Hand in Hand ziehen die beiden weltweiten Pandemien von Typ-2-Diabetes und Adipositas auch über Österreich hinweg und hinterlassen aktuell über 900.000 adipöse Österreicher sowie eine Diabetesprävalenz von 8–9 %. Die vor allem in jüngeren Altersgruppen stark zunehmende Adipositas wird einerseits durch bewegungsarme Alltagsgestaltung sowie andererseits durch hochkalorische Ernährung begünstigt. Studien legen nahe, dass diese jungen Patienten ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risikoprofil aufweisen, was sich auch tatsächlich im verfrühten Auftreten von mikro- und makrovaskulären Komplikationen widerspiegelt. Gerade deshalb sowie aufgrund der zu erwartenden längeren Diabetesdauer muss dieses Patientenkollektiv besonders effektiv und konsequent behandelt werden.
Die Therapie eines neu diagnostizierten Typ-2-Diabetes mellitus hat zunächst recht klare Konturen: Alle namhaften internationalen Guidelines wie auch die Leitlinien der Österreichischen Diabetesgesellschaft (ÖDG) geben den behandelnden Ärzten klare Vorgaben darüber, wie das Vorgehen nach Diagnosestellung eines Typ-2-Diabetes mellitus auszusehen hat. Eine Errungenschaft der letzten Jahre ist, dass jeder Patient in Abhängigkeit von Diabetesdauer, Hypoglykämierisiko und Komorbiditäten eine „maßgeschneiderte“, individuelle Therapie erhalten soll.
Dass eine nötige Therapieintensivierung in der Praxis allerdings oft viel zu zögerlich abläuft, konnte eine große retrospektive Kohortenstudie (Khunti et al., Diabetes Care 2013) an über 80.000 britischen Patienten eindrucksvoll dokumentieren. So vergingen durch die „clinical inertia“ (oder „klinische Trägheit“) der behandelnden Ärzte bei Patienten, die eine Therapie mit einem oralen Antidiabetikum und einen HbA1c >7 % hatten, im Durchschnitt über zwei Jahre, bis die orale Therapie erweitert wurde. Wenn bereits zwei Substanzen eingenommen wurden, stieg der Wert bis zur weiteren Therapieintensivierung sogar auf über sieben Jahre an. So vergehen wertvolle Behandlungsjahre, die eine entscheidende Rolle in der Verhinderung von diabetischen Spätkomplikationen darstellen.
Erst ab dem Jahr 1990 wurde sukzessive in chronologischer Reihenfolge das Spektrum der oralen Antidiabetika um Alpha-Glucosidase-Hemmer, Glinide, Thiazolidinedione, GLP-1-Rezeptor-Agonisten, DPP-4-Inhibitoren und SGLT2-Inhibitoren erweitert. Dadurch wurden auch therapeutische Optionen geschaffen, die an unterschiedlichen Orten in der komplexen Pathophysiologie des Typ-2-Diabetes ansetzen und es ermöglichen, eine individuelle Therapie unter Berücksichtigung des jeweils vorrangigen pathophysiologischen Problems anbieten zu können.
Metformin vereint zahlreiche Anforderungen an ein antidiabetisches Medikament und ist daher momentan zu Recht als Goldstandard zu betrachten. So besteht einerseits ausreichend klinische Erfahrung sowohl die effiziente und anhaltende Wirksamkeit als auch die Sicherheit betreffend. Andererseits kommt es auch zu einer günstigen Beeinflussung des Körpergewichtes, in Studien konnten immer wieder positive kardiovaskuläre Effekte nachgewiesen werden und schließlich scheint Metformin das erhöhte Risiko für maligne Erkrankungen anderer antidiabetischer Substanzen wieder abzuschwächen. Nicht zuletzt sollen auch die gesundheitsökonomischen Vorteile an dieser Stelle erwähnt werden. Da generell bei Medizinern eine ausreichende Sensibilisierung bezüglich Dosisreduktion bzw. Beendigung der Therapie bei eingeschränkter Nierenfunktion vorliegt, spielt die häufig gefürchtete Laktatazidose im Gegensatz zu den zahlreichen Vorteilen, die Metformin bietet, im klinischen Alltag eine deutlich untergeordnete Rolle.
Der Einsatz von Sulfonylharnstoffen wird in den letzten Jahren zunehmend kritischer betrachtet. Vorteile der Sulfonylharnstoffe bestehen in der starken Wirksamkeit zu Therapiebeginn sowie in den niedrigen Therapiekosten. Die Dauer der metabolischen Kontrolle ist in aller Regel allerdings recht kurz und vor allem nach Dosissteigerung mit einer Zunahme des Körpergewichts und einem weiteren Anstieg des Hypoglykämierisikos vergesellschaftet. Die unphysiologische Stimulierung der Insulinsekretion dürfte mitverantwortlich für die immer wieder in Studien beschriebene substanzspezifische Risikoerhöhung für kardiovaskuläre Ereignisse sowie maligne Erkrankungen sein.
Kaum eine andere Substanzklasse hat eine so wechselhafte Geschichte hinter sich wie die Glitazone. Nicht zuletzt deshalb wird Pioglitazon – der einzig verbliebene Vertreter der Glitazone – trotz einer langen Liste an Vorteilen verhältnismäßig selten eingesetzt.
Durch den Einsatz von GLP-1-Rezeptor-Agonisten wird die glukoseabhängige Insulinfreisetzung bei gleichzeitig supprimierter Glukagonsekretion stimuliert. Als weiteres therapeutisches Wirkprinzip wird auch das zentrale Sättigungsgefühl aktiviert, und es kommt zu einer Verzögerung der Magenentleerung. All dies führt zu einer ausgeprägten HbA1c-Senkung, die in diesem Ausmaß mit keinem anderen oralen Antidiabetikum erzielt werden kann. Gepaart ist dieser Effekt mit einer oft sehr deutlichen Gewichtsreduktion, die wiederum einen günstigen Effekt auf die Insulinresistenz hat. Wesentliche Nachteile dieser Substanzgruppe liegen in der Tatsache, dass GLP-1-Rezeptor-Agonisten nur subkutan appliziert werden können und es vor allem zu Therapiebeginn zu Übelkeit kommt, die mitunter zum Therapieabbruch führt. Aktuelle Studien können die ursprünglichen Befürchtungen bezüglich Pankreatitiden sowie erhöhte Raten an Pankreaskarzinomen nicht bestätigen.
Durch die zahlreichen Interaktionen mit dem Glukosestoffwechsel stellen die DPP-4 Hemmer eine interessante Wirkstoffgruppe dar: Einerseits erfolgt durch die Hemmung des Abbaus von GLP-1 eine Steigerung der Insulinsekretion und andererseits wird die hepatische Glukoseproduktion durch die verminderte Glukagonsekretion gebremst. Dies prädestiniert DPP-4-Hemmer auch als vielseitige Kombinationspartner. Wesentliche Vorteile der Substanzgruppe bestehen in der Gewichtsneutralität sowie der de facto fehlenden Gefahr für Hypoglykämien, wenn sie in Monotherapie sowie in Kombination mit Metformin oder Pioglitazon angewandt werden. Auch die allgemein gute Verträglichkeit spiegelt sich in den hohen Verschreibungsraten wider. Dem gegenüber steht eine relativ moderate HbA1c-Senkung.
Das Wirkprinzip der SGLT2-Inhibitoren beruht auf einer gesteigerten Glukoseausscheidung, was einen völlig neuen therapeutischen Mechanismus darstellt. Ein großer Vorteil besteht auch darin, dass ihre Wirksamkeit völlig insulinunabhängig und damit auch an kein Stadium der Erkrankung gebunden ist. Dadurch erweisen sich SGLT2-Inhibitoren als hilfreiche Kombinationspartner gerade auch bei bereits fortgeschrittenem Krankheitsstadium sowie bei Insulintherapie.