Welchen Stellenwert Resilienz im Gesundheitswesen hat und warum es die Fähigkeit gerade in der Krise von enormer Bedeutung ist, beschreibt Mag. pharm. Richard Wosolsobe, Oberstapotheker, Direktion 8 – Militärisches Gesundheitswesen im Bundesministerium für Landesverteidigung.
Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen bedeutet für mich, dass eine entsprechende Grundversorgung zur Betreuung der Bevölkerung in Gesundheitsbelangen – auch bei krisenhaften Entwicklungen – sichergestellt ist. Im Sinne der Definition von „Gesundheitswesen“ verstehe ich darunter die Gesamtheit von Organisationen, Einrichtungen und Abläufen, welche die Gesundheit einerseits durch Prävention, andererseits durch Behandlung von Krankheiten und Verletzungen sicherstellt. In meiner beruflichen Situation als Militärapotheker des Bundesheeres bedeutet dies primär eine Beschaffungssicherheit mit Medizinprodukten für den Bedarf des Bundesheeres.
Medizinprodukte spielen im Rahmen der Versorgungssicherheit für eine medizinische Einrichtung eine entscheidende Rolle, da diese in allen Bereichen des Gesundheitswesens in den unterschiedlichsten Ausführungen, von einfach bis komplex, zur Anwendung kommen. Man könnte auch sagen: Ohne Medizinprodukte gibt es auch kein funktionierendes Gesundheitssystem.
Nein, durch die Pandemiekrise hat sich die Sichtweise grundsätzlich nicht verändert. Es hat sich allerdings gezeigt, wie schnell es zu Versorgungsengpässen an einfachen (alltäglichen) Medizinprodukten wie zum Beispiel medizinischen Einwegmaterialien, Beatmungsgeräten oder Schutzausrüstungen kommen kann, welche dann in weiterer Folge negative Auswirkungen auf das Gesundheitswesen haben, zumal die Pandemie eine globale Krise ist.
Ich würde die Versorgungssicherheit von Medizinprodukten, aber auch anderer Produkte anhand der Resilienz messen, sowohl als Organisation, in weiterer Folge regional (Land), gesamtstaatlich (Bund) und auf europäischer Ebene (Staatenverbund), als auch als Hersteller.
Hierbei sind meines Erachtens zwei Aspekte von Bedeutung: eine gewisse Autarkie im Eigenbereich und die genannte Resilienz, um rasch auf geänderte Situationen, ohne Qualitätsverlust im Gesundheitswesen, reagieren zu können.
Als Militärapotheker, in meiner Funktion als Referatsleiter im „Militärischen Gesundheitswesen“, einer der neuen Generaldirektionen des Bundesministeriums für Landesverteidigung, wirke ich bei den Versorgungsvorgängen für den Bedarf des Bundesheeres u. a. im Bereich von Medizinprodukten mit.
Die Sicherstellung der Versorgungssicherheit liegt in den strategischen Beschaffungsvorgaben, die aus laufenden Bedarfsbeurteilungen und Gesamtlagebeurteilungen resultieren.
Durch das Bundesheer selbst werden vier Sonderkrankenanstalten sowie ca. 60 Sanitätsdienststellen unterschiedlicher Größenordnung – einige auch im Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen – betrieben.
Ein Wunsch im Zusammenhang mit Versorgungssicherheit wäre, bei aktuellen Problemstellungen die Fachexperten aus dem militärischen Gesundheitswesen bei grundsätzlichen Entscheidungen, mit Auswirkung auf die medizinische Versorgungsicherheit, verstärkt einzubinden, wie zum Beispiel bei der Lagerstruktur oder dem Transport.
Im Zuge der Pandemie wurde besonders bei Medizinprodukten erkannt, wie schnell es zu Liefer- und damit in weiterer Folge zu Versorgungsengpässen kommen kann. Dadurch kam es bei allen Beteiligten – Bedarfsträgern und Herstellern – auf allen Ebenen zu Koordinierungen und Abstimmungen zwecks Erhöhung der Resilienz.
Ein wesentliches Ergebnis ist auch eine Umkehr von Just-in-time-Beschaffungen zu sogenannten gesamtstaatlichen „strategischen Bevorratungen“ von Medizinprodukten, die im Zuge der Pandemie als kritisch erkannt wurden bzw. künftig für das Gesundheitswesen in Krisen eine essenzielle Rolle spielen.
Es gibt nach wie vor einen hohen Koordinierungsbedarf sowie einen Austausch über vorhandene Kapazitäten (Lagerbestände) zwischen den Mitgliedsstaaten auf EU-Ebene. Dies ist vor allem im Hinblick auf die global vernetzten Liefer- und Produktionsketten erforderlich.
Nationale Alleingänge sowie überraschende Exportstopps, wie vor allem in der Anfangsphase der Pandemie, sollten im Vorfeld verhindert werden.
Es braucht auch eine Erleichterung von Diversifizierungen der Lieferketten bei Medizinprodukte-Herstellern im Hinblick auf das regulatorische Umfeld, ohne die die Sicherheit der Produkte zu gefährden.
Neben einer die Mitgliederstaaten übergreifenden Koordinierung und Abstimmung auf EU-Ebene wäre auf nationaler Ebene die Zusammenarbeit vor allem zwischen Ländern und Bund zu verbessern (Vermeidung innerstaatlicher Konkurrenz bei Beschaffungen in der Krise).
Die genaue Aufarbeitung der bisherigen „Lessons learned“ aus der SARS-CoV-2-Pandemie. Aufarbeitung der Prozesse im eigenen Umfeld und Abstimmung mit der nächsten Führungsebene.
Die Analyse und Optimierung der Prozesse im eigenen Bereich, im Zusammenhang mit Versorgungssicherheit von Medizinprodukten.
Eine erkennbare Umsetzung der genannten Punkte.