„Employer Branding darf kein Marketingthema sein, sondern sollte ein Zusammenspiel zwischen der Personalabteilung, der Unternehmensleitung und allen Führungskräften in den Abteilungen sein“, nennt der Recruitingexperte Thomas Zembacher den wohl wichtigsten Tipp für die Personalsuche. Warum das so ist, ist leicht erklärt: Ein Versprechen, das die HR-Abteilung macht, muss auch von allen anderen gelebt werden. Der Nutzen von Employer Branding ist mehr Sichtbarkeit durch eine verstärkte Markenkommunikation im Segment potenzieller Bewerber, doch: „Es muss ein konsistentes Bild ergeben“, sagt Zembacher, betont aber darüber hinaus noch einen weiteren Effekt: „Dieser Bekanntheitsgrad und die Awareness wirken sich auch auf die bestehenden Mitarbeiter aus. Sie sind stolz, dabei zu sein, und ihr Verbleib im Betrieb wird gesichert.“
Die Pandemie hat – bei aller Krise – der Branche hier auch Vorteile gebracht, denn: Dass Medizinprodukte unverzichtbare Helfer für die Gesundheitsversorgung der Österreicher sind, wussten „vor Corona“ nur Experten. Mittlerweile ist das Bewusstsein vorhanden, dass Medizin ohne Medizinprodukte nicht möglich ist. Daher hat die Branche auch für eine Reihe von Berufsbildern spannende Aufgabenfelder – von der Lehre bis zum Akademiker. Gefragt sind medizinische Kenntnisse ebenso wie rechtliches Know-how oder IT-Skills. Produktspezialisten arbeiten mit Experten in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen zusammen, Softwareentwickler oder Mechatroniker sorgen dafür, dass digitale Anwendungen die Patientenversorgung weiter verbessern. Die steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen sorgt für zukunftssichere Jobs.
Eine Reihe von Key Performance Indicators (KPIs) macht auch den Erfolg im Recruiting messbar: die Zeit bis zur Einstellung (Time to Hire), die Zeit bis zur Produktivität (Time to Productivity), der Kostenaufwand pro Einstellung (Cost per Hire) oder der Bewerberrücklauf (Application Yield). Gemessen werden können auch die Abbruchrate der Bewerbung (Application Dropout Rate) oder die Bewerberquelle (Source of Hire) sowie die Bewerberzufriedenheit (Applicant Satisfaction) „Die Auswahl der relevanten KPIs hängt von den Zielen und Bedürfnissen des Unternehmens ab und manche von ihnen, wie etwa die Fluktuationsrate, können durchaus unangenehme Themen auf den Tisch bringen und die Unternehmensleitung weit über das Recruiting hinaus zu Maßnahmen auffordern“, weiß Zembacher.
Im Gesundheitswesen waren es vor allem die Spitäler, die aufgrund des Ärzte- und Pflegemangels schon früh entdeckt haben, dass eine gute Positionierung am Arbeitsmarkt auch ein zentraler Wettbewerbsfaktor ist. „Es gibt aber auch gute Beispiele aus der Medizinprodukte-Welt, wo erkannt wurde, dass der Vertrieb allein in Zeiten des Fachkräftemangels nicht ausreicht, um zukunftsfähig zu sein. Neben dem Recruiting hat sich daher ein hochprofessionelles Onboarding etabliert, das neue Mitarbeiter auch strukturiert an ihre Aufgaben heranführt“, betont der Experte. Er weiß aber auch um die Herausforderungen der Branche Bescheid: „Wer zum Beispiel im Bereich digitaler Gesundheitsanwendungen Mitarbeiter sucht, konkurriert nicht nur mit dem eigenen Umfeld, sondern mit ‚der ganzen Arbeitswelt‘, die digitale Talente sucht.“ Dann muss ein Unternehmen schon einiges bieten, um in diesen „War of Talents“ eintreten zu können.
Wie wichtig der Jobeinstieg in einem Unternehmen ist, zeigt auch die Onboarding-Umfrage 2023 von Haufe Talent: Im Fokus von HR steht häufig die zeit- und kostenintensive Anfangsfluktuation, wenn neue Mitarbeiter das Unternehmen schon innerhalb des ersten Jahres wieder verlassen. Dann muss erneut viel Aufwand in die Suche nach passenden Kandidaten investiert werden, das Team ist demotiviert und während der Vakanzzeit überlastet, ein Imageschaden inklusive. Das passiert gar nicht so selten: In der Haufe-Umfrage gaben 36 % der Befragten an, dass sie sogar schon Kündigungen zwischen der Vertragsunterschrift und dem ersten Arbeitstag haben. Zu einem Zeitpunkt also, bei dem die neuen Mitarbeiter die neue Firma noch gar nicht richtig kennengelernt haben! Bei 56 % führen dann falsche Erwartungen des Onboardees zu einem baldigen Ausstieg, bei 28 % gab es Frühfluktuation, weil der Cultural Fit nicht gestimmt hat, also die Vorstellungen neuer Mitarbeiter und die Unternehmenskultur nicht zusammengepasst haben. 21 % gaben an, dass neue Mitarbeiter das Unternehmen schnell wieder verlassen haben, weil es kein professionelles Onboarding gab. Die Haufe-Talent-Studie unterstreicht, was Zembacher aus seiner Praxis beschrieben hat: Mangelnde Kommunikation scheint ein zentrales Problem vieler Unternehmen zu sein. Viele Onboardees wissen offenbar nicht richtig, was bei einer neuen Stelle auf sie zukommt und wie das Team und das Unternehmen ticken. Sie fühlen sich offensichtlich auch nicht richtig eingearbeitet und integriert, sondern eher ins kalte Wasser geworfen. Daher ist es wichtig, bei den Onboardees keine falschen Erwartungen zu schüren, sondern ihnen wichtige Informationen zur Unternehmenskultur, zu den Aufgaben und dem Team schon im Vorfeld mitzugeben – sei es in Vorstellungs- oder Teamgesprächen und in der Preboarding-Phase.
Wichtig ist es vor allem, sich nicht nur zukunftsfähig zu positionieren, sondern das auch zu leben und dieses Talent bei den Bewerbern zu suchen: „Wir bauen das bereits im Briefing und Interview ein um herauszufinden, welche Fähigkeiten vorhanden sind, die in die Zukunft des Unternehmens einzahlen“, beschreibt Zembacher. In „Future Labs“ werden mit Experten der Branchen zentrale Themen erarbeitet, die nicht heute, sondern morgen relevant werden. Darauf werden dann auch die Recruitingprozesse eingeschworen. In diesem Sinne empfiehlt er auch, dorthin zu gehen, wo die Ausbildung stattfindet: „Kooperationen mit Hochschulen sind ein wichtiger Erfolgsfaktor. Leistungswettbewerbe, Stipendien oder Praxisprojekte sind wichtige Tools.“
Der größte Fehler ist die Fehlbesetzung. „Skills allein sind daher nicht ausschlaggebend, die richtigen Bewerber zu finden. Kandidaten und Betriebe müssen die gleiche Wertewelt haben und emotional auf einer Wellenlänge sein“, spricht Zembacher aus Erfahrung.