Viele Expeditionen auf den Mount Everest sind gescheitert, weil sie zu gut ausgerüstet waren“, vergleicht Keynote-Speaker Univ.-Prof. DDDr. Clemens Sedmak vom Internationalen Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen eine Forschungsexpedition mit der Situation in heimischen Krankenhäusern. Der Grund liegt aus Sicht des Philosophen auf der Hand: „In diesem Fall verlassen sich die Teilnehmer dann auf ihre Ausrüstung und nicht mehr auf ihren gesunden Menschenverstand“, konstatiert Sedmak. Sein Fazit: Knappe Ressourcen im Gesundheitssystem sind daher ein Garant dafür, dass das Personal gezwungen wird, kreative Ideen zu entwickeln.
„Das Wichtigste ist ein motiviertes Team“, meint Sedmak und zieht neuerlich einen Vergleich mit einer Expedition: „Wenn alle buchstäblich im selben Boot sitzen und ein gemeinsames Ziel haben, so sind die einzelnen Teammitglieder oft willens, weit mehr als nur den üblichen Arbeitseinsatz zu leisten.“ Auf die passenden Mitarbeiter und die richtige Teamzusammensetzung ist daher schon beim Rekrutierungsprozess zu achten.
Je knapper die Ressourcen, desto wichtiger ist für den Experten der Umgang miteinander. Dazu gehören Fairness, Höflichkeit und Humor, denn: „Humor und Höflichkeit bremsen die Aggression. Die knappen Ressourcen schaffen sehr viel Misstrauen und Unsicherheit, sodass faires Verhalten das oberste Gebot der Führungskräfte sein muss, um diesen Druck zu entschärfen“, bestätigt Sedmak. Wesentlich für den Philosophen ist auch das Festlegen von Spielregeln: „Jede Praxis, so auch die Pflegepraxis, hat besondere Regeln und ist darauf ausgerichtet, Leistungen hervorzubringen. Die Menschen im Team müssen sich einig sein, nach welchen Regeln sie ihre Leistung erstellen und welche Werte der gemeinsamen Arbeit zugrunde liegen.“ Unter diesem Aspekt sind viele Entscheidungen einfacher und rascher zu treffen, denn bestimmte Handlungsoptionen scheiden einfach aus, sobald sie den gemeinsamen Werten nicht entsprechen.
Sedmak rät Führungskräften in Krankenhäusern, einen Schwerpunkt auf „Geborgenheitsmanagement“ zu legen. Der Experte beobachtet jedoch, dass in den meisten Einrichtungen Geborgenheit ein bedrohtes, prekäres Gut ist, da ökonomische Vorgaben die Wertvorstellungen dominieren und kein angenehmes – im Sinne von höflich, fair und humorvoll – Arbeitsklima vorherrscht. „Geborgenheit braucht Raum und Zeit, um wachsen zu können“, so Sedmak.
Schließlich fordert der Keynote-Speaker „deep practice“ und bringt neuerlich einen treffenden Vergleich: „Warum kommen so viele gute Fußballspieler aus Brasilien? Sie haben gelernt, in den Slums, auf schlechtem Untergrund, barfuß und mit einem Lumpenball zu spielen. Wie gut muss ihre Performance erst sein, wenn sie mit hochwertigem Material auf bestem Rasen kicken?“ Umgelegt auf das Krankenhaus heißt das: Wer eine qualitativ hochwertige Leistung unter erschwerten Bedingungen schafft, wird unter besseren Rahmenbedingungen Höchstleistungen erbringen können.