Die Nachfrage nach Medizinprodukten ist groß, Tendenz steigend. Allerdings wird es angesichts des stark umkämpften Marktes immer schwieriger, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zu bewahren.
Die Prognosen für die kommenden Jahre sind vielversprechend: Ein steigender Bedarf an Gesundheitsleistungen wird eine verstärkte Nachfrage nach Medizinprodukten nach sich ziehen. Ein Grund zur Freude also, für die österreichischen Medizinprodukteunternehmen? Durchaus, meint Mag. Friedrich Thomasberger, AUSTROMED-Präsident und Geschäftsführer der Paul Hartmann GmbH: “Die Medizinprodukteindustrie ist und bleibt ein Wachstumsmarkt, der aber zusehends heißer umkämpft werden wird.” Besonders spürbar ist diese Entwicklung in jenen Bereichen, wo sich große Player, wie beispielsweise die Krankenanstalten-Verbände, aus Kostengründen neu orientieren müssen und daher mit jenen Anbietern zusammenarbeiten, die am günstigsten produzieren. Bei diesen Anbietern handelt es sich meist um große, teils ausländische Genossenschaften, die aufgrund ihrer Größe eine ganz andere Preispolitik verfolgen können als kleine österreichische Unternehmen.
Von dieser Tendenz besonders betroffen sind vor allem die vielen kleinen Betriebe, die – so sie kein Nischenprodukt anbieten – von den großen Einkäufern oft gar nicht wahrgenommen werden. “Der Wettbewerb ist eindeutig aggressiver geworden”, bestätigt Andreas Tögel, Geschäftsführer der in Wien-Liesing ansässigen Firma Atomed. Hinzu kommen gesetzliche Auflagen, die die Situation erschweren. So sehe es das Medizinproduktegesetz beispielsweise vor, dass die Nachvollziehbarkeit jedes einzelnen Produkts lückenlos nachzuweisen ist. Die dafür notwendige EDV sei äußerst aufwändig und kostenintensiv: “Für einen Kleinen kaum leistbar”, meint Tögel, der die Zukunftsaussichten für Unternehmen seiner Größe trotzdem nicht allzu schwarz sieht: “Im Gegensatz zu den Big Playern sind wir flexibel, können rascher auf Kundenwünsche eingehen.”
Trotz zunehmenden Drucks optimistisch zeigt sich auch B. Braun-Geschäftsführer Christian Braun: “Der Standort Österreich ist aufgrund des hohen Ausbildungsstandes der Medizinprodukteberater und Anwender grundsätzlich sehr interessant, wenngleich die Branche in letzter Zeit gewisse Rückschläge hinnehmen musste.” Zusätzliche Abgaben wie die Medizinpro – duktevigilanzabgabe erhöhen den Kostendruck und den Verwaltungsaufwand – ein für den Standort Österreich sicherlich nicht förderliches Faktum. “Eine besondere Herausforderung, der sich die Medizinprodukteindustrie in den letzten Jahren stellen musste, sind auch die steigenden Rohstoffpreise und die zunehmende allgemeine Verteuerung”, ergänzt Braun. Egal ob Zellstoff für Verbandstoffe oder Öl für Kunststoffe: Die Preise aller Rohstoffe sind gestiegen, manche sogar exorbitant hoch. So haben sich die Latex- und Zellulosepreise seit Anfang 2009 beinahe verdoppelt. Hinzu kommen die stark steigenden Transportkosten. Da die meisten Rohstoffe ja aus Asien importiert werden, schlägt sich das durchaus zu Buche.
Mit den höheren Herstellkosten einhergehende Preisanpassungen seien daher unvermeidlich, meint Braun. Lösungen zu finden, die sowohl für Zulieferer als auch für Abnehmer von Medizinprodukten tragbar sind, sei oft schwierig, ergänzt Thomasberger.
Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklungen richten immer mehr Unternehmen ihren Fokus verstärkt auf die Auslandsmärkte: “Effiziente Standortsicherung heißt, die Nase vorn zu haben. Das gilt nicht nur für Österreich, sondern auch im globalen Kontext”, ist Hans Dietl, Geschäftsführer der Otto Bock Healthcare Products GmbH überzeugt.
Diesen Optimismus bestätigt auch eine von AUSTROMED beauftragte und vom Industriewissenschaftlichen Institut im Jahr 2007 durchgeführte Studie über die wirtschaftliche Bedeutung von Medizinprodukteunternehmen in Österreich (IWI-Studie): Rund zwei Drittel der befragten Unternehmen waren hier der Meinung, dass mittel- und osteuropäische Länder, Südostasien oder China in den kommenden Jahren für das Wachstum der österreichischen Medizinprodukteunternehmen an Bedeutung gewinnen werden. Großunternehmen schätzen dabei den Bedeutungsgewinn von Auslandsmärkten für das Wachstum überdurchschnittlich hoch ein, Kleinstunternehmen eher gering, denn schließlich bedarf es einer gewissen Mindestgröße, um sich am Auslandsmarkt behaupten zu können. Interessant ist die Prognose der kleinen, aber innovativen österreichischen Medizinprodukteunternehmen. Die Chance, auf dem Auslandsmarkt präsent bzw. in Zukunft noch präsenter zu sein, stufen sie sehr hoch ein.
Gehören Innovation und Forschung also zu den wichtigen Faktoren bei der Erschließung neuer Märkte? “Mit Sicherheit”, meint Thomasberger. Den Forschungsstandort Österreich weiter auszubauen, ist ein wesentlicher Faktor im Rahmen der Standortsicherung. Studien haben gezeigt, dass dieses Thema den Verantwortlichen ein Anliegen ist: Immer mehr finanzielle Mittel fließen in den Ausbau des FTI-Bereichs (Forschung, Technologie und Innovation). Mehr als die Hälfte der österreichischen Unternehmer, die vielfach auch auf entsprechende Fördermittel zugreifen, erwarten sich dadurch bessere Chancen auf den Märkten. “Effiziente Standortsicherung bedeutet auch, den Innovationsprozess voranzutreiben und die besten Köpfe an das Unternehmen zu binden”, bringt es Otto Bock-Geschäftsführer Hans Dietl auf den Punkt. Er weiß, wovon er spricht. Das Unternehmen präsentierte vor zwei Jahren eine Armprothese, die “fühlen” kann. Mit Weltklasse-Innovationen wie dieser untermauert Otto Bock seinen Ruf als “Apple der Orthopädietechnik”. Das Thema Innovation ist auch aus anderem Grunde interessant. Ist es doch jener Bereich der Medizinprodukteindustrie, mit welchem am ehesten das Interesse der Medien und seiner Konsumenten geweckt werden kann. Insbesondere die über die Fachkreise hinausgehende Kommunikation ist ein zunehmend wichtiger werdendes Instrument. Neben der Information der Ärzteschaft ist hier vor allem jene der Patienten wichtig, weil diese ja die eigentlichen Endnutzer der Medizinprodukte sind. Der neue Vorstandsvorsitzende des österreichischen Familienunternehmens Neuroth, Lukas Schinko, sieht vor allem in der Qualifikation und Weiterbildung seiner Mitarbeiter und den daraus resultierenden hochwertigen Produkten den wichtigsten Standortfaktor. Angst vor billigen Konkurrenzprodukten hat der Unternehmer nicht: “Hörgeräte sind höchst sensible und individuelle Produkte. Mit dem Erwerb eines solchen erhält der Käufer ein Stück Lebensqualität zurück. Den Kunden ist das bewusst und sie ziehen daher Billiglösungen nicht in Erwägung”, ist Schinko überzeugt. Neben Qualität ist auch Forschung für Neuroth ein wesentliches Instrument der Standortsicherung: “Unser Unternehmen ist Partner und Gründungsmitglied des Humantechnologie-Clusters Steiermark, einer Brücke zwischen universitärer Forschung und Unternehmen”, so Schinko. Ziel dieses Projekts, welches von zahlreichen Unternehmen und Institutionen – wie etwa Industriellenvereinigung Steiermark, Medizinische Universität Graz, Neuroth und anderen – getragen wird, ist die intelligente Vernetzung und Stärkung des internationalen Standortes Steiermark. In den kommenden Jahren sollen zu den bereits bestehenden 10.000 Arbeitsplätzen weitere 1.000 geschaffen werden.
Die Kooperationsbereitschaft innovativer Medizinprodukteunternehmen ist also ebenfalls ein wesentlicher Motor für die Erhaltung und den Ausbau von Standorten. Besonders gute Synergien ergeben sich insbesondere dort, wo innovative österreichische Medizinprodukteunternehmen mit Universitäten sowie Firmen aus anderen Branchen kooperieren. Größere Unternehmen tun sich nach wie vor leichter, mit Universitäten, Fachhochschulen und anderen Forschungseinrichtungen Kooperationen einzugehen. Erfreulicherweise gibt es aber auch Tendenzen – wie es das Beispiel des Humantechnologie-Clusters zeigt -, dass neben österreichischen Top-Unternehmen auch Erfolg versprechende, junge Start-ups derartige Chancen nützen.