„Menschen mit Migrationshintergrund stellen grundsätzlich eine heterogene Gruppe dar. Es gibt Zuwanderergruppen, beispielsweise aus westeuropäischen Ländern, die haben sicherlich eine gleich gute Gesundheit wie Österreicher. Dann gibt es Migrationsgruppen, auf die das nicht zutrifft“, erklärt Dr. Lukas Kaelin, Universitätsassistent am Institut für Ethik und Recht in der Medizin (IERM). Der Hauptgrund für den erschwerten Zugang zum Gesundheitssystem ist aus Sicht des Experten die Sprache und der Umstand, dass es umfassendes Wissen und „Durchblick“ erfordert, um sich im heimischen System zurechtzufinden. Wenn es beispielsweise im Heimatland der Migranten keine niedergelassenen Praktiker gibt und der erste Weg im Krankheitsfall in eine Ambulanz führt, wird sich dieses Verhalten auch in Österreich nicht wesentlich ändern und führt hier unweigerlich dazu, dass die Patienten „anecken“. „Wir wissen auch, dass Präventionsangebote nicht von allen Bevölkerungsgruppen gleich angenommen werden. Auch hier spielt die Herkunft und Mentalität eine nicht zu unterschätzende Rolle“, so Kaelin. Abhilfe schaffen hier unter anderem Aufklärungsbögen in verschiedenen Sprachen und möglichst niederschwellige Zugangsmöglichkeiten.
Können sich Menschen schwer verständigen oder fehlen Angebote in der Muttersprache, so kann das nach Ansicht Kaelins weitreichende Folgen haben: „Sie kommen zu spät in Behandlung, nehmen verschriebene Medikamente nicht oder falsch ein, Krankheiten werden nicht erkannt, im schlimmsten Fall kann das sogar Todesfolge haben.“ Wie weit nun heimische Spitäler tatsächlich für ein breites Angebot an Dolmetschern sorgen müssen, um auch allen Patienten die gleich hohe Versorgungsqualität bieten zu können, ist strittig. „Natürlich kann nicht in jedem Dialekt mit einem Dolmetscher aufgewartet werden. Ein wenig Eigenverantwortung muss auch der Patient mitbringen, was nicht heißt, dass Familienangehörige die Dolmetschfunktion übernehmen sollen! Ein gutes Beispiel ist etwa die Schweiz, wo seit dem Vorjahr dem Problem mit Telefondolmetschdiensten entgegengewirkt wird.“ In heimischen Spitälern setzt man hingegen auf kostengünstige und „österreichische“ Lösungen: Nicht-ärztliches Personal mit Migrationshintergrund springt als Übersetzer ein. „Das halte ich für bedenklich, denn schließlich können Übersetzungsfehler auftreten und die ziehen dann Haftungsfragen nach sich“, so Kaelin. Fazit aus medizinrechtlicher Sicht: Wenn eine Verständigung nicht möglich ist, hat der Arzt die Pflicht zu sagen, dass die Grundlage für eine Behandlung nicht gegeben ist, da die informierte Zustimmung des Patienten notwendige Voraussetzung der Krankenbehandlung ist.