Therapeutische Hypothermie: Anwendung in der Praxis

In den späten 1980er-Jahren fand man durch Zufall in Tierversuchen, dass man auch dann den ischämischen Schaden an Nervenzellen vermindern kann, wenn man die Körpertemperatur nach Kreislaufstillstand nur leicht auf 32 bis 34 °C absenkt. Es folgte eine Vielzahl an geplanten randomisierten Tierexperimenten, Fallberichten und Beobachtungsstudien, die weltweit immer wieder diesen Effekt zeigten. Die ersten zwei randomisierten Humanstudien zur therapeutischen Hypothermie nach Kreislaufstillstad mit Kammerflimmern wurden 2002 publiziert. Auch diese bestätigten den neuroprotektiven Effekt, worauf in internationalen Guidelines die Empfehlung ausgesprochen wurde, Patienten nach einem nichttraumatischen prähospitalen Kreislaufstillstand mit Kammerflimmern oder ventrikulärer Tachykardie auf eine Zieltemperatur von 32 bis 34 °C abzukühlen und diese Zieltemperatur für 12 bis 24 Stunden beizubehalten.

Gutes neurologisches Outcome

Diese Empfehlung wurde auch für einen Kreislaufstillstand ohne Kammerflimmern ausgesprochen, jedoch mit einem niedrigeren Evidenzgrad. Ein Cochrane Review fasste in Folge die Ergebnisse von fünf randomisierten Studien zu therapeutischer Hypothermie zusammen und kam zu dem Ergebnis, dass nach einem Kreislaufstillstand gekühlte Patienten eine um 55 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit für ein gutes neurologisches Outcome haben, im Vergleich zu nicht gekühlten Patienten, entsprechend einer „number needed to treat“ von 6. Die Guidelines wurden damit inhaltlich bestätigt und auch in der neuesten Version der Empfehlungen der American Heart Association und des European Resuscitation Council von 2010 zur Behandlung von Patienten nach Kreislaufstillstand wurden diese Empfehlungen so ausgesprochen.

Kein Unterschied bei Nebenwirkungen

Nach 2010 bestätigten Register und Beobachtungsstudie zum überwiegenden Teil die positive Wirkung therapeutischer Hypothermie mit 32 bis 34 °C in der täglichen klinischen Routine. Rezent Ende 2013 wurde eine große randomisierte Multicenter-Studie von Nielsen und Kollegen veröffentlicht (Nielsen N, et al. NEJM. 2013. 369(23):2197-206). Sie zeigte, dass es sowohl hinsichtlich der Mortalität und des neurologischen Outcomes, aber auch hinsichtlich der Nebenwirkungen keinen Unterschied macht, ob Patienten auf 33 °C oder 36 °C gekühlt werden.
In Studien konnte gezeigt werden, dass therapeutische Hypothermie, abhängig von Dauer und Tiefe, häufig zu unterschiedlichen Komplikationen führen kann: Elektrolytverschiebungen (insbesondere Serummagnesium, Serumnatrium), Insulinresistenz (und damit Hyperglykämie), Kältezittern (shivering), Gerinnungsstörungen, Erhöhung der Infektionsrate, „rewarming injury“ bei der Wiedererwärmung des Patienten sowie ausgeprägte pharmakokinetische bzw. -dynamische Veränderungen insbesondere von Plasmaspiegeln von Medikamenten. Werden diese Komplikationen nicht entsprechend berücksichtigt und behandelt, können sie natürlich direkt oder indirekt zu einer eingeschränkten neuroprotektiven Wirkung therapeutischer Hypothermie führen.

 

Indikationen für therapeutische Hypothermie

  • nach kardiopulmonaler Reanimation (CPR) und Wiedererlangen von Spontanzirkulation
  • bei hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie bei Neugeborenen
  • bei refraktär erhöhtem intrakraniellen Druck
  • bei schwerer hepatischer Enzephalopathie