Durch die zunehmende Inzidenz wie auch Prävalenz von Diabetes mellitus Typ 2 rücken die Spätkomplikationen zunehmend ins Zentrum. Aufgrund der Tatsache, dass die Grenzwerte für die Diagnosestellung des Diabetes mellitus über den signifikanten Anstieg mikrovaskulärer Komplikationen definiert wurden, scheint ein Effekt der blutzuckersenkenden Therapie auf mikrovaskuläre Komplikationen naheliegend. Demnach kann eine effektive blutzuckersenkende Therapie sowohl eine signifikante Reduktion der Retinopathie (relative Risikoreduktion, RRR 21 %) als auch eine signifikante Reduktion der Photokoagulationsraten (RRR 23 %) bewirken. Hinsichtlich der diabetischen Nephropathie kann das Auftreten einer Mikroalbuminurie signifikant reduziert werden. Bei derzeit noch nicht ganz eindeutiger Datenlage scheint auch eine Reduktion der terminalen Niereninsuffizienz möglich.
Abhängig vom Alter zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bewirkt Diabetes mellitus hauptsächlich aufgrund der makrovaskulären Komplikationen einen deutlichen Verlust an Lebensjahren. Der eindeutige Zusammenhang zwischen der Hyperglykämie und dem steigenden kardiovaskulären Risiko gilt heute als belegt. Steigt das HbA1c um 1 %, so erhöht dies das Risiko, an koronarer Herzkrankheit zu erkranken oder einen zerebralen Insult zu erleiden, um 18 %. Den Daten aus der Metaanalyse der Emerging Risk Factors Collaboration entsprechend, die an beinahe 700.000 Patienten erhoben wurden, haben an Diabetes mellitus erkrankte Patienten ein zweifach erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheit, Schlaganfall und Tod. Darüber hinaus stellt Diabetes mellitus Typ 2 einen wesentlichen Risikofaktor für rezidivierende Myokardinfarkte dar (45 % der an Diabetes mellitus Erkrankten vs. 19 % ohne Diabetes mellitus erleiden einen Rezidivinfarkt).
Bereits im Stadium der gestörten Glukosetoleranz ist der erhöhte Blutzucker in Kombination mit der arteriellen Hypertonie und der Hyperlipidämie wesentlich an der Progredienz der prämaturen Atherosklerose beteiligt. Beispielsweise korreliert die Nüchternglukose hervorragend mit der Zahl stenosierter Koronargefäße.
Für die neuen Substanzklassen (DPP-4-Hemmer, GLP-1-Analoga, SGLT-2-Hemmer) ist aufgrund der seit 2008 gültigen Vorschriften der Zulassungsbehörden eine Überprüfung der kardiovaskulären Sicherheit unabhängig von der Blutzuckersenkung erforderlich. Demnach wurden in der EXAMINE-Studie die Effekte von Alogliptin bei Patienten unmittelbar nach einem akuten Koronarsyndrom evaluiert. Unter einer Therapie mit Alogliptin wurde eine Ereignisrate (kardiovaskulärer Tod, nichtfataler Myokardinfarkt oder Insult) von 11,3 % vs. 11,8 % unter Placebo registriert und somit die kardiovaskuläre Sicherheit dieses Medikamentes demonstriert. Hinsichtlich des Auftretens von Herzinsuffizienz zeigte sich kein Unterschied zwischen Alogliptin oder Placebo.
Analog zur EXAMINE-Studie für Alogliptin wurde in TECOS die kardiovaskuläre Sicherheit von Sitagliptin dokumentiert.
Gegenüber EXAMINE und TECOS nimmt die SAVOR-TIMI 53-Studie eine besondere Position ein. Letztlich wurde in dieser Studie zwar die kardiovaskuläre Sicherheit von Saxagliptin dokumentiert, dennoch wurde unter dieser Therapie eine erhöhte Hospitalisierungsrate aufgrund von Herzinsuffizienz beobachtet (3,5 % vs. 2,8 %; HR 1,27; KI 1,07–1,51; p = 0,007).
Hinsichtlich der für die GLP-1-Analoga liegt mit der ELIXA-Studie eine neutrale Studie vor, welche die kardiovaskuläre Sicherheit von Lixisenatid dokumentiert. Im Rahmen der LEADER (Liraglutid)- als auch der SUSTAIN-6 (Semaglutid)-Studie konnten positive kardiovaskuläre Effekte von Liraglutid bzw. Semaglutid dokumentiert werden.
Besonders bemerkenswert sind die Daten der im September 2015 publizierten EMPA-REG OUTCOME®-Studie. Im Rahmen dieser Studie bewirkte der SGLT-2-Hemmer Empagliflozin im Vergleich zu Placebo zusätzlich zur bereits etablierten blutzuckersenkenden Therapie eine signifikante Reduktion des primären Endpunkts (kardiovaskulärer Tod, nichttödlicher Myokardinfarkt, nichttödlicher Insult) um 14 %. Im Vergleich zu den bisher durchgeführten Endpunktstudien zeigte sich bereits innerhalb weniger Monate ein positiver Effekt von Empagliflozin auf den kombinierten, kardiovaskulären Endpunkt.
Basierend auf den Resultaten der großen kardiovaskulären Endpunktstudien 2008 kann man davon ausgehen, dass bei bereits progredienter Atherosklerose eine intensivierte Senkung des Blutzuckers kaum eine wesentliche Reduktion makrovaskulärer Ereignisse erreichen kann. Eine frühe Diagnosestellung des Diabetes mellitus ist für die maximale Effektivität der blutzuckersenkenden Therapie zur Reduktion makrovaskulärer Ereignisse essenziell. In den kommenden Jahren sollte ein entsprechender Fokus auf das Screening gelegt werden und darüber hinaus sollten primär koronar kranke Patienten hinsichtlich des Vorliegens eines Diabetes mellitus untersucht werden.
Unabhängig von der Senkung des Blutzuckers ist die kardiovaskuläre Sicherheit mittlerweile für zahlreiche Substanzen in entsprechenden Studien eindeutig dokumentiert worden. Darüber hinaus bewirkt Empagliflozin bereits nach relativ kurzer Therapiedauer von nur wenigen Monaten eine imposante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse. Ganz rezent liegen nun auch für Liraglutid und Semaglutid positive kardiovaskuläre Endpunktstudien vor. Nicht zuletzt aufgrund der komplexen Pathophysiologie der Erkrankung muss davon ausgegangen werden, dass die Wertigkeit der einzelnen Defekte wohl individuell deutlich unterschiedlich ist. Die bereits propagierte Individualisierung der Therapie wird auch in Zukunft einen großen Stellenwert einnehmen und zu unterschiedlichsten Behandlungsstrategien führen.