Sturzprophylaxe ist Teamwork

„Wie können wir ein Sturzrisiko erkennen und vermindern?“ Diese Frage stellte sich das Team rund um Sissolak zu Beginn des Projektes. Erarbeitet wurden einerseits die Risikofaktoren, andererseits auch gezielte Maßnahmen, die diese Faktoren reduzieren. „Stürze zu 100 % verhindern können wir nicht, aber wir können aufmerksam sein, die Patienten beraten und so das Risiko minimieren“, ist Sissolak überzeugt.
Die Mitarbeiter der Pflege haben Schulungen in Kleingruppen durch die Stationskoordinatoren erhalten. „Ganz wichtig ist dabei, den Patienten die Angst vor einem Sturz zu nehmen. Das gelingt durch intensive Beratungen und Gespräche. Dabei werden zum Beispiel die Räumlichkeiten gezeigt, die passende Betthöhe eingestellt und die richtigen Schuhe oder Gehhilfen ausgewählt“, gibt Sissolak Einblick. So können durch einfache Mittel kleine Verletzungen, aber auch größere Brüche verhindert werden.
Höhepunkt des Projektes war ein Alterssimulator, mit dem die Projektmitarbeiter selbst spürbar und nachvollziehbar erlebten, wie sich die altersrelevanten Einschränkungen, wie zum Beispiel Gangunsicherheit, anfühlen. Ein Poster auf den Stationen fasst die wichtigsten Risikofaktoren und Maßnahmen zur Sturzprophylaxe punktuell zusammen.
Ein Ergebnis des Projektes zeigte auch, dass das Krankenhaus bereits bisher gut in der Sturzvermeidung war. Die wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse werden künftig auch in die Entscheidung von Anschaffungen einfließen.

 

 

Demenzkranke stürzen besonders häufig
Demenzkranke Patienten haben laut verschiedener Studien ein rund 20-mal höheres Sturzrisiko als gesunde Gleichaltrige. Bei Parkinson-Kranken ist dieses Risiko 10-mal höher. Als Hauptrisikofaktoren für Stürze gelten Muskelschwäche und Gangstörungen sowie ein verringertes Sehvermögen oder eine Störung des Gleichgewichtssinnes – Symptome, die im Rahmen einer Demenz- oder Parkinson-Erkrankung auftreten. Auch mangelhafte Umgebungsbedingungen erhöhen das Sturzrisiko für alte Menschen.
Demenzkranke, die im Pflegeheim mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) behandelt werden, erleiden dreimal häufiger als andere schwere Stürze. Das Risiko ist einer Studie im British Journal of Clinical Pharma­cology (2012; doi: 10.1111/j.1365-2125.2011.04124.x) zufolge dosis­abhängig und steigt bei einer Komedikation mit Sedativa noch weiter an.
Demenzkranke stürzen häufig und folgenschwer. In der psychogeriatrischen Einrichtung, die Carolyn Shanty Sterke von der Erasmus Universität in Rotterdam über zwei Jahre beobachtete, kam es pro Bewohner im Durchschnitt zu 2,9 Stürzen im Jahr. Jeder dritte Sturz führte zu einer Verletzung. In 3 % war dies eine Fraktur, häufig der Hüfte.
Auf der Suche nach den Ursachen stieß die Forscherin auf die überaus häufige Verordnung von Antidepressiva, die zu 16,1 % aller Personen-Jahre verordnet wurden. Zu jedem Zeitpunkt stand also jeder sechste Demenzpatient unter der Wirkung von Antidepressiva, wobei in der Regel SSRI verordnet wurden (die bei Demenzpatienten auch als Mittel der ersten Wahl gelten, sofern eine Indikation vorliegt).