Migranten oder Menschen mit Hör- bzw. Sprachbehinderungen fällt es oft schwerer, an Leistungen im Gesundheitswesen heranzukommen, da sie sich ihren Gesprächspartnern nur eingeschränkt vermitteln können. „Zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit haben das Problem deutlich gemacht – Patienten wurden nicht adäquat behandelt oder verstarben, weil sie sich nicht ausreichend verständlich machen konnten“, weiß Hon.-Prof. SC Dr. Gerhard Aigner vom Gesundheitsministerium. Auch Dr. Helga Willinger von der Wiener Pflegeanwaltschaft weiß um das Problem Bescheid, kommen doch immer wieder Beschwerden zu ihr, die ihre Wurzel in mangelnder Kommunikation haben. „Kommunikation ist die Grundlage für eine zielführende Behandlung und Grundlage für die Information der Patienten über ihre Krankheit und geplante therapeutische Maßnahmen. Sie ist aber auch wichtig, damit der Arzt Informationen über den Zustand der Patienten erhält und andererseits über Verhaltensweisen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit geben kann. Kurz: Das Gespräch ist die Grundlage für Diagnose und Therapie“, ist Willinger überzeugt. Und schließlich sind nicht nur die menschlichen, sondern auch die juristischen Folgen nicht außer Acht zu lassen, denn die Aufklärung und Einwilligung in die Behandlung sind die Basis für einen gültigen „Behandlungsvertrag“ zwischen Arzt und Patienten. Jeder Patient muss die Information bekommen, die notwendig ist, damit er auch über die Behandlung entscheiden kann und damit eine rechtswirksame Einwilligung vorhanden ist. Die verständliche Information und das persönliche Gespräch sind somit ein Patientenrecht, das bei Verletzung auch Haftungs- und Schadenersatzansprüche nach sich ziehen kann.
Was oft in der eigenen Muttersprache schon schwierig genug ist, kann für Menschen mit Migrationshintergrund oder für Menschen mit einer Beeinträchtigung von Sprache oder Gehör zu einem unüberwindbaren Hindernis werden. Die österreichische Plattform Patientensicherheit startet daher gemeinsam mit dem Institut für Ethik und Recht in der Medizin, dem Bundesministerium für Gesundheit und dem ÖGS.barrierefrei das erste in Österreich umgesetzte Projekt zum Thema „Videodolmetschen im Gesundheitsbereich“. Innerhalb von zwei Jahren wird eine zentrale Stelle für Österreich geschaffen, in der speziell für den Gesundheitsbereich geschulte Dolmetscher für die Sprachen Türkisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und die Gebärdensprache jeweils von Montag bis Sonntag in der Zeit von 6.00 bis 22.00 Uhr über Computer erreichbar sind und videodolmetschen können. Ziel ist es, dem Gesundheitspersonal ein Tool zur Verfügung zu stellen, mit dem die Behandlung von Patienten mit wenig bis keinen Deutschkenntnissen oder eingeschränkter verbaler Kommunikationsfähigkeit im Notfall dennoch professionell stattfinden kann. Am Ende steht nicht nur ein Arzt-Patienten-Gespräch, das zu einer verbesserten Therapietreue der Patienten führt, sondern auch ein für die Beteiligten sicheres und professionelles Vorgehen. Nicht zuletzt ist davon auszugehen, dass die verbesserte Betreuung langfristig auch dazu führt, dass Kosten gespart werden, denn richtige Aufklärung verbessert den Therapieerfolg und verringert den Drehtüreffekt.