Rund 1.000 Patienten in Österreich und Deutschland erkranken jährlich an beidseitiger Stimmlippenlähmung. Ende der 90er-Jahre versuchten erste Forschungsgruppen, durch künstliche elektrische Stimulation die Funktion des Kehlkopfs wiederherzustellen. Erst in den letzten Jahren gelang einer österreichisch-deutschen Forschungsgruppe der Durchbruch mit der Entwicklung des Kehlkopfschrittmachers. „Ende 2012 konnten wir gemeinsam an den Universitätskliniken Innsbruck, Würzburg und Klinikum Gera in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Hörimplantathersteller MED-EL den weltweit ersten funktionsfähigen Nervenstimulator für Stimmlippenlähmungen am Patienten erfolgreich einsetzen“, gibt Univ.-Doz. Dr. Claus Pototschnig, MSc, geschäftsführender Oberarzt, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck, Einblick.
Inzwischen wurde eine erste Humanstudie erfolgreich abgeschlossen. Unter den Studienteilnehmern gab es Patienten, die bereits mit einem Luftröhrenschnitt versorgt waren. Dieser konnte bei den Betroffenen dank des Implantats dauerhaft verschlossen werden. Die Erwartungen an den Kehlkopfschrittmacher sind hoch: eine wesentliche Verbesserung der Atmung, ohne dabei die Stimme zu beeinträchtigen, sowie eine bedeutende Steigerung der Lebensqualität durch die verbesserte Belastungsfähigkeit und eine Reduktion von Begleiterkrankungen der Patienten.
Das neu entwickelte Implantat wird am Brustbein unter die Haut implantiert und stimuliert über spezielle Elektroden die Kehlkopfnerven. So öffnen sich über die zugehörigen Muskeln eine oder beide Stimmlippen, abhängig von der individuellen Patientensituation. Die richtigen Informationen und Energie erhält das Implantat über einen externen Prozessor, der per Magnet über dem Implantat auf der Haut haftet und induktiv Daten überträgt, ähnlich einem Cochlea-Implantat. Zusätzlich wurde eine eigene, geringinvasive Implantationstechnik entwickelt und erfolgreich eingesetzt. Betroffene können zudem bereits vor einer Implantation getestet werden, um herauszufinden, ob ihnen das Implantatsystem helfen wird.
In der ersten Studie wurde bei Patienten nur eine Seite des Kehlkopfs elektrisch stimuliert. Die Sicherheit des Schrittmachers und dessen Wirksamkeit konnten bereits nachgewiesen werden. In einer weiteren Studie sollen die festgestellten positiven Trends anhand einer größeren Patientengruppe bestätigt werden. Zukünftig sollen Patienten auch beidseitig versorgt werden. Der Schrittmacher wird nun weiter optimiert, um in einer größer angelegten Studie getestet werden zu können. Die Universitätskliniken Wien, Graz, Mannheim, Berlin und Stuttgart wurden als neue Partner gewonnen. Bestätigt sich bei weiteren Implantationen der Erfolg des Schrittmachers, ist davon auszugehen, dass viele Patienten wieder einer beruflichen Tätigkeit nachgehen können und ihre Lebensqualität erheblich verbessert wird. Um einen hohen Qualitätsstandard zu gewährleisten, ist geplant, die Implantation nur in spezialisierten Zentren anzubieten.