Die Gesundheitsreform reagiert darauf, dass wir in Österreich ein überaus spitalslastiges Versorgungssystem mit der Vorhaltung vieler Spitalsbetten haben. Demzufolge sind auch die Gesundheitsberufe – Pflegefachkräfte und Ärzte – an diese Versorgungsform gebunden. Es gilt aber dringend, den Patientinnen und Patienten bedarfsorientierte Gesundheitsleistungen zur Verfügung zu stellen. Dem gegenüber steht auch eine immer dünner werdende Personaldecke insbesondere im extramuralen Bereich. Daher sind die gesamten Leistungen der medizinischen Versorgung neu zu verteilen.
Dazu zählen zum Beispiel das Blutdruckmessen, Blutabnahmen, unterschiedliche Monitoring-Aufgaben oder die Versorgung von chronischen Wunden. Aber auch eine gezielte Fachberatung, insbesondere für chronisch Kranke in jedem Lebensabschnitt, gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Es muss eine Erweiterung bei der Nutzung von Kompetenzen der Gesundheits- und Krankenpflege stattfinden. Wenn wir den Spitalssektor weiter entlasten wollen – und auch müssen –, dann wird es zu einer Verlagerung der Gesundheitsleistungen in den ambulanten und niedergelassenen Bereich kommen. Pflegefachkräfte werden derzeit hauptsächlich in der mobilen Hauskrankenpflege eingesetzt. Das muss sich dringend ändern. Flankierend zu den Allgemeinmedizinern sind dringend Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege in der Primärversorgung einzusetzen. Dies würde auf jeden Fall auch ein Plus an Versorgungsqualität für die Bevölkerung bringen. Nicht nur chronisch Kranke oder alte Menschen möchten zu Hause in vertrauter Umgebung versorgt werden. Darüber hinaus braucht es aber auch eine deutliche Erweiterung des Handlungsspielraumes für Pflegefachberufe.
Als erster Schritt ist die Verordnungskompetenz für Pflegeprodukte wie Verbandsmaterial oder etwa Pflegeinkontinenzprodukte an das Pflegefachpersonal zu übertragen. Es ist schwer verständlich, dass der Gesetzgeber einerseits die Umsetzung des Pflegeprozesses den Pflegefachberufen überantwortet, gleichzeitig die dafür nötigen Mittel aber erst durch den Arzt verschrieben werden müssen. Dies ist eine nicht nachvollziehbare Vorgehensweise und gleichzeitig eine Verschleuderung von Zeitressourcen und Kompetenzen. Die Vertreter der Sozialversicherungen haben hier raschen Handlungsbedarf. Ebenso sind dringend Honorarkataloge für den medizinischen Anteil der pflegerischen Versorgungsleistungen zu entwickeln.
Es braucht einen offiziellen Auftrag des Gesundheitsministeriums, hier Verhandlungen zu starten. Dabei ist zu beachten, dass der gehobene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege auch freiberuflich tätig sein kann. Dies bedeutet, dass diese Interessen durch eine unabhängige Organisation zu vertreten sind.
Ja, beispielsweise in Holland, Schweden oder Dänemark ist dies bereits gelebte Praxis. Für die Verschreibung von Pflegeprodukten wäre auch in Österreich keine Zusatzausbildung nötig. Denn welche Pflegeprodukte jeweils einzusetzen sind, lernen Pflegepersonen bereits in der Grundausbildung.