Im 19. und 20. Jahrhundert waren Sterben und Tod ein Teil der Lebenserfahrung aller Menschen, denn die meisten wurden im häuslichen Umfeld betreut und starben meist nach eher kurzen Krankheitsverläufen. Im 21. Jahrhundert wurde der Sterbeprozess weitgehend „unsichtbar“ – wer krank ist oder einen Unfall hat, wird in ein Spital eingeliefert und erfährt dort die bestmögliche medizinische Versorgung; Todesfälle in höherem Alter spielen sich zunehmend in professionellen Einrichtungen ab. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass sich die Sterbe- und Trauerbegleiter etabliert haben, denn: Sterben ist heute anonymer und oft abseits der Gesellschaft. Hospiz- und Palliativeinrichtungen übernehmen hochkompetent die anspruchsvolle Unterstützung am Lebensende – für die Betroffenen und ihre Angehörigen gleichermaßen.
Da Sterbeverläufe höchst individuelle Prozesse sind, ist es wichtig, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Ebenen zu reagieren. So kann etwa auf der körperlichen Ebene ein Schmerz mit medikamentöser Schmerztherapie gelindert werden, aber auch Erleichterung mithilfe von Wärme- oder Kältepackungen geschaffen werden. Neben schulmedizinischen Behandlungen verfügt die anthroposophische Medizin über ein großes therapeutisches Spektrum wie Malen, Musik, Gesprächstherapie, Biografiearbeit, Ernährung, Physiotherapie oder Entspannungstechniken. Die Aromatherapie als spezieller Teil der Heilpflanzenanwendung, setzt auf ätherische Öle. Sie werden in der komplementären Palliativpflege vor allem wegen ihrer ausgleichenden und beruhigenden Wirkung auf die Psyche der Patienten geschätzt. Symptommildernd wirken ätherische Öle etwa bei der Pflege der Haut, bei Atembeschwerden, bei Verdauungsbeschwerden oder bei Schmerzen.
Kriterien für einen „guten Tod“
Information: Der Sterbende erhält alle erforderlichen Informationen, wie zum Beispiel die über BehandlungsentscheidungenAutonomie: Der Sterbende behält die Kontrolle über den Strebeort oder die Möglichkeit der Ablehnung von lebensverlängernden MaßnahmenGanzheitliche Begleitung: Schmerzen und andere Symptome werden behandelt, der Sterbende wird spirituell und emotional begleitet
Quellen:
Smith R., A good death. BMJ 2000; 320:129-130Steinhauser K., et al., Factors considered important at the end of life by patients, family, physicians and other care providers. JAMA 2000; 284 (19): 2476-248
Im Gespräch mit Frau Zangenfeind
Palliativpflege umfasst die Behandlung und Betreuung chronisch schwerkranker und sterbender Menschen, unabhängig vom Alter. Ziel ist es, möglichst lange eine hohe Lebensqualität zu erhalten. Gerade in dieser Phase ist das oft nicht mehr mit klassischen schulmedizinischen Kenntnissen allein zu erreichen und Köper, Geist und Seele müssen mehr denn je als Einheit begriffen werden.
Unsere Arbeit hat oft einen sehr esoterischen Touch, was aber nicht der Wirklichkeit entspricht. Wir beraten als mobile Einsatzkräfte zu Hause oder in Pflegeheimen Palliativpatienten und ihre Angehörigen und sind für sie in der Sterbephase unterstützend tätig. Rund 80 Prozent sind onkologische Patienten, die oft unter Schmerzen, Übelkeit, Durchfall oder Hautveränderungen leiden. Dazu kommen Unruhe, Angst und Schlaflosigkeit. Hier achten wir beispielsweise darauf, dass die vom Arzt verordneten Medikamente eingenommen werden. Gerade in psychisch heiklen Phasen, die im Sterbeprozess immer wieder eintreten, bedarf es besonderer Anstrengung, die Compliance aufrechtzuerhalten.
Wir haben zum Beispiel das Symptom Juckreiz. Einerseits erhält der Patient vom Arzt ein Medikament, andererseits empfehlen wir von der Pflege eine Reihe von Maßnahmen, die zur Linderung der Beschwerden zusätzlich beitragen können, wie etwa das Waschmittel zu wechseln, hautfreundliche Kleidung und Bettwäsche oder Waschungen mit Tee und Apfelessig. Nicht jeder Mensch spricht auf alle Vorschläge gleichermaßen an, sodass hier ein breites Spektrum an Möglichkeiten wichtig ist, um individuell das Richtige zu finden.
Ganz besonders wichtig ist die Unterstützung der Palliativmediziner. So verordnen sie zum Beispiel bei Husten durchaus auch Kartoffelwickel. Unsere Aufgabe ist es dann, die Anwendung anzuleiten und auf die richtige Umsetzung zu achten.
Wir haben zum Beispiel Aus- und Weiterbildungen im Bereich der Aromapflege und der komplementären Pflege. Ich selbst habe eine Ausbildung in Deutschland an der Heilpflanzenschule gemacht. Das Thema ist sehr breit und facettenreich, im Vordergrund steht aber immer die Frage: Was darf ohne Anordnung des Arztes gemacht werden und was nicht? Sobald ein Symptom vorliegt, dürfen wir auch in der komplementären Pflege nicht ohne Anordnung des Arztes arbeiten.
Ich würde mir wünschen, dass es viel bessere Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt, nicht nur für die Pflege, auch für die Mediziner. Das Interesse der Pflegenden an diesem Fachgebiet ist sehr groß, aber oft ist es nicht einfach, die kostenintensiven Kurse selbst zu finanzieren und noch in der Freizeit daran teilzunehmen. Komplementäre Pflege ist ein Thema, das auf jeden Fall auch schon in der Ausbildung integriert sein muss.