Langsam, aber sicher bewegt sich etwas in Sachen Barrierefreiheit: Neubauten werden rollstuhlgerecht gebaut, öffentliche Verkehrsmittel bieten mehr Komfort für Kinderwägen, Rollstühle oder Gehbehinderungen, Verständigungsschwierigkeiten im Krankenhaus werden etwa mittels Video-Dolmetsch geschmälert. Auf einen Faktor, der keine sichtbaren Handicaps involviert und dennoch besonders viele Menschen betrifft, wird jedoch nach wie vor oft vergessen: Sprache – meist handelt es sich um Informationen, die an jedermann, der ein Krankenhaus betritt, gerichtet sind, die aber viel zu oft nicht verstanden werden. Dabei sind Informationen, die man nicht versteht, für Menschen mit Lernschwierigkeiten ebenso Barrieren wie Treppen und Stufen für Menschen im Rollstuhl. Barrierefreiheit bedeutet in diesem Sinne für Menschen mit kognitiven Einschränkungen vor allem, Informationen für gleichberechtigte Teilhabe so zu gestalten, dass sie diese lesen und verstehen können.
„40 % der Erwachsenen in Deutschland und Österreich haben Leseschwierigkeiten“, erläutert Walburga Fröhlich, MA, Geschäftsführerin von capito – Barrierefreie Information. „Das hat zur Folge, dass sehr viele Informationen, die es in der Öffentlichkeit gibt, einfach nicht verstanden werden.“ capito bietet als Dienstleistung an, diese Informationen, die sich beispielsweise in Wegweisern, Formularen oder Broschüren finden, zu übersetzen. Zu diesem Zweck werden Informationen vereinfacht, sodass sie verstanden werden, bestimmte Wörter werden vermieden, umschrieben oder erklärt.
In Krankenhäusern kommt der Barrierefreiheit der Sprache ein wesentlich höheres Gewicht zu, als man vermuten möchte. Das beginnt nicht erst beim Arzt-Patienten-Gespräch, sondern beim Betreten des Gebäudes, wo es gilt, möglichst rasch zum Ziel zu finden. Entsprechend gut sichtbare, lesbare und verständliche Wegweiser entscheiden darüber, wie sicher sich Betroffene fühlen.
Denn letztlich geht jede Botschaft am Ziel vorbei, die nicht verstanden wird. „Die Anforderungen an ein gutes optisches Informationssystem sind vielfältig“, bestätigt auch Fröhlich. „Eines der Hauptprobleme ist oft, dass die Grafiker, die Beschilderungen entwerfen, mehr auf das Design achten als etwa auf die Vorgaben aus den Barrierefreiheitsnormen bzw. auf die Erfahrungen von Experten.“ Die Bedürfnisse von sehbehinderten Menschen sind meist wenig bekannt, was dazu führt, dass viele Schilder und Schriften zu klein geraten, dass auf entsprechend klare Farbkontraste nicht geachtet und die Auswahl der Inhalte häufig unzureichend gut überlegt wird. „Es braucht viel Erfahrung, den Mittelweg zwischen zu viel Information, die verwirrt, und zu wenig Information – zum Beispiel in Form von Lücken im Orientierungssystem – zu finden“, weiß Fröhlich.
Ein weiteres Problem ist, dass oft nicht von den Bedürfnissen und Fähigkeiten von Menschen ausgegangen wird, die das Krankenhaus nutzen sollen. Sie sind in der Regel weder Fachleute in medizinischen Belangen, noch vertraut mit der Örtlichkeit. „Um zu prüfen, ob die verwendeten Begriffe im Orientierungssystem passen und die Beschilderung an den richtigen Stellen ist, empfiehlt sich in jedem Fall eine Vorabüberprüfung durch Testgruppen von ortsunkundigen Personen, am besten solchen, die sich beim Orientieren schwer tun“, rät die Expertin. Spätere Nutzer des Krankenhauses befinden sich oft in emotionalen Ausnahme- bzw. Stresssituationen – was ihre Verständnisfähigkeiten aller Regel nach ohnehin schon reduziert.
Die Probleme, die entstehen, können vielfältig sein – sie reichen von lästigem bis zu bedrohlichem Zeitverlust, wenn Menschen erst lang suchen müssen, wo die Akut-Ambulanz ist. Sie bedeuten bisweilen eine massive Mehrbelastung des Personals, das hunderte Male am Tag Fragen beantworten muss, die eigentlich ein gutes Orientierungssystem klären sollte. „In einem selbst erlebten Beispiel leierten die Damen an der Rezeption einer Praxis das Sprüchlein: ‚Umkleidekabine dritte Tür rechts, Harnprobe den Gang geradeaus und dann links …‘ tonbandhaft nahezu jedem Patienten vor, schlicht und einfach, weil das Hinweisschild so unscheinbar war, dass alle es übersahen“, berichtet Fröhlich von einem handfesten Beispiel. „Allein die Zeit dieses personifizierten ‚Tonband-Services‘ muss wohl mehr gekostet haben als ein besseres Schild“, ergänzt die Expertin für sprachliche Verständigung.
Das Fazit ist klar: Informationen müssen leichter lesbar werden. Doch wie schaffen es Menschen, die gewöhnt sind, komplexe Fragestellungen zu klären, auf „allgemein verständlichem Niveau“ zu schreiben? Sie halten sich an einen kleinen Leitfaden, mit dem capito die entscheidenden Kriterien zusammenfasst. „Leicht Lesen“-Informationen sind zielgruppengerechte Informationen, sie bieten eine gute Orientierung im Text, sind konkret und präzise sowie leicht lesbar und verständlich. Es genügt nicht, Sprache lediglich zu vereinfachen, sondern im Idealfall werden Patientenbroschüren, Formulare und Wegweiser so verfasst, dass sie eine Testperson gut verstehen kann, ohne sich herabgesetzt zu fühlen. Das bedeutet, die Zielgruppe wird zum Fokus, ihr wahrscheinliches Vorwissen und ihre Lebenserfahrung, Fachbegriffe sind tabu, Sätze sind kurz und prägnant, die optische Lesbarkeit wird sichergestellt und das Design ist gegenüber dem Inhalt zweitrangig. So wird der Weg zu einer barrierefreien Information geebnet.