Laut Statistik Austria leben über 895.000 ausländische Staatsangehörige in Österreich, das entspricht 10,7 Prozent der Bevölkerung. 1,5 Millionen, also etwa 18 Prozent der Bevölkerung, haben einen Migrationshintergrund, das heißt, ihre Eltern oder Großeltern sind aus anderen Ländern zugewandert. Auch bei den Mitarbeitern des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) kommt ein Drittel der 32.000 Menschen aus anderen Ländern. „Vor zwei Jahren gab es eine groß angelegte Unterschriftenaktion, in der Pflegepersonen gemeinsam betonten, dass gerade auch der Pflegebereich ein Beispiel ist, wie Integration in einer Stadt wie Wien gelingen kann“, so Evelyn Kölldorfer-Leitgeb, Pflegedirektorin im Sozialmedizinischen Zentrum Süd. Dieses Spital war mit 20 anderen Spitälern aus Europa auch am EU-Projekt „migrant friendly hospital“ beteiligt, eine Initiative, deren Ergebnisse sich jetzt in den konkreten Abläufen widerspiegeln.
Die Gründe, warum Pflegefachkräfte nach Österreich kommen, sind sehr vielfältig. Kölldorfer-Leitgeb erklärt, dass es klare Leitlinien bezüglich der Aufnahme gibt: Deutschkenntnisse sowie die Anerkennung von in anderen Ländern abgeschlossenen pflegerischen Ausbildungen. Nicht nur beim KAV gibt es immer wieder Aktionen, die das Ziel haben, die Fähigkeiten und Talente der Menschen aus anderen Ländern oder Lebenszusammenhängen aktiv zu nutzen. „Es ist immer wieder sehr beeindruckend, wie viel wir von- und miteinander lernen können. Dazu braucht es auch Werkzeuge wie interne Seminare, um diesen Wissens- und Erfahrungsaustausch zu fördern“, ergänzt Kölldorfer-Leitgeb. Dabei kann es zum Beispiel um „Kulturthemen“ gehen: Menschen, die selbst aus einer anderen Kultur kommen, einer bestimmten Religion angehören oder wesentliche Werte daraus von ihren Eltern oder Großeltern vermittelt bekamen, haben teils auch andere Wertigkeiten im Umgang mit dem Körper. Nicht jede Berührung wird als selbstverständlich akzeptiert bzw. kann schon die Bitte zum Ausziehen eines Kleidungsstücks Unwohlgefühle auslösen. Auch die Herangehens- und Sichtweisen zur Ernährung oder der Art der Körperhygiene sind nicht in jedem Land gleich. „Auch wichtig zu wissen ist, wie unterschiedliche Menschen mit der letzten Lebensphase umgehen oder welche Rituale unmittelbar nach dem Tod wichtig sind.“
Transkulturelle Kompetenz wird übrigens ebenso an den Salzburger Landeskliniken umgesetzt, wo Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit haben, Information, Schulung und Beratung in ihren Muttersprachen – derzeit in Albanisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Mazedonisch – zu erhalten. Am Salzburger Landeskrankenhaus gibt es zudem eine Sprechstunde für Menschen, die ursprünglich aus der Türkei kommen. „Der Besuch eines Krankenhauses hat meist unmittelbar mit einer Grenzsituation zu tun. Es geht oft um sehr intime Details und durch eine Krankheit verändert sich der Handlungsspielraum von Menschen drastisch“, weiß Kölldorfer-Leitgeb. Wer schon in einer Ausnahmesituation ist und dann auch noch in einer fremden Sprache diese Phase meistern muss, ist doppelt belastet. Eine wichtige Maßnahme zur Unterstützung von Menschen mit Migrationshintergrund sind daher schriftliche Informationen in verschiedenen Sprachen. „Viele sprechen schon länger Deutsch und sind sehr dankbar, wenn sie bei solchen doch sehr herausfordernden Themen vertrauten Formulierungen begegnen.“ Besonders wichtig ist dies für Kölldorfer-Leitgeb auch bei Aufklärungsblättern, auf denen Patienten ihr Einverständnis für Untersuchungen oder Behandlungen geben sollen.
Für pflegerisches und medizinisches Personal gibt es weiters Wörterbücher mit grundlegenden Begriffen. „Und oft verständigen wir uns eben mit Händen und Füßen“, erzählt Kölldorfer-Leitgeb und ergänzt: „Im Umgang mit anderen Kulturen ist es ebenso wichtig, immer wieder den Grenzgang zwischen Eingehen auf alle Bedürfnisse und den Möglichkeiten eines Akutspitals zu finden. Es ist eben nicht immer und überall möglich, dass gleich ein ganzer Clan zu Besuch kommt und über längere Zeit vor Ort bleibt.“ Mitarbeiter besuchen Deeskalationsseminare, um mit manchmal mit Nachdruck und entsprechender Lautstärke vermittelten Meinungen und Wünschen umgehen zu lernen. Ein wichtiger Aspekt kann in diesem Zusammenhang die enge Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Beschwerdestelle im Krankenhaus sein oder auch jener aus dem Feld der Sozialarbeit. Wissen über das Gesundheitssystem Meist sind Pflegefachkräfte jene, die am intensivsten und am längsten mit Patienten in Berührung kommen. Gleichzeitig gibt es den Druck, der durch stark verkürzte Aufenthaltsdauern im Spital gewachsen ist, bzw. die nötigen organisatorischen und kommunikativen Fähigkeiten in der Zusammenarbeit mit Berufen und Institutionen in der extramuralen Versorgung. In diesem Rahmen individuelles Eingehen umzusetzen braucht auch organisatorisch unterstützende Maßnahmen, einen wertschätzenden und dialogorientierten Führungsstil.
Kölldorfer-Leitgeb weist darauf hin, dass „Gesundheitsversorgung“ ebenso Maßnahmen in der Prävention meint und das Wissen um das Funktionieren des Gesundheitssystems – ein Thema, mit dem übrigens auch „Einheimische“ und ihre Angehörigen oft überfordert sind.