Innovative Medizinprodukte machen die Arbeit von Gesundheitsdienstleistern leichter und verbessern die Lebensqualität von Betroffenen. Doch wie wichtig ist Innovation auch im täglichen Arbeitsalltag der Medizinprodukte-Unternehmen?
Das Gesundheitswesen ist von kurzen Innovationszyklen und schnellen Veränderungen geprägt. Das Potenzial einer Organisation wie eines Spitals, aber auch eines Medizinprodukte-Betriebes, sich an diese veränderten Rahmenbedingen anzupassen, kann eine wichtige Quelle für Wettbewerbsvorteile sein. Anstatt sich dabei nur auf die Erfahrungen und Fähigkeiten des Topmanagements zu verlassen, kann auch die kollektive Intelligenz einer Organisation helfen, um schnell unkonventionelle und kreative Lösungen zu finden. FH-Prof. Dr. Teresa Spieß vom MCI, der unternehmerischen Hochschule in Innsbruck, hat untersucht, welche Strukturen es braucht, damit innovatives Arbeitsverhalten oder kreative Beiträge auch möglich sind.
Was sind innovative Verhaltensweisen am Arbeitsplatz?
Innovative Verhaltensweisen sind in der Organisationsforschung kein neues Thema. Daniel Katz hat beispielsweise schon 1964 geschrieben, dass eine Organisation, die sich ausschließlich auf Verhaltensvorgaben stützt, ein sehr fragiles soziales System ist. Obwohl diese These mittlerweile schon mehr als 60 Jahre alt ist, kommt ihr heute vielleicht noch höhere Relevanz zu.
Betrachtet man Verhaltensweisen in Organisationen, gibt es einerseits vorgeschriebenes Rollenverhalten, das sich zwischen unterschiedlichen Berufen, auch innerhalb einer Organisation unterschiedet. Sogenanntes Extrarollen-Verhalten andererseits umfasst Verhaltensweisen, die der Organisation zuträglich sind, die aber über dieses vorgeschriebene Rollenverhalten hinausgehen, wie beispielsweise freiwillige Mehrarbeit und Hilfeleistungen für Kollegen. Dazu gehören auch positive Kommunikation über die Organisation bei Dritten, freiwillige Weiterentwicklung von Fähigkeiten für den Beruf bzw. die Organisation oder eben innovative Verhaltensweisen, wie beispielsweise kreative Vorschläge zur Verbesserung einzubringen, zu vermarkten und umzusetzen.
Dieses Extrarollen-Verhalten wird üblicherweise weniger von Entlohnungssystemen berücksichtigt und kann vielleicht als zutiefst menschliches, soziales Verhalten betrachtet werden. Das ist vor allem auch spannend vor dem Hintergrund der Zukunft der Arbeitswelt und voranschreitender Automatisierung, da speziell diese Verhaltensweisen auch in der Zukunft ausschließlich von Menschen in Organisationen eingebracht werden können.
Wie sieht der „ideale“ innovative Mitarbeiter aus?
Im Gegensatz zum vorgeschriebenen Rollenverhalten kann Extrarollen-Verhalten wie innovatives Arbeitsverhalten wesentlich besser durch individuelle Unterschiede erklärt werden. Es ist also durchaus möglich, Individuen zu identifizieren oder Profile von Personen zu skizzieren, die mit größerer Wahrscheinlichkeit innovative Verhaltensweisen zeigen werden. Die individuelle Dimension allein ist allerdings kein Erfolgsgarant. Neben entsprechenden organisationalen Rahmenbedingungen können auch andere Einflussfaktoren dazu führen, dass diese Mitarbeiter keine solchen Verhaltensweisen zeigen. Die bisherige Forschung zeigt jedoch, dass es helfen kann, im Bewerbungsprozess speziell nach Menschen Ausschau zu halten, die ein hohes Level an Proaktivität und Offenheit für neue Erfahrungen zeigen und generell unterschiedliche Interessensgebiete angeben.
Welches Unternehmensumfeld benötigen diese Mitarbeiter?
Damit Mitarbeiter ihre innovativen Verhaltensweisen auch zeigen können, müssen Organisationen entsprechende Rahmenbedingungen dafür sicherstellen. Letztlich ist ein Umfeld, in dem Freiräume geschaffen werden, die nur durch wirklich wichtige und notwendige Auflagen eingeschränkt werden, sowie Aufgaben und Verantwortungsbereiche, die eine möglichst viel Flexibilität zulassen, am besten geeignet für das Ermöglichen innovativer Verhaltensweisen. Das mag in Bereichen, in denen Fehler zu schwerwiegenden Konsequenzen führen, wie etwa im Gesundheitswesen, schwieriger umzusetzen sein. Es ist jedoch jedenfalls einen Versuch wert, indem klar definierte, geschützte Räume geschaffen werden, in denen innovative Verhaltensweisen wertgeschätzt werden.
Braucht es eine kritische Betriebsgröße, um Innovation gezielt zu fördern?
Die bloße Anzahl der Mitarbeiter ist nicht ausschlaggebend dafür, ob es in einer Organisation zu innovativem Arbeitsverhalten kommt. Im Gegensatz dazu ist die grundsätzliche Haltung im Unternehmen hin zu einer Kultur der kollektiven Intelligenz relevant. Werden innovative Beiträge und Verhaltensweisen gefördert und geschätzt, werden sie sich mit der Zeit häufen. Ohne Unterstützung werden sich Mitarbeiter auch dann, wenn sie Fähigkeiten und Ideen haben, nicht einbringen und im schlimmsten Fall nach anderen Unternehmen suchen, in denen sie Ihre Ideen einbringen können. Also letztlich geht es um echte Einbindung – obwohl das nicht bedeutet, dass immer alle Ideen, die eingebracht werden, auch umgesetzt werden müssen. Aber an dieser Stelle muss es eine transparente und klare Kommunikation geben. Das mag für manche Unternehmen ohnehin schon selbstverständlich sein, bei anderen steht hier vielleicht an erster Stelle noch mehr Veränderung auf der Organisationsseite hin zu modernen agileren Strukturen.
Welche drei Empfehlungen aus Ihrer Forschungsarbeit haben Sie für Organisationen, die den Innovationsgeist fördern wollen?
- Bereits im Bewerbungsverfahren auf Proaktivität, Offenheit für neue Erfahrungen und vielschichtige Interessensgebiete der potenziellen Mitarbeiter achten;
- organisationale Strukturen bzw. geschützte Räume schaffen, die Innovativität erlauben und
- bisherige Rahmenbedingen überdenken und Veränderungsbereitschaft zeigen – zumindest an Stellen, wo Gefahr für schwerwiegende Konsequenzen gering ist.