Österreich investiert viel in seine Gesundheit. Mit einem Anteil von elf Prozent gemessen am Bruttonationalprodukt liegen die Gesundheitsausgaben im internationalen Spitzenfeld. Bei den Spitalskosten pro Einwohner ist Österreich sogar unangefochtener Spitzenreiter in Europa.
Demgegenüber steht aber eine unterdurchschnittliche Erwartung von „gesunden, beschwerdefreien Lebensjahren“ von nur 59,4 Jahren, während diese im Vergleich etwa in Island bei über 68 Jahren, in Schweden bei knapp 66 oder in Italien bei 64,5 Jahren liegt. Auch der EU-Schnitt ist mit 60,7 Jahren höher als hierzulande.
Dr. Dietmar Schuster, MBA, Gesundheitsexperte der Österreichischen Wirtschaftskammer, sieht wesentliche Ursachen für das Auseinanderklaffen von überdurchschnittlichem Ressourceneinsatz und unterdurchschnittlicher Performance der heimischen Spitäler unter anderem in der mangelnden Spezialisierung aufgrund einer unzureichenden, überregionalen Planung und Leistungssteuerung, im Fehlen einer zeitgemäßen Krankenhausfinanzierung sowie in der mangelhaften Wettbewerbsfähigkeit vieler heimischer Institutionen.
Die vor Kurzem verhandelte bundesweite Gesundheitsreform sollte gerade in diesen Bereichen zukünftig eine Besserung der Situation mit sich bringen. Die darin festgeschriebene, gemeinsame Planung und Steuerung durch Bund, Länder und Sozialversicherung wird nicht nur eine längerfristige Budgetplanung inklusive verbindlicher Ausgabenobergrenzen ermöglichen, sondern erstmals auch bundesweit einheitliche Qualitätsstandards festlegen. Außerdem sollte sie zukünftige Versorgungsziele und -strukturen ermöglichen, die sich tatsächlich an den realen Bevölkerungsstrukturen und damit an den Patientenbedürfnissen orientieren.
Einen besonders wichtigen Ansatz zur Effizienzsteigerung im Spitalswesen sieht Schuster darüber hinaus in einer besseren Zusammenarbeit von Personen innerhalb und Institutionen außerhalb der Spitalsmauern. Als Beleg zitierte Schuster im Rahmen des diesjährigen IIR Jahreskongresses „Die Spital 2012“ eine IHS-Studie, wonach „allein im stationären Bereich 20 Prozent an Einsparungen durch eine bessere Zusammenarbeit möglich wären“. Dazu bedarf es jedoch neuer, integrierter Versorgungsmodelle. Diese Modelle haben die Aufgabe, ein effizienteres Schnittstellenmanagement zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich bzw. zwischen den einzelnen Berufsgruppen innerhalb der Bereiche zu gewährleisten, prozessorientierte Versorgungsstrukturen sicherzustellen und nicht zuletzt eine klar zuordenbare Verantwortung für Leistungserbringung, Finanzierung und Ausgaben festzulegen. Diese Verantwortung müsse alleine dem Grundsatz folgen: „Geld folgt Leistung“.
Schuster schlägt auch vor, dass Krankenhäuser regelmäßig Qualitätskennzahlen veröffentlichen sollten, um vergleichende Benchmarks zu ermöglichen bzw. eine Performanceevaluierung durchzuführen. Transparentes Datenmaterial würde in Kombination mit der Vorgabe von verbindlichen Rahmenbedingungen, Strukturen und Kontrollmechanismen konsequenterweise zu einem verstärkten Qualitätswettbewerb der einzelnen Leistungsanbieter führen und dadurch auch zwingend Effizienzsteigerungen mit sich bringen.
Als weiteren Lösungsvorschlag zur Steigerung von Effizienz und Qualität in der stationären Versorgung nannte Schuster die Forcierung der Gesundheitskompetenz (Health Literacy). Dafür sei es notwendig, die Eigenverantwortung der Patienten durch Anreiz- und Selbstbehaltesysteme zu steigern, niederschwellige Patienteninformationsportale zu entwickeln und besonders Patienten mit chronischen Erkrankungen entsprechendes Basiswissen zur Verfügung zu stellen, damit diese ihr Leben mit der Krankheit optimal gestalten können. Zudem müssten zukünftig E-Health-Anwendungen noch deutlich forciert werden.
Ein anderer Verbesserungsvorschlag betrifft klare Abgrenzungen zwischen den Gesundheitsberufen. Dazu braucht es eine wissenschaftlich basierte Adaption der Kompetenzen und des Berufsrechts an die Anforderungen der Gegenwart, eine effektivere Einsatzsteuerung personeller Ressourcen im Krankenhaus durch die Vernetzung aller Berufsgruppen, um so Doppelgleisigkeiten zu vermeiden, sowie die verstärkte Nutzung längst zur Verfügung stehender moderner Technologien – wie etwa aus dem Bereich „Ambient Assisted Living“ –, verbesserte Ausbildungsstrukturen bei den einzelnen Berufen bzw. die Schaffung und Etablierung neuer, ergänzender Berufsbilder.
Lernen könnten die öffentlichen Krankenanstalten bei ihren Bemühungen um mehr Effizienz auch bei den privaten Häusern, ist Schuster überzeugt. Diese seien immerhin schon ein paar Schritte voraus, da sie schon seit Jahren einem starken wirtschaftlichen Druck zu höherer Effizienz ausgesetzt sind.
Der Personalaufwand liegt in privaten Krankenanstalten heute durchschnittlich bei 13,5 Prozent und damit deutlich unter dem Wert von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen. Ein Grund dafür sind kollektivvertragliche Regelungen anstelle von Dienstordnungen. In Kombination mit deutlich marktgerechteren Leistungsersätzen – Vollkostenrechnung statt Defizitübernahme – liegen somit die Kosten in Privathäusern insgesamt um bis zu 20 Prozent unter denen von öffentlichen Häusern.
Als weitere Vorteile einer privatwirtschaftlichen Führung eines Krankenhauses identifiziert Schuster eine „Steigerung der Mitarbeitermotivation durch leistungsgerechte Entlohnung“, eine „Beibehaltung des hohen medizinischen Standards aufgrund der Zertifizierung der Qualitätssicherung durch externe Boards“ sowie eine „Verbesserung der Hotelkomponente und Vermarktung von Mehrleistungen“.
Insgesamt laufe die Entwicklung, prognostiziert Schuster abschließend, auch bei öffentlichen Krankenanstalten zukünftig immer stärker in Richtung Eigenverantwortung ohne Abgangsfinanzierung und hin zu einem verstärkten Wettbewerb um die bessere Qualität für die Patienten.