Pädiatrische Patienten stellen die Labordiagnostik vor spezielle Aufgaben. Eine große Herausforderung liegt in den Probenmengen und Probenmaterialien begründet, die den Medizinern bei den kleinen und kleinsten Patienten in der Diagnostik zur Verfügung stehen. „Am deutlichsten wird dies bei Frühgeborenen“, erläutert Professor DDr. Klaus P. Kohse, Mitglied des Präsidiums der Deutschen Vereinten Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) und Direktor des Instituts für Laboratoriumsdiagnostik und Mikrobiologie am deutschen Klinikum Oldenburg. „Ein 1.000 Gramm leichtes Frühchen hat insgesamt nur 80 Milliliter Blut. Bei einer normalen Blutentnahme beim Erwachsenen werden etwa zehn Milliliter abgenommen. Dies geht natürlich bei kleinen Kindern nicht.“ Der Labormediziner muss also mit extrem kleinen Volumina auskommen – und vor der Geburt sogar auf gänzlich andere Testverfahren zurückgreifen. Die Spanne reicht dabei von der Untersuchung des genetischen Materials, die seit Kurzem auch über das Blut der Mutter erfolgen kann, bis zur Bestimmung des Blutbildes mithilfe einer Probennahme aus der Nabelschnur vor der Geburt. „Daran wird deutlich, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind und die pädiatrische Labormedizin eine eigene medizinische Fachdisziplin ist“, betont Professor Kohse.
Wächst das Kind heran, ändern sich Stoffwechselfunktionen und Hormonsysteme kontinuierlich und in erheblichem Ausmaß bis ins Erwachsenenalter. In dieser Phase ist es oft schwierig, Laborergebnisse eindeutig dem Bereich „krank“ oder „gesund“ zuzuordnen. Daher benötigen die Experten für jede dieser Entwicklungsphasen passende Bezugsgrößen. „Diese Referenzintervalle sind sehr wichtig, denn sonst zieht man eventuell die falschen diagnostischen oder therapeutischen Schlüsse beziehungsweise übersieht eine Veränderung, die auf einen Krankheitsprozess hindeutet“, betont Kohse. Doch trotz einer Vielzahl von entsprechenden Ansätzen in den vergangenen Jahren sind die Referenzintervalle der Ergebnisse von Laboruntersuchungen für die pädiatrische Population oft nur schlecht definiert. Der Grund: Referenzintervalle für Kinder festzulegen ist sehr schwierig, denn dazu werden viele gesunde Freiwillige benötigt.
Ein wertvoller großer Datensatz konnte vor einigen Jahren während der Kinder- und Jugend-Gesundheitsstudie des Robert Koch-Instituts gewonnen werden. Als Teil dieser Studie wurde hier bei etwa 18.000 Kindern im Alter von ein bis 18 Jahren eine Reihe von Laboruntersuchungen durchgeführt, mit jeweils 1.000 Kindern pro Altersgruppe. „Ein Schritt in die richtige Richtung“, lobt Kohse. Dennoch fehlen viele Kenngrößen, die die Labormediziner für die Diagnostik brauchen.
„Wir benötigen weitere Studien, die von uns als Fachgesellschaft initiiert und nach Möglichkeit mit Finanzmitteln aus der Politik und der Wissenschaftsförderung kommen sollten“, fordert daher Dr. Joachim Thiery, Präsident der DGKL und Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik am Universitätsklinikum Leipzig. Bereits jetzt existieren regionale Gruppen innerhalb der Fachgesellschaften, die sich bei der Aufstellung von pädiatrischen Referenzintervallen engagieren. Durch den intensiven Informationsaustausch und die Kontakte mit dieser Gruppe sowie der Scientific Division der International Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (IFCC), einer weltweit agierenden Organisation für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, können diese Aktivitäten auch weltweit ausgedehnt werden.