Das heimische Gesundheitssystem benötigt immer hochwertigere und sicherere Medizinprodukte. Dafür steht aber kaum mehr Geld zur Verfügung. Das führt langfristig dazu, dass Patienten moderne Produkte verwehrt werden, die jedoch Krankheitszeiten und Kosten reduzieren würden. Bei den AUSTROMED-Herbstgesprächen 2016 wurden mögliche Auswege aus der Innovationsfalle gesucht, in der das Gesundheitswesen und die österreichische Medizinproduktebranche stecken. „Mit innovativen Medizinprodukten kann das Gesundheitssystem langfristig Kosten einsparen. Unser Ziel muss es sein, Methoden zu finden, die es ermöglichen, die Ersparnisse durch innovative Produkte in Zahlen zu fassen. Derzeit werden noch immer hauptsächlich die Stückkosten betrachtet und nicht die Prozesskosten“, ist AUSTROMED-Präsident Gerald Gschlössl überzeugt.
In seiner Keynote betrachtete der Schweizer Gesundheitsökonom Dr. Willy Oggier (sh. auch Gastkommentar auf Seite 6) die Gesundheitssysteme in Europa und zeigte dabei deutlich auf, dass in Österreich vor allem noch von der Gesundheitspolitik zu klären ist, welche Ziele verfolgt werden und mit welchen Rahmenbedingungen diese erreichbar sind. Vor allem angesichts einer immer weiter alternden Gesellschaft, bei der die Versorgung an Bedeutung gewinnt, muss die Wirksamkeit der Maßnahmen vor der Wirtschaftlichkeit gereiht werden. Mit den Worten „Qualität kommt vor Kosten“ und „Nichts tun ist keine Alternative“ brachte es Oggier auf den Punkt. Er kritisierte vor allem den mangelnden Willen, eine Strukturdiskussion im Gesundheitswesen zu führen, und forderte einen raschen Kultur- und Strukturwandel, da sonst Österreich im internationalen Vergleich noch weiter abrutschen wird.
Im Anschluss an die Keynote diskutierten Experten das Spannungsfeld zwischen beschränkten Budgets und dringend notwendigen medizinischen Innovationen einer Branche, die enorme finanzielle Ressourcen für Forschung und Entwicklung aufbringen muss, aber diese Kosten kaum mehr erstattet bekommt. Dr. Claudia Wild, Leiterin des Instituts für Health Technology Assessment des Ludwig Boltzmann Instituts, betonte, dass sie in der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung eine Chance sieht: „Verschärfte Vorschriften und die höhere Datentransparenz für die Zulassung von Hochrisikoprodukten könnten sich so positiv auf das Health Technology Assessment auswirken.“
Vor allem die Erfahrungsberichte aus der Praxis und neue Methoden, um die Schere zwischen Budgetknappheit und Nutzen aus innovativen Produkten zu schließen, stießen bei den Gästen der Veranstaltung auf reges Interesse. „Standortbegrenzung und Zentrumsbildung sind wesentliche Schritte zur Effizienzsteigerung im Krankenhausbereich. Die Konzentration medizinischer Leistungen steigert die Qualität der Patientenversorgung und garantiert eine hochwertige medizinische Ausbildung für die zukünftige Ärzteschaft“, meint Prof. Dr. Sylvia Schwarz, Präsidentin des Obersten Sanitätsrats. Dr. Alexander Biach, WGKK, Stellvertreter der Obfrau und Stellvertretender Direktor der Wirtschaftskammer Wien, ergänzt: „Innovative Medizinprodukte sind für Krankenkassen wichtig, wenn sie Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der Patienten nachweislich verbessern oder kostengünstiger machen. Im Zentrum steht eine möglichst hochwertige Versorgung, die durch die finanziellen Möglichkeiten des Sozialversicherungssystems natürliche Grenzen hat. Eine darüber hinausgehende Versorgung mit speziellen, kostenintensiven Produkten könnte künftig noch stärker durch Beteiligung anderer Systempartner erfolgen.“
Die NÖ Landeskliniken-Holding versucht, mit einer Innovationsrichtlinie gezielt neue Produkte in das System einzuschleusen: „Besonders wichtig ist dabei, dass die neuen Produkte auf die Anwender optimal zugeschnitten sind. Transparenz und Daten sind dabei wichtig, um spezielle Themen voranzutreiben“, betont Christian Schauer, Abteilungsleiter Einkauf. Gschlössl weist abschließend auf die Bedeutung von Zusammenarbeit hin: „Unser Ziel muss eine Partnerschaft sein, bei der die Medizinproduktebranche direkt auf den Bedarf des Gesundheitswesens eingehen kann und damit sowohl der Patient als auch die bezahlende Stelle eine optimales Produkt erhält.“