit. Ein weiterer Faktor sind Forschungsförderungen, aber es gibt natürlich nie genug Mittel, um alle Projekte zu fördern. Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft hat sich, auch durch viele Förderimpulse wie etwa die CDG, COMET-Zentren oder das Bridge-Programm der FFG, in den letzten Jahren deutlich verbessert.
Wo sehen Sie in Österreich die größten Chancen für erfolgreiche Innovationen?
Österreich ist es dank seiner Unternehmenslandschaft sehr gut gelungen, über Innovation die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit substanziell zu steigern. Insbesondere die intensive Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft zahlt sich aus. Mit dem Forschungsfinanzierungsgesetz und den FTI-Pakten gibt es einen klaren Umsetzungsmechanismus zur Erreichung der Ziele der FTI-Strategie. Mit bestmöglicher Unterstützung unserer innovativen Unternehmen und einem klaren Fokus auf hoch innovative Sektoren wollen wir als Arbeits- und Wirtschaftsministerium dazu beitragen, dass der eingeschlagene Innovationspfad fortgesetzt werden kann.
Ist Österreichs Gesellschaft durch Corona innovationsfreudiger geworden und wie schätzen Sie die Innovationsfreudigkeit hierzulande insgesamt ein?
Wie gesagt, Menschen verwenden vor allem neue Produkte, wenn sie einen konkreten Nutzen davon haben. Während Corona hat man diesen Nutzen vor allem im E-Health- Bereich gesehen. Fast 38% der Life-Science-Branche sind bereits in diesem Feld tätig. Die Hälfte aller Neugründungen in den letzten drei Jahren geht auf den Digital-Health-Sektor zurück.
Gibt es Vorbilder in Sachen Innovation, von denen man lernen könnte und sollte?
In anderen Ländern ist es einfacher, Innovationen zu erproben. Daher hat man im Finanzbereich vor einigen Jahren eine sogenannte „Regulatory Sandbox“ eingerichtet, in der Innovationen im Finanzbereich in einem geschützten Rahmen der Finanzmarktaufsicht getestet werden können. In anderen Ländern gibt es das auch in anderen Bereichen. Daher wird in der Bundesregierung an einem sogenannten Reallaborgesetz gearbeitet.
In der Medizinprodukte-Branche werden die regulatorischen Rahmenbedingungen immer strenger. Wie kann es gelingen, unter diesen Voraussetzungen noch Innovationen auf den Markt zu bringen?
Die neuen Regulatorien stellen sicherlich eine Herausforderung für die gesamte Branche dar, aber sie sind zur Verbesserung der Patientensicherheit notwendig. Für die österreichischen Unternehmen ist es entscheidend, sich rechtzeitig und tatsächlich in der Entwicklung mit den neuen Regulatorien auseinanderzusetzen und sich in der Entwicklungsphase von neuen Produkten von kompetenter Stelle beraten zu lassen.
Österreich hat nach wie vor keine Benannte Stelle für die Zulassung von Produkten. Wie wirkt sich dieser Umstand auf den Wettbewerb aus?
Es gibt seit Jahren die österreichische Niederlassung der deutschen mdc (medical device certification GmbH) und die Quality Austria hat mit ihrer Tochtergesellschaft QMD Services GmbH alle Schritte unternommen, um eine Benannte Stelle nach IVDR und MDR in Österreich einzurichten. Diese Vorbereitungen sind zu weiten Teilen abgeschlossen. Insgesamt ist das Angebot an Benannten Stellen in Europa immer noch zu gering, aber hier muss und wird sich ein europäischer Angebotsmarkt entwickeln, der unabhängig vom Standort der Benannten Stelle EU-weit Services anbietet.
Welche Innovationen auf dem Sektor der Medizinprodukte waren für Sie persönlich in den letzten Jahren richtungsweisend?
Der Medizinprodukte-Sektor ist sehr breit gefächert und es sind so viele herausragende Innovationen auf den Markt gekommen. Exemplarisch fällt mir natürlich das Thema „Personalisierte Medizin“ ein, womit ein Paradigmenwechsel in der Medizin stattfindet, die bisherigen „One-size-fits-all“-Behandlungen weichen den neuen Ansätzen der personalisierten Präzisionsmedizin.