Durch die demografische Entwicklung mit zunehmender Lebenserwartung und steigendem Bevölkerungsanteil jenseits des siebten Lebensjahrzehnts kommt der Prävention und Palliation ein immer wichtigerer Anteil an der medizinischen Versorgung zu. Hier sind Urologen besonders gefordert, da viele Erkrankungen in diesem Fachgebiet typische Alterserkrankungen sind.
Als geradezu archetypische Erkrankung der Urologie gilt in der industrialisierten Welt das Prostatakarzinom (PCa). Die Einführung der Früherkennungsuntersuchung mittels prostataspezifischen Antigens (PSA) Ende der 1980er-Jahre hat die Behandlung des PCa revolutioniert. Erst durch die rechtzeitige Detektion konnte eine kurative Therapie im organbegrenzten Stadium ermöglicht werden.
Allerdings hat sich seit dieser Zeit in der Diagnostik nicht viel bewegt. Zwar ist die Sensitivität des PSA zur Karzinomdetektion – je nach gewähltem Grenzwert – hoch, aber die niedrige Spezifität führt zu einer unnötig hohen Anzahl an Biopsien. Andererseits führt die unkritische Anwendung des PSA zur Detektion vieler klinisch insignifikanter Karzinome. Leider haben sich bisher ursprünglich vielversprechende Marker wie etwa Serum-Kallikrein oder Sarkosin, die die Spezifität der Detektion signifikanter Karzinome erhöhen sollten, im klinischen Alltag nicht bewährt und spielen derzeit keine große Rolle in der PCa-Diagnostik. Als derzeit einzige zukunftsweisende Serummarker scheinen die Isoformen des PSA einen klinischen Stellenwert zu bekommen. Insbesondere [–2]proPSA kommt hier eine wichtige Rolle zu. Dabei scheint insbesondere das Verhältnis der einzelnen Isotypen einen wichtigen Vorhersagewert zu haben. So wird bereits jetzt ein kommerziell erhältlicher Test angeboten, der aus dem Verhältnis von [–2]proPSA, Gesamt- und freiem PSA einen Wert errechnet, der die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Karzinoms vorhersagen soll. Als bisher einziger zugelassener Urinmarker hat die Bestimmung des Proteins PCa3 im Exprimat-Urin einen gewissen Stellenwert erreicht. Zwar konnte für diesen Marker gezeigt werden, dass die Vorhersagewahrscheinlichkeit eines PCa mit der Höhe des PCa3-Scores im Urin korreliert, jedoch wurden die Erwartungen bezüglich der Einschätzung der klinischen Signifikanz des PCa nicht erfüllt. In Zukunft könnte der Nachweis alterierter Transkriptionsfaktoren wie TMPRSS oder ETS wichtige Hinweise für die klinische Signifikanz eines PCa liefern. Obwohl für beide Marker bereits kommerzielle Kits erhältlich sind, müssen diese Marker erst im klinischen Gebrauch evaluiert werden.
Da das PCa bislang mit keinem bildgebenden Verfahren mit hinreichender Sensitivität und Spezifität dargestellt werden kann, bleibt nach wie vor die systematische Biopsie als einzige Methode, das Vorliegen eines PCa zu beweisen. Seit rund zehn Jahren wird jedoch in zunehmendem Maße die Kernspintomografie bei der PCa-Diagnostik eingesetzt. Mit der Weiterentwicklung der MRT-Protokolle und Einführung der 3-Tesla-Geräte kommt der bildgebenden Diagnostik des Primärkarzinoms eine immer bedeutendere Rolle zu. Obwohl dies von den meisten Leitlinien nicht unterstützt wird, kommt bereits jetzt in vielen unklaren Fällen zur Entscheidung für oder gegen eine Prostatabiopsie das MRT zum Einsatz. Die technische Weiterentwicklung sowohl der Magnetspulen als auch der Protokolle wird den Stellenwert der MRT weiter stärken.
Aber auch die funktionelle Bildgebung, bei der durch radioaktive Marker Stoffwechselprozesse sichtbar gemacht werden können, wird die Spezifität der Karzinomdetektion erhöhen. War ursprünglich das Cholin-PET-CT die Methode der Wahl beim PCa, werden derzeit immer spezifischere Moleküle als Tracer synthetisiert. Vieles weist darauf hin, dass das prostataspezifische Membran-Antigen (PSMA) in Zukunft das Cholin als Tracer ablösen wird. In Kombination mit der hohen morphologischen Auflösung des MRT hat diese Methode derzeit ihren Stellenwert in der Rezidivdiagnostik. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass diese Methoden im Verlauf in der Primärdiagnostik eingesetzt werden. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass der Bildgebung auch ein wichtiger Stellenwert in der Bewertung der klinischen Signifikanz eines PCa zukommt. Einheitliche Bewertungskriterien, wie zum Beispiel die radiologische PI-RADS-Klassifikation, sind nur erste Schritte hin zur qualitativen Einschätzung eines suspekten Herdes in der Bildgebung.
Trotz aller Fortschritte in der Bildgebung wird auf absehbare Zeit die Diagnose eines PCa nur durch die Biopsie erfolgen können. Die Einführung der systematischen 12-fach-Biopsie unter sonografischer Führung hat die diagnostische Genauigkeit signifikant verbessert. Dennoch bleibt es weiterhin unbefriedigend, eine blinde, mehr oder weniger zufällig platzierte Biopsie aus verschiedenen Sektoren der Prostata zu entnehmen. Durch die immer bessere Bildgebung ist es nun möglich, zumindest aus suspekten Arealen zusätzliche Biopsien zu entnehmen. Nach wie vor wird jedoch meist noch zusätzlich die systematische Biopsie durchgeführt. Dies liegt nicht nur daran, dass die Bildgebung noch nicht mit ausreichender Sensitivität alle Karzinomareale detektiert, sondern auch daran, dass unter der sonografischen Führung die MRT-suspekten Areale nicht immer exakt angesteuert werden können. Hier befinden sich seit wenigen Jahren Systeme zur MRT-Ultraschall-Bildfusion in Entwicklung. Einige davon werden schon in der klinischen Routine angewendet.
Es ist abzusehen, dass durch die gezielte Biopsie hochsuspekter Areale die Präzision der Karzinomdiagnostik deutlich erhöht wird und vor allem auch gezielt klinisch signifikante Karzinome detektiert werden. Dadurch wird die Gefahr einer Überbehandlung vermindert. Des Weiteren wird heutzutage der perineale Stanzweg diskutiert, da hier das Risiko einer systemischen klinisch relevanten Bakteriämie, welche bis zur Sepsis reichen kann, deutlich reduziert wird. Diese Stanzmodalität sollte insbesondere Patienten mit Risikofaktoren angeboten werden.
Die operative Therapie und die Strahlentherapie waren lange Zeit die einzigen etablierten kurativen Verfahren. Die Einführung der roboterassistierten Operation hat die radikale Prostatektomie nochmals revolutioniert. Es ist zu erwarten, dass die roboterassistierte Technik in Zukunft im OP nicht mehr wegzudenken sein wird. Die neue Generation des daVinci-Systems erlaubt nun die Patientenumlagerung mit angedocktem System und den Zugang in alle Quadranten des Abdomens, ohne das System komplett neu ausrichten zu müssen. Es bleibt abzuwarten, ob sich weitere Hersteller auf dem Markt etablieren können. Denkbar wären zum Beispiel kleinere Systeme, die direkt am OP-Tisch fixiert werden können, oder Systeme, die mit handelsüblichen konventionellen Laparoskopieinstrumenten bestückt werden können. Simulationen und Bildüberlagerungen im Sinne einer „Augmented Reality“ werden sicherlich eine immer wichtigere Rolle spielen. So könnte bei der radikalen Prostatektomie das zuvor in der Bildgebung detektierte Karzinomareal in die Sicht des Operateurs auf den OP-Situs projiziert werden, um zum Beispiel die Resektionsgrenzen beim Nerverhalt zu definieren.
Die Strahlentherapie hat mit der intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT) große Fortschritte gemacht. Durch die Dosisanreicherung auf das Zielvolumen können höhere Dosen bei geringeren Nebenwirkungen verabreicht werden. Das besondere physikalische Verhalten von Protonen mit einer hohen Strahlendosis im Zielgebiet und hoher Gewebeschonung im umliegenden Gebiet durch das schnelle Abbremsverhalten der Teilchen verspricht eine effektive Karzinombehandlung ohne hohe Toxizität. Trotz des anfänglichen Enthusiasmus bei dieser neuen Therapieform muss sich diese Methode erst in Langzeitstudien unter Beweis stellen.
Durch die Kombination der Strahlentherapie mit der hormondeprivativen Therapie konnten die Krebskontrollraten signifikant verbessert werden. Dieser positive Effekt wird unter anderem vermutlich durch die proapoptotischen Eigenschaften der Hormontherapie hervorgerufen. Es ist denkbar, dass andere Substanzen, die geringere Nebenwirkungen als die Hormonentzugsverfahren haben, in Kombination mit der Strahlentherapie eingesetzt werden. Als Beispiel seien hier Antisense-Oligonukleotide genannt, die die natürlichen Reparaturmechanismen der Zellen blockieren können und so die Karzinomzellen empfänglicher für letale Strahlung machen. Dadurch könnte die Gesamtstrahlendosis reduziert und die Nebenwirkungen könnten minimiert werden.
Durch die deutlich gebesserte Spezifität der Bildgebung des PCa scheint es nun möglich, auch gezielt suspekte Herde in der Prostata zu behandeln. Kryotherapie und Lasertherapie haben sich hier bisher nicht durchgesetzt. Am meisten etabliert in diesem Feld ist bisher die hochintensive fokussierte Ultraschall- (HIFU-) Behandlung. Diese Methode ist bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in der klinischen Anwendung. Dabei wird durch hoch fokussierte Ultraschallwellen das Gewebe thermisch zerstört. Durch technische Veränderungen des Fokus können mit der neuesten Gerätegeneration nun kleinste Areale zerstört werden, wenn eine Niedrigrisiko-Tumorkonstellation vorliegt. Durch die Zielführung mit Ultraschall in Fusion mit einer MRT-Bildgebung können die Ultraschallwellen gezielt auf suspekte Areale gesteuert werden.
Ähnliche Möglichkeiten zur gezielten Therapie könnte in Zukunft auch die Strahlentherapie bieten. Durch gezielte Bestrahlungen aus mehreren Richtungen, wie sie bei der sogenannten NanoKnife®-Behandlung durchgeführt werden, können hohe Dosen im Zielgebiet erreicht werden, ohne dass das umliegende Gewebe zusätzlich geschädigt wird. Dabei wird der Linearbeschleuniger an einem Roboterarm dreidimensional im Raum bewegt. Die Kombination der Bestrahlung mit hochsensiblen Ortungssystemen erlaubt die gezielte Ansteuerung suspekter Herde. So könnten diese Herde in Zukunft zum Beispiel durch Goldmarker markiert, über eine radiografische Ortung der Linearbeschleuniger in die jeweilige Position gebracht und so auch intrakorporale Bewegungen der Prostata kompensiert werden.
Beim primär metastasierten PCa ist die Docetaxel-basierte Chemotherapie nach Veröffentlichung dreier prospektiver Studien die aktuell empfohlene Primärtherapie in Kombination mit einer Androgendeprivationstherapie (ADT). In den letzten fünf Jahren gab es eine Welle an Medikamentenneuzulassungen im Bereich der Hormon-, Chemo-, aber auch Nuklearmedizin, die alle einen mittleren Benefit von vier Monaten Lebensverlängerung ergaben. Die Primärtherapie des mCRPC wird in den meisten Fällen mit einer tertiären Hormontherapie (Abirateron oder Enzalutamid) begonnen, bei symptomatischen Knochenmetastasen ist die Behandlung mit Radium-223 eine weitere lebensverlängernde Option. Bei Vorliegen eines progredienten Tumors bietet die Taxan-basierte Chemotherapie (Docetaxel, Cabazitaxel) eine weitere Behandlungsoption in der Sequenztherapie des mCRPC. Es gibt keine vergleichenden Studien der Substanzen untereinander, die optimale Sequenz ist derzeit auch nicht geklärt und sollte individuell mit dem Patienten vor dem Hintergrund der Komorbiditäten und Risikofaktoren geplant werden. In Zukunft wird die Detektion von Androgenresistenzmechanismen auf zirkulierenden Tumorzellen unter laufender Therapie (Next Generation Sequencing) die Therapiesteuerung beeinflussen.