Die Smartwatch als Blutdruckmessgerät, die neue Weste als Defibrillator; bald kommen die ersten Sensor-Pflaster in den Handel. Fakt ist, der Markt für Wearables boomt, allen voran der Markt für „mobile wie auch textile Healthcare Wearables“. Dient solch ein Gerät diagnostischen und therapeutischen Zwecken, benötigt es – wie jedes andere Medizinprodukt – eine CE-Zertifizierung.
Wearables sind mobile Computersysteme, die während der Anwendung am Körper der Benutzer befestigt sind und über eine Netzverbindung verfügen. Eine Vielzahl verschiedener gesundheitsbezogener Daten kann mit Wearables erfasst werden. Die Auswertung der Daten erfolgt sogleich in Echtzeit und kann live am Handy, der Smartwatch oder über das Tablet verfolgt werden. Die Daten werden zusätzlich online, meistens über Cloud-Lösungen, gespeichert und – gewollt oder nicht – an die Betreiber dieser Apps übermittelt.
Die Erfassung physiologischer Performancedaten ist seit jeher fester Bestandteil im Spitzensport. Apps und kompakte Smartwatches eröffneten diese Möglichkeiten auch dem breiten Publikum. Neueste Entwicklungen im Bereich Biosensoren und Labordiagnostik zeigen, wohin die Reise geht: weg von Ordinationen und Krankenhäusern, immer näher hin zum Patienten und Anwender. Die Erfassung von Daten soll unmittelbar beim Patienten erfolgen, die Auswertung der Daten zentral in Laboren, Krankenanstalten oder direkt beim behandelnden Arzt, in dessen Systemen sie verbunden sind.
Wearables sind längst nicht nur Lifestyle-Produkte, sondern stellen immer öfter komplexe Medizinprodukte dar. Die Frage, wann ein Wearable ein Medizinprodukt ist und wann nicht, ist anhand unionsrechtlicher Vorgaben zu beurteilen: Die maßgeblichen Bestimmungen finden sich in der Medizinprodukte-Richtlinie 93/42/EWG bzw. der neuen Medizinprodukte-Verordnung 2017/745/EU wieder.
Diese Richtlinie definiert Medizinprodukte als „alle einzeln oder miteinander verbundenen verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe oder andere Gegenstände, einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische und/oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen für folgende Zwecke bestimmt sind:
Der Medizinproduktebegriff der Richtlinie ist grundsätzlich weit gefasst. Daher stellt sich in der Praxis schon oftmals vor der Produktentwicklung bzw. im Rahmen der Produktideen die Frage, ob das geplante Produkt unter den Medizinproduktebegriff fällt oder unter, zum Beispiel, den Arzneimittelbegriff (sogenannte „borderline products“). Eine erste Abgrenzungshilfe bietet das Handbuch „Manual on Borderline and Classification in the Community Regulatory Framework for Medical Devices“ der Europäischen Kommission, das Abgrenzungshilfen vor allem anhand praktischer Beispiele aufzeigt.
Ist die Abgrenzung trotz der Guidelines nicht möglich, besteht die Möglichkeit, beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen ein Abgrenzungsverfahren einzuleiten, mit dem festgestellt wird, ob das Produkt unter den Medizinproduktebegriff fällt oder nicht. Die Kosten eines solchen Verfahrens betragen aktuell 2.546,- Euro zuzüglich Kosten für externe Gutachter.
Kommt man zu dem Ergebnis, dass das Wearable ein Medizinprodukt ist, so kann das Produkt nur dann in Österreich und in der Europäischen Union sowie in der Schweiz vertrieben werden, wenn es zuerst CE-klassifiziert wird. Die Medizinprodukte-Richtlinie kennt vier Risikoklassen beginnend bei I („niedriges Risiko“) bis hin zu III („hohes Risiko“).
Abhängig von der Klassifizierung muss man in der Folge ein Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, um das verpflichtende CE-Kennzeichen am Produkt anführen zu können. Bei Produkten der Risikoklasse I, worunter im Wesentlichen die meisten Wearables fallen (außer zum Beispiel eine Defibrillatoren-Weste: Klasse IIb), muss lediglich der Nachweis erbracht werden, dass das Wearable den Richtlinienanforderungen im Bereich Sicherheit, Biokompatibilität, Hautverträglichkeit, Leistungsdaten und der klinischen Wirksamkeit entspricht.
Schwieriger wird das Verfahren bei Wearables der Risikoklasse I mit Messfunktion und Produkten der Risikoklassen IIa/b bis III. Bei solchen Produkten muss die Prüfung mithilfe einer „Benannten Stelle“ erfolgen, das sind meist private, aber staatlich überwachte Prüfungsstellen, die mit der Durchführung von Prüfungen und der Erteilung von Bescheinigungen im Konformitätsbewertungsverfahren beauftragt sind. In Österreich ist momentan keine Benannte Stelle tätig, das Zulassungsverfahren kann daher bei Produkten der Risikoklassen I mit Messfunktion und Produkten der Klassen II bis III nur in Zusammenarbeit mit Benannten Stellen in anderen europäischen Ländern erfolgen.
Das Konformitätsbewertungsverfahren kann sehr zeit- und kostenaufwendig sein. Folgende Schritte sind notwendig: