Ohne Fleiß kein Preis

„Tender“ wörtlich aus dem Englischen übersetzt bedeutet auch „zart, weich“ – viel hat es damit nicht auf sich, wenn es um den Run auf gute Geschäfte geht, und zart besaitet darf ein Tendermanager schon gar nicht sein. Trotzdem erfordert das Berufsbild viel Fingerspitzengefühl, da es in der Regel bei Anboten keine zweite Chance gibt.
Das Tendermanagement, die Abwicklung von Ausschreibungen, wird gerade für kleinere und mittlere Unternehmen zunehmend zu einem strategischen Wettbewerbsfaktor, von dem sie sich bisher oft ferngehalten haben. Ausschreibungen waren oft nur etwas für die „Großen“, die es sich auch leisten konnten, Personalressourcen in ein Projekt zu stecken, bei dem der Ausgang mehr als ungewiss ist. Lässt man sich darauf ein, müssen Vorleistungen erbracht werden, die nur bei einem Zuschlag auch refinanziert sind.

Risikoreich und arbeitsintensiv

Wer es sich also zum Ziel setzt, so viele Tender so gut wie möglich zu bearbeiten, der wird vermutlich einen Tendermanager einsetzen, der geschickt mit der wachsenden Zahl an Ausschreibungen und den anonymen elektronischen Plattformen ohne direkten Kundenkontakt umgehen kann. Strenge Formalismen, der Blick fürs Detail genauso wie für das Ganze und in vielen Verfahren wenig Raum für Individualität sind nur einige der Anforderungen, mit denen ein Tendermanager umgehen können muss. Hohe Frustrationstoleranz versteht sich von selbst. Die Aufgabe erfordert es, die eigenen Produkte und den Mitbewerb gut zu kennen, analytisch zu denken und stressresistent zu sein. Christoph Dungl, MA, LL.M, ist Tendermanager bei einem führenden heimischen Medizinprodukte-Unternehmen und gibt Einblick in die Entwicklung der Aufgabe: „Nachdem sich selten jemand für den vermeintlich undankbaren Job der Ausschreibungsbearbeitung gemeldet hat, wurde die Position im Unternehmen erst geschaffen“, erinnert sich der Experte. Heute ist es für ihn und sein Team eine ständig neue spannende Herausforderung, die Ecken und Kanten eines Tenders gekonnt zu umschiffen und die Stärken des Unternehmens sowie die der Produkte punktgenau unter Beweis zu stellen. Kostendruck und Zeitdruck inklusive. „Ausschreibungen sind risikoreich, arbeitsintensiv und oft als notwendiges Übel wahrgenommen. Auf der anderen Seite ist das Vergaberecht gerade in einer verantwortungsvollen Branche wie unserer wichtig. Wir müssen uns dazu verschiedene Brillen aufsetzen und Ausschreibungen nicht nur aus Sicht eines Betriebes sehen. Auch Leistungserbringer, Versicherungszahler und Patienten haben ein Interesse daran, dass effizient und effektiv gearbeitet wird“, bricht Dungl eine Lanze für das Vergaberecht.

Spagat zwischen Kosten und Qualität

Immerhin soll mit öffentlichen Geldern so gewirtschaftet werden, dass dem Patienten die bestmögliche Leistung zugutekommt, intelligentes, integratives Wirtschaftswachstum gefördert wird und das System vor Ungleichbehandlung, Ineffizienz und Korruption geschützt ist. Dennoch haben Ausschreibungen in der Medizin vermeintlich einen übermäßig bürokratischen Touch: „Einkäufer anderer Branchen haben im Normalfall ein Budget, einen Plan und darauf ausgerichtet werden möglichst standardisiert Leistungen gekauft. So einfach ist das in der Medizin aber nicht. Ärzte und Pflege, also die Leistungserbringer, entscheiden auch nach anderen Kriterien“, beschreibt Dungl die Krux. Eine hochwertige medizinische Versorgung muss den Spagat zwischen Kosten, Leistung und Qualität schaffen – ein Anspruch, der sich in den Herausforderungen rund um das Vergaberecht widerspiegelt. Unternehmen, die eine hohe Qualität und Leistungen erbringen, haben daher manchmal das Nachsehen, weil sie diese Vorteile in den streng formalisierten Tenderprozessen nicht richtig ausspielen können, da standardisierte Ausschreibungenoft auf das Kriterium „Preis“ und weniger auf „Qualität und Innovation“ ausgerichtet sind.
„Das Vergaberecht fordert und fördert Unternehmen“, ist Dungl dennoch überzeugt und ergänzt: „Ich beobachte auch, dass die Einkäufer in Kliniken oder Holdings einen riesigen Kompetenzsprung erlebt haben. Sie mussten sich von der einfachen Beschaffung hin zum strategischen Berater entwickeln, da die Zahl und die Komplexität der Produkte enorm zugenommen haben.“ Dazu kommen noch technische Spezifikationen und juristische Anforderungen – alles in allem wohl keine leichte Herausforderung, weder auf Bieterseite noch bei den ausschreibenden Stellen. „Natürlich gibt es standardisierte Vorlagen, die orientieren sich aber dann meist am kompliziertesten Fall. Es muss klar sein, dass ein Leistungsverzeichnis für einen OP-Umbau anders aussehen sollte als für den Kauf von Tausenden Zungenspateln“, betont der Experte. Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen ist aber wohl kein Fehler des Vergaberechtes, das an sich für unterschiedliche Leistungsgegenstände auch unterschiedliche Typen von Verfahren vorsieht.

Prozessreife erleichtert Teilnahme

Unternehmer tun daher gut dran, sich selbst entsprechend aufzustellen, allen voran gilt es, die Einbindung von Ausschreibungen in die Unternehmensstrategie zu klären und dafür erforderliche Prozesse sowie die interne Organisation darauf abzustimmen. Das Türschild „Tendermanager“ allein reicht nicht, wenn eine Vielzahl von Informationen unterschiedlicher interner und externer Beteiligter – von Produktdatenblättern bis hin zur Bestätigung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – zu sammeln und zu konsolidieren sind. Professionelles Stammdatenmanagement ist ebenso wichtig wie passende Kalkulationstools. Wer ist wofür zuständig, wer kümmert sich um welche Unterlagen und wie werden diese auf die elektronischen Plattformen hochgeladen? All das sind Fragen, die eine hohe Prozessreife im Unternehmen erfordern, damit die Qualität der Ergebnisse und die Durchlaufzeit von der Anfrage bis zur Abgabe eines Angebotes effizient gestaltet werden können. „Know-how muss gut gebündelt und nach jedem Anbot weiterentwickelt werden. Ein kompetentes und motiviertes Team ist unerlässlich.“ bekräftigt Dungl.
Wer die Klaviatur beherrscht, hat gute Chancen, seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen und zusätzliche Aufträge zu gewinnen.
Ist die Angebotsfrist abgelaufen, ist es zu spät sich im Detail mit einer Ausschreibung zu beschäftigen. „Es gibt dann eigentlich nur mehr Instrumente der gerichtlichen Prüfung, die dann eingesetzt werden können. Sie alle können aber auch den Touch des schlechten Verlierers haben“, weiß Dungl und rät dazu, die Möglichkeiten vor Ablauf der Angebotsfrist auszuschöpfen: „Bieteranfragen sind wichtig für Bieter und Auftraggeber und sollen auch genutzt werden. Ein konstruktiver Dialog mit der ausschreibenden Stelle kann oft Missverständnisse leicht aufklären.“ Sein Tipp: Arbeiten Sie genau und strukturiert bis zum Abgabetermin.

 

«Ausschreibungsunterlagen und deren Bearbeitung sollen immer für den konkreten­ Leistungsgegenstand ausgestaltet werden. Sonst besteht die Gefahr, dass am Ende nur der Preis und nicht die bestmögliche ­Leistung für den Patienten zählt.»