Nachdem sie bereits mit Techniken wie der Angioplastie oder dem Stenting Pionierarbeit geleistet hat, erweiterte die IR stetig ihr Repertoir. Werden laparoskopische Eingriffe oft als Schlüssellochchirurgie bezeichnet, erweisen sich interventionell-radiologische Eingriffe als noch weniger invasiv. Führungsdrähte werden durch winzige Einstiche durch die Haut in das Gefäßsystem eingeführt und führen Katheter bis zur erkrankten Stelle. Ist der therapeutische Zielbereich erreicht, wird innovative Medizingerätetechnik zum Einsatz gebracht, die oftmals physikalische und pharmazeutische Einsatzmittel kombiniert. Diese Eingriffe sind aufgrund ihrer minimal-invasiven Natur bei Patienten sehr beliebt und stehen aufgrund ihrer hohen Effektivität, kürzerer Krankenhausaufenthalte, rascher Genesung und niedriger Komplikationsraten zunehmend im Rampenlicht. Ärzte wie auch Krankenhausmanager sehen immer mehr, wie sich diese für den Patienten vorteilhaften klinischen Ergebnisse kosteneffektiv anwenden lassen.
Der Trend zur minimal-invasiven Therapie spiegelt sich in der stetig wachsenden Teilnehmerzahl des größten deutschsprachigen Kongresses für Interventionelle Radiologie wieder. Die Dreiländertagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Gesellschaft für Interventionelle Radiologie informiert in diesem Jahr wieder über die neuesten Fortschritte in der minimal-invasiven Therapie. Sie unterstützt die interdisziplinäre Zusammenarbeit unter Ärzten und bietet darüber hinaus noch Trainings- und Ausbildungsmöglichkeiten für die praktischen Fähigkeiten der Interventionalisten. Besonders beeindruckend ist dabei das breite Spektrum an Krankheiten, das die Interventionelle Radiologie effektiv behandeln kann, wie etwa Krebs oder Diabetes.
Das Schrumpfen eines krebsartigen Geschwüres kann durch eine Embolisation bewirkt werden. Der Eingriff umschreibt das Abtöten eines Tumors durch die gezielte Applikation von Embolisaten zum punktuellen Verschluss der Gefäße, die das Geschwür versorgen. Zum Teil werden diese Partikel auch mit krebsbekämpfenden Substanzen beladen. Ein Katheter wird in eine Arterie eingeführt und bis zur Läsion bewegt, wo speziell angefertigte, sehr feine Partikel präzise injiziert werden. Patienten mit einer palliativen Krebsbehandlung können auch von einer Embolisation profitieren. Durch das Schrumpfen von Tumoren bei Patienten, die sich keiner chirurgischen Behandlung unterziehen können oder wollen, kann sehr oft die Lebensqualität bewahrt werden. In manchen Fällen können Tumore, die für eine Exzision ungeeignet wären, mithilfe einer Embolisation auf eine Größe geschrumpft werden, die eine darauffolgende chirurgische Entfernung erlaubt.
Die bekannteste Variante dieser Technik ist die Chemoembolisation, die bei der Therapie des hepatozellulären Karzinoms am häufigsten zum Einsatz kommt und hier zum Goldstandard zählt. Hierbei wird das embolische Material, das den Blutfluss zum Tumor verringert, zusammen mit chemotherapeutischen Medikamenten über einen dünnen Katheter direkt am Tumor verabreicht. In manchen Fällen werden spezielle Mikrokügelchen für die Embolisation benutzt, die so beschaffen sind, dass sie den Wirkstoff über längere Zeit abgeben. Der entscheidende Vorteil dieser lokalen Behandlung ist die Minimierung der systemischen Nebenwirkungen, die bei einer herkömmlichen Verabreichung der Chemotherapie zu erwarten wären. Eine weitere, vielversprechende Entwicklung ist der Einsatz von fokussiertem Ultraschall als non-invasive Thermal- Ablationstechnik. Diese Technologie wird bereits zur Behandlung von Gebärmuttermyomen eingesetzt und wird nun an eine Vielzahl von Krebserkrankungen adaptiert, insbesondere bei Brust- und Prostatakrebs.
Eine minimal-invasive Behandlungsoption existiert auch für eine der verheerendsten Folgeerscheinungen der Diabetes: die periphere arterielle Verschlusskrankheit, die zum diabetischen Fußsyndrom führen kann. Sie stellt eine schwerwiegende Erkrankung dar, die sich ohne schnelles Handeln zu einer kritischen Ischämie entwickeln und zu einem Verlust des Fußes oder des ganzen Beines führen kann. Schätzungen der Deutschen Liga zur Bekämpfung von Gefäßerkrankungen gehen davon aus, dass weltweit alle 30 Sekunden ein Bein aufgrund der diabetischen Spätfolgen verloren geht. Darüber hinaus sehen sich Unterschenkelamputationspatienten mit einer düsteren Prognose konfrontiert: 10% der Amputierten sterben während des Eingriffes, 30% sterben innerhalb der folgenden zwei Jahre(1). In solchen Situationen hat der Erhalt der Gliedmaße immer die oberste Priorität. Neben einer intensivierten medizinischen Therapie stellt die Interventionelle Radiologie eine wichtige Option in der Behandlung dar.
Moderne interventionell-radologische Techniken erlauben einen präzisen Zugang zu den Läsionen, die sowohl die Ober- als auch die Unterschenkelgefäße betreffen können, und ermöglichen die Rekanalisation, um die Durchblutung wieder zu gewährleisten. Hierzu stehen dem interventionellen Radiologen eine Vielzahl unterschiedlicher Ballonkatheter, Stents oder miniaturisierter Rekanalisationskatheter zur Verfügung.
Die minimal-invasiven Innovationen nehmen aber nicht nur die primäre atherosklerotische Gefäßläsion ins Visier. Die hierzu verwendeten Stents sind mittlerweile weitgehend bekannt und kommen bei Arterienstenosen zum Einsatz, wie sie zum Beispiel von der koronaren Arterienkrankheit her bekannt sind. Typischerweise aus einem feinen Drahtgeflecht bestehend, werden Stents oft als Teil einer fluoroskopisch gesteuerten Angioplastie vom interventionellen Radiologen platziert. Leider sind die Offenheitsraten der Stents sehr unterschiedlich und hängen von vielen Faktoren wie Lokalisation, Gefäßdurchmesser oder der Art der zugrundeliegenden Stenose ab. Neue Entwicklungen umfassen aber bereits Modelle, die mit wirkstoffhaltigen Polymeren beschichtet sind. Immunosuppressiva, wie Sirolimus oder das antiproliferative Paclitaxel werden oft in die Stent-Technologie mit einbezogen, um die Zellproliferation der Gefäßintima und damit eine eventuelle Restenose zu verhindern. Stents stellen einen Fremdkörper und somit einen Reiz zur Thrombozytenaggregation dar. Die Einhaltung einer Thrombozytenaggregationshemmerkur ist daher wichtig, um die seltene, aber gefährliche Frühthrombose zu verhindern.
Quelle:
(1) Norgren et al. (2007). Inter-City Consensus for the Management of Peripheral Arterial Disease (TASCII)