Stürze und Knochenbrüche haben bei älteren Menschen oft dramatische Folgen: Viele müssen nach einer Fraktur eine Behinderung hinnehmen oder werden zum Pflegefall. „Das ließe sich vielfach verhindern. Orthopädisch-geriatrische Rehabilitationskonzepte können nachweislich viel dazu beitragen, Therapieziele wie Selbstständigkeit, Mobilität und Lebensqualität auch bei Menschen fortgeschrittenen Alters zu erreichen. Sie sollten daher dringend weiterentwickelt und flächendeckend implementiert werden“, ist Prof. Tim Pohlemann vom Universitätsklinikum Saarland überzeugt. Thematisiert wurden Knochenbrüche über 70 heuer auf dem 17. Europäischen Kongress für Orthopädie, orthopädische Chirurgie und Unfallchirurgie (EFORT), der kürzlich in Genf stattfand.
Eine deutsche Meta-Studie, an der Pohlemann mitgewirkt hat, zeigt etwa, dass die Sterblichkeit nach Polytraumata zwar deutlich zurückgegangen ist, doch die Lebensqualität der Betroffenen nicht im gleichen Ausmaß verbessert werden konnte. Besonders schlecht geht es der Studie zufolge Frauen, die sehr alt sind, einen geringen sozialen Status haben, sich eine Fraktur an den unteren Extremitäten zugezogen und zusätzlich am Kopf verletzt haben.
Laut Pohlemann brauche es nicht nur eine Akuttherapie, um Brüche und andere Verletzungen zu behandeln, sondern überlappend frührehabilitative Maßnahmen und eine geriatrische Komplextherapie. Entscheidend sei dabei unter anderem die intensive Zusammenarbeit mit spezialisierten Internisten, denn Polytraumata sind bei älteren Menschen besonders schwer zu behandeln. Jeder zweite Patient über 55 weist mindestens eine Begleiterkrankung auf, allen voran Bluthochdruck. „Häufige Komorbiditäten wie koronare Herzerkrankungen, kongestive Herzinsuffizienz, chronische Lungenerkrankungen oder Diabetes mellitus können chirurgische Eingriffe besonders riskant gestalten, die Wund- und Knochenheilung verzögern und das Infektionsrisiko vergrößern“, so der Experte.
Die Nachbetreuung sollte ebenfalls multidisziplinär aufgestellt sein und alles daran setzen, die Betroffenen körperlich und, gerade nach schweren Verletzungen und Operationen, auch seelisch wieder aufzurichten und zu mobilisieren, wenn nötig mithilfe einer Psychotherapie. Da ältere Menschen nach einem ersten Knochenbruch ein sehr hohes Risiko für erneute Frakturen haben, müssen bereits vor der Spitalsentlassung Maßnahmen zur Sturzprävention getroffen werden – von der Unterstützung im Haushalt bis zur Beseitigung von Stolperfallen. Hier sei die Organisations- und Beratungsleistung eines professionellen Entlassungsmanagements unerlässlich.