Die Erweiterung des Durchmessers der Bauchschlagader (Bauch aortenaneurysma, BAA) ist eine ernst zu nehmende Erkrankung. Ab einer Erhöhung des Durchmessers von mehr als 50 Prozent spricht man von einem Aneurysma. Im Durchschnitt entspricht dies einem Durchmesser von mehr als 3 cm bei der Bauchschlagader.
Die Gefahr der Ruptur – und somit eines Blutungsschocks und des Todes bei Undichtigkeit der Hauptschlagader – steigt exponentiell mit dem Durchmesser. Die Rupturrate von BAA unter 5 cm liegt bei jährlich unter 3 Prozent, bei BAA von 5,5 bis 6,9 cm bei über 10 Prozent und bei BAA über 7 cm bei mehr als 30 Prozent.
Die elektive Operation des BAA ist eine Therapie zur Reduktion der BAA-Ruptur-assoziierten Morbidität und Mortalität. Die therapeutischen Möglichkeiten der modernen BAA-Chirurgie sind einerseits die konventionelle Operation und andererseits die endovaskuläre, Katheter-gestützte Therapie. Die perioperative Sterblichkeitsrate der konventionell chirurgischen Behandlung liegt in erfahrenen Händen zwischen 1,7 und 5 Prozent, bei der endovaskulären Methode bei 1,5 Prozent. Dem steht eine 80%ige Mortalität bei rupturierten BAA gegenüber, eine erschreckend hohe Sterblichkeit, die sich trotz neuer chirurgischer Technologien und Techniken sowie verbesserter intensivmedizinischer Betreuung nicht senken lässt. Die am häufigsten betroffene Altersgruppe, die an BAA leidet, ist die 65- bis 80-jährige Bevölkerung mit einer Prävalenz an operationswürdigen BAA von 0,5%. Große Screening-Untersuchungen und randomisierte Studien in den letzten Jahren haben gezeigt, dass diese relativ einfache und kostengünstige Maßnahme zu einer signifikanten Reduktion der BAA-Rupturassoziierten Todesfälle geführt hat. In einer Arbeit konnte bei der gescreenten Population eine Verringerung der Sterblichkeit um 73% und der Operation wegen rupturierter BAA um 68% gezeigt werden1. Dies bedeutet neben der Verringerung der Sterblichkeit auch eine Verringerung der Kosten. Es müssen weniger Notfälle behandelt werden, die in der Regel ein Vielfaches an Blutprodukten benötigen und eine deutlich verlängerte intensivmedizinische Behandlung mit anschließender sehr aufwändiger Rehabilitation durchmachen. In der konventionellen Chirurgie der Bauchaorta gab es in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen im perioperativen Management, nicht jedoch auf dem Sektor der Medizinprodukte, da chirurgische Aortenprothesen seit Jahrzehnten ausgereifte Produkte sind.
Bei den Aortenendoprothesen zur endovaskulären Therapie des BAA (EVAR) sind die Entwicklungen jedoch beachtenswert. Neben den etablierten Stentprothesen mit dem Konzept der Nitinol und Stahlgitterkonstruktionen zur Verspreizung und Abdichtung sind Produkte mit gänzlich neuen Konzepten auf den Markt gekommen.
Die Stentprothese der Firma APTUS ist prinzipiell eine konventionelle Prothese mit einer feinen Metallgitterkonstruktion zur primären Fixierung der Endoprothese im gesunden Bereich der Bauchaorta. Zusätzlich zur üblichen Verankerung werden eigens für den Gefäßbereich entwickelte helikale Schrauben im Abdichtungsbereich der Aorta, knapp unter den Nierenarterien, endoluminal eingebracht. Damit ist die Prothese fest verankert und kann nicht abrutschen – eines der Probleme, das die konventionellen Prothesen nach mehreren Jahren haben können.
Labortests haben zeigen können, dass diese Art der Fixation der klassischen chirurgischen Naht hinsichtlich Ausrissfestigkeit nahekommt. Neben der Fixierung der Prothese der Firma APTUS können auch die meisten gängigen Prothesen anderer Anbieter dermaßen fixiert werden. Die Schrauben können somit primär bei komplexen Anatomien als auch zur Behebung von sekundären Problemen (Undichtigkeit zum Beispiel nach Verrutschen des Stentgraft) verwendet werden. Neben diesen Neuerungen hat die APTUS Prothese einen geringen Katheterdurchmesser von knapp 5 mm, sodass auch Patienten mit geringem Beckengefäßdurchmesser, über die die Prothese eingebracht werden, erfolgreich behandelt werden können.
Die Ovation Prothese ist die erste Prothese, deren innere Haltestruktur nicht aus einem Drahtgeflecht, sondern aus einem im Rahmen der Implantation eingebrachten Polymer besteht. Das Polymer verteilt sich nach Injektion durch einen speziellen Injektor (definierter Druck der Injektion) in ringförmig angeordneten Taschen in der Prothese und verleiht dem Körper Halt und dichtet die Prothese ab. Der Vorteil dieses Konzeptes ist ein geringerer Durchmesser des Katheters von weniger als 5 mm – somit das zarteste Einführsystem, das derzeit am Markt erhältlich ist – und eine extreme Passgenauigkeit an die Aortenwand.
Das Nellix System, das in der 2. Hälfte 2012 eine CE-Zertifizierung erhalten soll, hat ein gänzlich anderes Konzept. Es werde zwei röhrenförmige Stentprothesen in die Aorta eingebracht und anschließend wird ein in diesen Prothesen enthaltener Sack mit Polymer gefüllt. Somit wird der gesamte Aneurysmasack mit Polymer ausgefüllt – ohne dass dieses mit dem Blutsystem des Patienten in Kontakt gerät. Das Polymer dichtet das Aneurysma ab und der systemische Blutdruck wirkt nicht mehr auf die Aortenwand. Das System ist schon mehrfach implantiert worden und hat bei einigen besonderen Indikationen vielversprechende Resultate gezeigt. Klinische Langzeitergebnisse jenseits der fünf Jahre sind jedoch noch ausständig.
Quelle: Prim. Univ.-Doz. Dr. Afshin Assadian, Gefäßchirurgie, Wilhelminenspital Wien
1 Lindholt JS, et al. Preliminary ten year results from a randomised single center mass screening trial for abdominal aortic aneurysm. Eur J Vasc Endovasc Surg 2006;32:608-14