Medizinprodukte stellen den höchsten Anteil der täglichen Lieferungen an das österreichische Gesundheitswesen dar. Dabei liegt die durchschnittliche Lieferzeit bei zwei bis drei Tagen. „Vielen unserer Kunden fehlt es an ausreichend Lagerfläche vor Ort, weshalb ‚Delivery on Demand‘ den aktuellen Standard beschreibt. Diesen kontinuierlichen Warenstrom aufrechtzuhalten, entspricht unserem Verständnis von Versorgungssicherheit“, bringt es Dipl. BW Christian Braun, Vizepräsident der AUSTROMED und Sprecher der Arbeitsgruppe Health Care Compliance, auf den Punkt. Die Nähe zum Kunden, um Produktumstellungen zu koordinieren sowie Mengenanpassungen zeitgerecht zu erkennen, ist dabei eine der Hauptaufgaben der Medizinprodukte-Unternehmen.
Umgekehrt beutet Versorgungsicherheit für Lieferanten aber auch, dass sie vonseiten der Kunden eine gewisse Abnahmesicherheit erwarten. „Lieferverträge sind unverbindlichen Rahmenvereinbarungen oder dynamischen Beschaffungssystemen aus Sicht der Versorgungssicherheit vorzuziehen“, sagt Braun. Die Pandemie hat aufgezeigt, dass dieser kontinuierliche Warenstrom ins Stocken kommen kann, und zwar binnen weniger Tage. „Sogar innerhalb weniger Stunden waren bestimmte Produktgruppen in einen europäischen oder globalen Lieferengpass geraten“, erinnert sich das AUSTROMED-Vorstandsmitglied.
Zeitgerechte, transparente und lösungsorientierte Kommunikation zu den beschaffenden Stellen im Gesundheitswesen unterstützt, deren Versorgungsauftrag zu gewährleisten. „Partnerschaftliches Agieren anstelle von Misstrauen und Schuldzuweisung ist der zukünftige Garant für Sicherheit“, ergänzt Braun.
Pufferlager auf Kundenseite sowie eine sehr gute Abstimmung zwischen Industrie und Verbraucher führen zu einer hohen Vorhersagegenauigkeit für die produzierenden Werke. Österreich steht bei vielen Artikeln in einem internationalen Wettbewerb von Marktattraktivität. „Wir müssen Österreich im globalen Wettbewerb der Märkte attraktiv halten“, ist Braun überzeugt, um möglichen Versorgungsengpässen vorzubeugen. Hier spricht der Experte aus eigener Erfahrung, denn gute Planungsprozesse für die Liefer- und Produktionsketten zu etablieren ist sein täglich Brot. Treten dann – so wie in der Pandemie – unerwartete Lieferengpässe auf, muss eine gerechte, flächendeckende Zuteilung von Artikeln und Ersatzprodukten gewährleistet sein. „Die letzten Monate haben gezeigt, dass intensive Abstimmung und lösungsorientiertes Arbeiten in der Krise zu einer klaren Verbesserung zwischen Lieferanten und Verbrauchern geführt haben“, beschreibt er die Entwicklung.
Positive Entwicklungen rund um Versorgungssicherheit ortet Braun in Einzelfällen: „Wir sehen einen Trend hin zu regionalen Notfall-Lägern durch einzelne Träger des Gesundheitswesens. Auch Überlegungen zu lokalen Produktionsstätten für Hochrisikoprodukte sehe ich als interessanten Aspekt zu diesem Thema. Wir beobachten auch ein Umdenken im Beschaffungsprozess, wenn Zuschläge nach dem Billigstpreis-Konzept durch mehr nachhaltigere Versorgungsvereinbarungen ersetzt werden.“ „Faire Preise“ führen hier zu einer Win-win-Situation, die schlussendlich die Versorgung von Patienten sichert.
Optimierungspotenzial gibt es noch aufseiten der Gesundheitsdienstleister, wo derzeit ein einheitliches oder abgestimmtes Vorgehen nicht erkennbar ist. Ein nationaler Masterplan wäre ein guter erster Schritt, denn unkoordiniertes Beschaffen einzelner Interessensgruppen führt weiterhin zu einer Schieflage der Verfügbarkeiten über das Bundesgebiet. Damit „Versorgungssicherheit“ gelingen kann, braucht es für Braun einen klaren Weg: „Wir müssen einen nationalen Masterplan etablieren, in dem versorgungsrelevante Produktgruppen festgelegt sind. Dann müssen regionale Lagerorte für diese versorgungskritischen Artikel geschaffen werden. Es braucht jedenfalls eine hohe, durchgängige Bereitschaft für nachhaltige Notfallversorgungskonzepte im Gesundheitswesen.“