Reinräume schirmen ihr Innenleben vor Keimen und Partikeln aller Art bestmöglich ab.
Sie werden in der Pharmaindustrie ebenso benötigt wie in der Medizin, aber auch in der Lebensmittel- oder der Elektronikindustrie.
Erste Reinraumexperten wurden kürzlich an der TU Graz ausgebildet.
Moderne Reinraumtechnik wird in fast allen Bereichen der produzierenden und verarbeitenden Wirtschaft, aber auch in vielen Dienstleistungs- und Gesundheitsbereichen benötigt, wie etwa bei der Herstellung von Zytostatika. Der Reinraummarkt ist nicht nur einer der am stärksten wachsenden Märkte, sondern ist auch durch eine rasche technologische Weiterentwicklung geprägt. Um einen Reinraum zu bauen, ist umfassendes Wissen aus Bautechnik, Verfahrenstechnik, Mikrobiologie und Hygiene, aber auch aus der Betriebswirtschaftslehre notwendig. Know-how am Puls der Zeit ist daher ebenso gefragt wie das Verständnis für medizinische Abläufe und Erfordernisse, um die Technologien bestmöglich anzuwenden und neue komplexe Entwicklungen zu konzipieren und umzusetzen.
Reinraumpioniere gefragt
Dass die Konzeption und der Bau von Reinräumen für Spitäler besondere Kenntnisse erfordern, hat nicht zuletzt auch dazu geführt, dass an der TU Graz der erste und bislang einzige Universitätslehrgang für Reinraumtechnik ins Leben gerufen wurde. Vor zwei Jahren haben sich Industriepartner, Vertreter des Humantechnologie-Clusters und der TU Graz zusammengeschlossen und Europas erste „Akademische Experten in Reinraumtechnik“ ausgebildet. Die ersten zwölf Absolventen haben erst zu Jahresanfang ihr Studium an der TU Graz abgeschlossen.
Produkte, die unter Reinraumbedingungen hergestellt werden, unterliegen hohen Ansprüchen im Hinblick auf ihre Qualität. „Schon ein Haar oder eine Hautschuppe kann einen Computerchip unbrauchbar machen, dazu führen, dass Lebensmittel verderben und besonders Medikamente müssen absolut keim- und partikelfrei verpackt werden. Aber auch ein Operationssaal oder eine Intensivstation wäre ohne kontrollierte Umgebung heute nicht mehr denkbar“, beschreibt Lehrgangsleiter Univ.-Prof. DI Dr. Johannes Khinast vom Institut für Prozess- und Partikeltechnik der TU Graz die breiten Anwendungsfelder.
Planung ist Teamwork
Auf der Hand liegt, dass bei der Errichtung von Reinräumen eine Reihe von Anforderungen unter einen Hut gebracht werden muss und das erfordert die intensive Zusammenarbeit von Planern, Architekten, Spitalsbetreibern und Spezialunternehmen wie beispielsweise der Lindner Reinraumtechnik GmbH. „Unser Produktportfolio im Bereich OP-Ausbau besteht primär aus Decken- und Lichtsystemen, Wand- und Heizwandsystemen, Verglasungen, Schiebetüren, Strahlenschutz-, Schall- und Brandschutzkomponenten sowie Lüftungskomponenten“, gibt Geschäftsführer Franz Starzer von Lindner Reinraumtechnik GmbH Einblick. Das Unternehmen fungiert auch als Generalunternehmer oder -übernehmer und bietet für Spitäler schlüsselfertige Komplettlösungen. „Das beinhaltet zusätzlich die Planung und Ausführung von Gewerken, wie zum Beispiel die Raumlufttechnik oder die Elektroinstallationen, sowie den kompletten Ausbau der öffentlich zugänglichen Klinikbereiche“, so Starzer weiter. Nach der Projektabwicklung stehen die Experten auch bei der Inbetriebnahme und Abnahme von Reinräumen im Hinblick auf Qualifizierung, Validierung und Dokumentation der Anlage zur Verfügung. Personal wird geschult und die laufende Wartung sowie das Facility Management runden das Angebot ab.
Aktuelle Herausforderungen
Die großen Herausforderungen bei Spitälern sieht Starzer vor allem in den steigenden Anforderungen bei gleichbleibenden Budgets: „Die technischen Anforderungen nehmen massiv zu, je nach Bundesland und Einrichtung gibt es unterschiedliche Hygienevorschriften, die es zu beachten gilt“, so der Experte. Den Reinraum „von der Stange“ gibt es längst nicht mehr und so stehen projektspezifische Sonderlösungen an der Tagesordnung. Für Spitäler ist die Expertise von Reinraumexperten heute kaum mehr wegzudenken, da es sich bei der Errichtung um kostenintensive Projekte und Aufgaben außerhalb der täglichen Routine handelt.
Im Gespräch
Welche grundlegenden Anforderungen werden an die Reinraumtechnik in einem Universitätsklinikum gestellt?
Das lässt sich so einfach nicht über einen Kamm scheren, das Wichtigste ist, die geltenden Rechtsvorschriften als Betreiber einzuhalten und alles ausführlich und vollständig zu dokumentieren. An erster Stelle stehen hier die nationalen Gesetze wie das Arzneimittelgesetz (AMG) oder das Medizinproduktegesetz (MPG), aber auch Leitfäden wie etwa von der WHO oder FDA. Dann folgen Normen und Richtlinien der Fachverbände.
Für welche Anwendungsbereiche gibt es Reinraumlabore an Kliniken?
An Universitätskliniken wie unserer zum Beispiel für die Forschung, die Herstellung von Arzneimitteln, Stammzellen, Thrombozyten oder auch im Bereich der Mikrobiologie. Eine eindeutige Definition der Nutzung ist zur Klärung des Genehmigungsverfahrens und der damit verbundenen Erteilung der Herstell- oder Betriebserlaubnis durch die zuständige Genehmigungsbehörde zwingend erforderlich. Auf dieser Basis können die grundsätzlichen Anforderungen wie Reinraumklassifizierung, Temperatur, Feuchte oder das Hygienekonzept festgelegt werden. Weiters können Anforderungen an Materialien und Oberflächen und auch der Umfang der Reinraumqualifizierung über alle Projektphasen festgelegt werden.
Reinräume zählen im Krankenhaus zu den größten Energieverbrauchern. Wie kann hier auf Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz geachtet werden?
Nachhaltigkeit beginnt beim ersten Gedanken an ein Projekt und endet in Regel erst mit der Außerbetriebnahme einer Anlage. Energieeffizienz lässt sich schon durch kreative Systemoptimierungen und geringe Investitionskosten erreichen, deren Amortisation oft schon in kurzer Zeit gegeben ist. Der Trend geht eindeutig dazu, Flächen zu optimieren, also nur jene Reinraumklassen zu realisieren, die auch wirklich notwendig sind, denn jede höhere Reinraumklasse vervielfacht den Preis. Durch steigende Energiekosten und die Notwendigkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren, rücken die Nutzungsbereiche mit einem hohen spezifischen Energieverbrauch wie eben Reinräume zunehmend in den Fokus. Durch eine gesamtheitliche Analyse ausgehend von der Überprüfung der zweckgebundenen Nutzung, Klärung der zu erfüllenden Gesetze, Vorschriften, Normen, Optimierung des Funktionslayouts und der Anlagentechnik bis zur Reorganisation der wiederkehrenden Instandhaltungs- und Wartungstätigkeiten lässt sich enormes Einsparpotenzial generieren, ohne außerordentliche Investitionskosten veranschlagen zu müssen.
Wie lässt sich der Energieverbrauch grundsätzlich optimieren?
Beispielsweise durch Zeitprogramme mit Betriebsphasen „in operation/at rest“, durch die Spülung nach Arbeitsende und vor dem geplanten Arbeitsbeginn, durch Zutrittskontrolle mit möglichem Zutritt nur in der Arbeitszeit oder durch den Luftwechsel in der Phase „at rest“ .
Welche Rolle spielt die Anlagentechnik?
Gemäß der Laborrichtlinie sind Reinraumlabore zu 100 % mit Außenluft zu versorgen. Da somit jeder Kubikmeter Luft in Abhängigkeit des Außenluftzustands und der Reinraumanforderung zu konditionieren ist, muss besonders hier auf effiziente Anlagentechnik geachtet werden. Dazu zählen zum Beispiel Stromverbrauch, eine strömungsgünstige Luftführung, die passende Filtertechnik oder eine hocheffiziente Wärmerückgewinnung. Maßgeblich entscheidend ist natürlich auch eine energieeffiziente Regelstrategie. Die Integration des Reinraum-Monitoring-Systems mit der Gebäudeautomation ist die Basis für die effiziente Optimierung der Regelstrategien der Anlagen.