Der Kniegelenk-Oberflächenersatz zählt heute zu den orthopädischen Standardoperationen. Erste Implantationen wurden bereits Anfang der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts durchgeführt. Zu Beginn standen vor allem Verbesserungen der Haltbarkeit der Implantate und die Verfeinerung von OP-Techniken sowie das bessere Verständnis der Kniegelenkskinematik im Vordergrund. Durch kontinuierliche Verbesserungen konnten zuletzt revisionsfreie Zehn-Jahres-Überlebensraten von über 95 % erreicht werden. In den letzten Jahren geht der Trend hin zur Verwendung von Implantaten und Operationsmethoden, die an die individuellen patientenspezifischen Gegebenheiten und Anforderungen besser angepasst sein sollen.
Endoprothesen-Registerdaten konnten immer wieder die Haltbarkeit der Kniegelenksendoprothesen-Implantationen bestätigen. Allerdings wird durch Registerdaten ein entscheidender Aspekt nicht ausreichend berücksichtigt: Die Zufriedenheit der Patienten mit der Operation und ihrem Implantat. So ist durch Studien mehrfach belegt, dass bis zu 20 % der Patienten mit dem Operationsergebnis nicht zufrieden sind. Die Ursachen sind nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Eine zu hohe Erwartungshaltung, das Fortbestehen von Schmerzen und unnatürliche Bewegungsabläufe scheinen jedoch eine bedeutende Rolle zu spielen. Im Gegensatz zur Hüftendoprothetik, bei der die Patienten den Gelenkersatz im Alltag oft gar nicht wahrnehmen, kommt es bei der Knieendoprothetik häufiger zu einem Fremdkörpergefühl. In den letzten Jahren wurde daher vielfach versucht, durch eine Verbesserung und Individualisierung der Implantate und Implantationstechniken neben der Haltbarkeit der Implantate vor allem die Akzeptanz und Zufriedenheit der Patienten zu erhöhen.
Die postoperative Beugefähigkeit ist für Patienten oft ein wichtiges Beurteilungskriterium für das Behandlungsergebnis. Ist sie eingeschränkt, führt das zum Beispiel zu Problemen beim Stiegensteigen oder Aufstehen aus einem tiefen Sessel. Es gibt auch Patientengruppen, vor allem im asiatischen Raum, bei denen aufgrund individueller Gewohnheiten eine maximale Beugung angestrebt wird. Für diese Fälle wurden von vielen Firmen sogenannte „high flex“ Knieimplantate entwickelt. Dabei wurde versucht, Implantatdesigns so zu verändern, dass eine maximale Beugefähigkeit bis über 130 Grad erzielt werden kann. Allerdings zeigen rezente Studien, dass der Unterschied an Beugefähigkeit zwischen „normalen“ und „high flex“ Implantatvarianten oft kaum messbar ist. Zudem ist eine Beugung über 120 Grad fast nie erforderlich und nur für eine sehr kleine Patientengruppe relevant. Eine Beugung über 120 Grad erhöht auch die Kräfte, die auf die Implantatverankerungen wirken und könnte das Implantatüberleben negativ beeinflussen. Bei möglicherweise erhöhtem Lockerungsrisiko stellt sich daher die Frage, ob die nur minimal verbesserte Beugefähigkeit der „high flex“ Implantate deren Einsatz rechtfertigt. Hier sind sicherlich Langzeitstudien abzuwarten.
Schon lange ist bekannt, dass geschlechtsspezifische Unterschiede der normalen Knieanatomie bestehen. So hat der distale Oberschenkel bei der Frau im Kniebereich bei gleicher Höhe in der Regel eine geringere Breite. Um eine ausreichende Bandspannung zu erzielen, muss daher manchmal ein zu breites Implantat verwendet werden, was zu Irritationen der Weichteile führen kann. Auch das weibliche Patello-Femoral-Gelenk unterscheidet sich anatomisch vom männlichen. Zahlreiche Hersteller haben daher versucht, geschlechtsspezifische Implantate zu entwickeln, die auf die Besonderheiten der unterschiedlichen Anatomie Rücksicht nehmen. Andere Hersteller wiederum haben ihre bestehenden Implantatsysteme um zusätzliche Größen und Formen erweitert, um den geschlechtsspezifischen Unterschieden gerecht zu werden. Die Unterschiede der Kniegelenksanatomie und Kinematik bei Mann und Frau sind weitgehend akzeptiert. Allerdings haben Untersuchungen der weiblichen und männlichen anatomischen Verhältnisse im Kniegelenk auch gezeigt, dass die Streuung mitunter sehr groß sein kann. So gibt es viele Männer mit eher weiblicher sowie Frauen mit eher männlicher Kniegelenksausprägung. Prinzipiell scheint es daher für den Chirurgen und Patienten wünschenswert, wenn Implantatsysteme eine hohe Modularität besitzen, um die anatomischen Verhältnisse jedes einzelnen Patienten optimal abbilden zu können. Die Sinnhaftigkeit unterschiedlicher Implantate für Mann und Frau sollte aber kritisch hinterfragt werden. Aktuelle Meta-Analysen konnten jedenfalls keine signifikanten Verbesserungen hinsichtlich Funktion und Patientenzufriedenheit feststellen, wenn geschlechtsspezifische Implantate mit Standardversionen verglichen wurden.
Der Trend hin zu einer vermehrten Individualisierung der Knieendoprothetik der letzten Jahre hat nun mit der Entwicklung maßgefertigter Schnittlehren seinen vorläufigen Höhepunkt erfahren. Dabei werden von Patienten präoperativ mittels CT oder MRT 3D-Rekonstruktionen des Kniegelenkes erstellt, die dann eine präoperative Planung der optimalen Prothesengrößen und Positionierung erlauben sollen. Entsprechend der Planung werden individuelle Schnittlehren erstellt, die aufgrund der Oberflächenmerkmale nur in einer bestimmten Position optimal an den Knochen des Patienten angelegt werden können. Die Positionierung der Schnittlehren bestimmt die Knochenresektionen und damit die Ausrichtung der Implantate. Befürworter dieses Verfahrens heben hervor, dass sich damit Operationszeiten verkürzen lassen, weniger Instrumente benötigt und damit Kosten für die Aufbereitung reduziert werden. Weiters sollen damit die Größe der Implantate genauer bestimmt und ihre Position optimal an die unterschiedlichen anatomischen Gegebenheiten angepasst werden können. Allerdings hat diese neue Methode auch zahlreiche Nachteile. So ist die Durchführung einer zusätzlichen MRT oder eines CT teuer und im Falle des CT auch mit einer zusätzlichen Strahlenbelastung verbunden. Eine ausgeglichene Bandspannung und Stabilität während des gesamten Bewegungsumfanges ist eines der zentralen Ziele in der Knieendoprothetik und hat sich in den letzten Jahren immer wieder als prognostischer Faktor hinsichtlich Implantatüberleben und Patientenzufriedenheit gezeigt. Die Beurteilung der Bandstabilität und der Weichteilspannung ist durch diese Methoden allerdings präoperativ kaum möglich und kann eigentlich nur intraoperativ zufriedenstellend beurteilt werden. Dabei benötigt es die Erfahrung und das entsprechende Wissen des Chirurgen, um intraoperativ nötige Korrekturen vornehmen zu können. Vermeintliche Vorteile sollten nicht dazu führen, dass Grundprinzipien und Erkenntnisse der Knieendoprothetik der letzten Jahrzehnte außer Acht gelassen werden. Zahlreiche Studien zeigen zudem, dass sich die Implantationsgenauigkeit nur unwesentlich verbessert. Ob sich die patientenspezifische Instrumentierung durchsetzen wird, wird vom Ergebnis von Langzeitstudien abhängen und bleibt abzuwarten. Die derzeitige Studienlage sowie die zusätzlichen Kosten für das Gesundheitssystem scheinen eine breite Anwendung nicht zu rechtfertigen.
Die Kniegelenksendoprothetik ist eine der erfolgreichsten Operationen in der Orthopädie. In den letzten Jahren kann ein Trend zu einer vermehrten Individualisierung der Implantate und Operationsmethoden beobachtet werden. Die Möglichkeit, Implantate und Operationsmethoden besser an den einzelnen Patienten anpassen zu können, stellt sicherlich eine positive Entwicklung dar. Allerdings besteht die Gefahr, dass, um sich gegenüber Mitbewerbern hervorzuheben, Erwartungen geweckt und Behauptungen aufgestellt werden, die sich wissenschaftlich nicht bestätigen lassen. Hier liegt es in der Verantwortung des behandelnden Arztes, jede Innovation kritisch zu hinterfragen. Denn auch hier gilt: Nicht jede Veränderung ist auch eine Verbesserung!