Gesundheitskompetenz bedeutet die Fähigkeit, für eine persönliche Betroffenheit passende Gesundheitsinformationen und -angebote zu finden, verstehen, bewerten und anwenden zu können. Im Ergebnis zeigt sich das in Entscheidungen, die einen gesunden Lebensstil fördern und dazu Präventionsangebote nutzen. Tritt der Krankheitsfall ein, so sind gesundheitskompetente Bürger besser dran: Sie können auch hier bessere Entscheidungen treffen und mitunter rascher gesund werden. Wie es um die Gesundheitskompetenz der heimischen Bevölkerung bestellt ist und warum gute Gespräche zwischen Patienten und Gesundheitsdienstleistern wichtig sind, erklärt Mag. Dr. Christina Dietscher vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). Sie ist Vorsitzende der Österreichischen Plattform für Gesundheitskompetenz (ÖPGK).
Gesundheitskompetenz beginnt schon mit der Schulbildung. Die Schule sollte Kindern und Jugendlichen idealerweise ein Basiswissen über das österreichische Gesundheitssystem, über das Funktionieren des Körpers und über gesunde Lebensstile vermitteln. Und sie sollten Medienkompetenz und die Fähigkeit zum kritischen Hinterfragen von Informationen erwerben.
Für Lebensstilentscheidungen sind viele Alltagsinformationen bedeutsam, wie zum Beispiel Produktkennzeichnungen im Handel, aber auch Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung. Dazu gehören etwa betriebliche Informationsveranstaltungen, Menükennzeichnungen in der Kantine oder gemeinsame Trainings, die Bewegungskompetenzen vermitteln. Die Entscheidung zur Nutzung präventiver Angebote wird aktuell überwiegend den einzelnen Menschen überlassen. Hier könnten organisierte Präventionsprogramme – wie etwa Einladungssysteme für definierte Zielgruppen – entscheidend verbessert werden.
Behandlungsentscheidungen im Gesundheitssystem und das kompetente Selbstmanagement von Erkrankungen können durch mehrere Strategien verbessert werden. Ein zentraler Aspekt sind Schulungen von Gesundheitsdienste-Anbietern in guter Gesprächsqualität. Dazu unterstützt die ÖPGK mit Trainingsangeboten. Das trägt dazu bei, dass Ärzte und andere Gesundheitsberufe ihre Patienten kommunikativ gut abholen und dass vermittelte Inhalte gut verstanden werden.
Gesundheitskompetenz setzt auf andere Kompetenz auf. Sie erfordert gute Basisbildung und braucht ein Zusammenspiel von Akteuren aus unterschiedlichen Sektoren, einschließlich Bildung, Wissenschaft, Medien, Wirtschaft. Spezifisch im Gesundheitssystem braucht es ein Zusammenwirken der Systempartner Bund, Länder und Sozialversicherung, aber auch die Einbindung von Trägereinrichtungen und Gesundheitseinrichtungen, Aus-, Fort- und Weiterbildungseinrichtungen, Berufsverbänden und Angehörigen der Gesundheitsberufe.
Gesundheitskompetenz ist immer auch eine Frage des Vertrauens in Informationen. Kurzfristig mögen überredende, manipulative Kommunikationsstile erfolgversprechend sein. Aber mittel- und langfristig kann nur transparente, sachliche Kommunikation das Vertrauen aufrechterhalten.
Gesundheitskompetenz bedeutet, mit Gesundheitsinformationen und -angeboten kompetent umgehen zu können. Mit fortschreitender Digitalisierung verlagern sich immer mehr dieser Informationen und Angebote in die digitale Welt. Je mehr das der Fall ist, desto mehr setzt Gesundheitskompetenz digitale Kompetenz voraus.
Neben anderen Kompetenzen erfordert die Digitalisierung jedenfalls auch eine hohe kritische Gesundheitskompetenz, um mit der „Infodemie“, also der überbordenden Informationsfülle im Netz, zurechtzukommen, ohne Schaden zu nehmen.
Die Digitalisierung bietet mit Sicherheit einige Herausforderungen für die Chancengerechtigkeit in der Gesundheitskompetenz. Während sich viele Menschen bereits sehr selbstverständlich in der digitalen Welt bewegen und auch gut zwischen seriösen und zweifelhaften Informationen unterscheiden können, haben andere noch Berührungsängste oder Schwierigkeiten in diesem Bereich.
Daher müssen wir einerseits zweigleisig fahren und weiterhin auch analoge Informationen und Angebote bereitstellen. Zum anderen ist es wichtig, Menschen, die mit den digitalen Medien noch nicht auf „Du und Du“ sind, beim Erwerb der entsprechenden Kompetenzen zu unterstützen. Aber auch Gestalter digitaler Informationen und Angebote haben eine Verantwortung dafür, die User-Freundlichkeit der Angebote mitzudenken und Kriterien der guten Gesundheitsinformation in die Gestaltung ihrer Produkte einfließen lassen. Das erhöht die Therapietreue, aber auch die Erfolgserlebnisse der Gesundheitsdienste-Anbieter.
Insgesamt fehlt es in Österreich nach wie vor an Strategien zur Navigationsunterstützung im Gesundheitssystem. Das Finden der richtigen Anlaufstelle für ein Gesundheitsproblem bleibt herausfordernd – in diesem Bereich haben wir noch viel Arbeit vor uns.