„Auch wenn Knochengewebe eine fantastische Regenerationsfähigkeit besitzt: Bei größeren, mehr als fünf Zentimeter langen Knochendefekten ist jede Knochentransplantationstechnik zum Scheitern verurteilt. Umso wichtiger ist es, innovative Behandlungsformen zu finden“, erklärte Prof. Peter Giannoudis vom Leeds Institute of Rheumatic and Musculoskeletal Medicine (UK). Eine gute Option bei Knochendefekten von bis zu 25 Zentimetern ist nach Ansicht des Experten die vaskularisierte Knochentransplantation. Dafür wird Wadenbein, Beckenkamm oder Rippen eine Knochenspende entnommen.
„Dieser Behandlungsansatz hat allerdings auch seine Grenzen: Er erfordert ganz besondere Kenntnisse und ist wenig geeignet für Patienten mit Begleiterkrankungen oder fortgeschrittenem Alter.“ Gute Behandlungsergebnisse liefert nach wie vor die Methode der Distraktionsosteogenese. Auf dem Goldstandard dieser beiden Verfahren bauen viele neuere Techniken auf.
Osteoinduktive Substanzen, etwa morphogenetische Proteine, eröffnen neue Wege für die Behandlung verzögerter Knochenheilung. „Wie viel Knochenvolumen durch die wachstumsfördernden Eigenschaften der Substanzen tatsächlich lokal produziert werden kann, ist zwar nach wie vor ungeklärt, aber auf Grundlage der klinischen Nachweise und persönlichen Erfahrungen kann davon ausgegangen werden, dass eine Ampulle morphogenetischer Proteine ausreichen sollte, um die Knochenheilung bei Defekten von bis zu zwei Zentimetern zu unterstützen“, so der Experte. Jüngst entwickelte Behandlungsstrategien sind Zelltherapien, bei denen durch Knochenmarkschnitt vom Becken entnommene Stammzellen, konkret Osteoprogenitorzellen, implantiert werden. „Die klinischen Erfahrungen dazu gruppieren sich bislang eher um Frakturen mit verzögerter Heilung, weniger um große Frakturen, sie könnten aber auch in diesem Bereich nützlich sein“, so Giannoudis.
Bioaktive Membranen scheinen ebenfalls eine attraktive neue Möglichkeit zu sein, die Knochenregeneration voranzutreiben, sei es mit oder ohne zusätzliche Knochentransplantation. „Dieses Verfahren ist aber noch im experimentellen Stadium, die klinischen Erfahrungen sind bislang dünn gesät“, so Giannoudis. Neuerdings wird auch die „induzierte Membranentechnik“ zur Behandlung großer Knochendefekte eingesetzt. Für das Verfahren sind aber gleich zwei Operationen nötig. Beim zweiten Eingriff wird ein zuvor eingefügtes Distanzstück aus Zement entfernt und gleichzeitig eine Knochentransplantation mit einer Eigen- oder Fremdspende oder einer Kombination aus beidem durchgeführt. Für Aufsehen hat der Einsatz von Zellträgern gesorgt, die mit Osteoprogenitorzellen und einem Wachstumsfaktor angereichert sind. „Es herrscht eine rege Debatte darüber, wie diese Methode optimiert werden könnte. Die meisten Erfahrungen rühren derzeit noch von experimentellen Verfahren, die Übertragung in die klinische Realität steckt also noch in den Kinderschuhen“, meint der Experte.
Das kürzlich entwickelte sogenannte Diamant-Konzept steht für eine Tissue Engineering-Strategie, bei der alle wichtigen Bestandteile der Knochenheilung während des chirurgischen Eingriffs implantiert werden. Dazu gehören ein Wachstumsfaktor, ein Zellträger und Osteoprogenitorzellen. Gleichzeitig wird besonders auf eine optimale Osteosynthese durch Implantate geachtet, also auf eine Optimierung der mechanischen Umgebung. „Dieser Zugang scheint sehr vielversprechend zu sein, die vorläufigen klinischen Daten weisen auf sehr gute Behandlungsergebnisse hin“, so Giannoudis.