Während sich Palliativmedizin auf die „aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer progredienten, weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu der Zeit, in der die Erkrankung nicht mehr auf kurative Behandlung anspricht und die Beherrschung der Schmerzen, anderer Krankheitsbeschwerden, psychologischer, sozialer und spiritueller Probleme höchste Priorität besitzt“, konzentriert, widmet sich die Notfallmedizin der „Erkennung und Behandlung drohender oder eingetretener Notfallsituationen“. Diese Notfallsituation kann aber auch für Palliativpatienten eintreten, zum Beispiel dann, wenn die Beschwerden unerwartet deutlich zunehmen oder es zu einer Überforderung von Angehörigen und Pflegenden kommt.
So sind es immer häufiger auch Notärzte des Rettungsdienstes und die erstversorgenden Ärzte eines Krankenhauses, die Palliativpatienten versorgen. Mit den angemessenen und früh gesetzten Palliativmaßnahmen haben sie auch in diesem Setting die Möglichkeit, die Lebensqualität ihrer Patienten deutlich zu verbessern. Die Basis einer Palliativbetreuung umfasst die rasche Symptomkontrolle und psychosoziale Hilfe und damit auch die Vermeidung von unnötigen Krankenhaus- und Intensivaufenthalten.
Rettungseinsätze bei Palliativpatienten haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Derzeit erfolgen geschätzte drei bis fünf Prozent aller Einsätze bei Palliativpatienten. Laut einer Befragung unter Wiener Rettungsärzten im Rahmen des Projektes „Palliative Care im Wiener Rettungsdienst“ sind die häufigsten Berufungsgründe Schmerzen, respiratorische Probleme, Unruhe, Angst und die Überforderung der Angehörigen und Pflegenden. Leider sind die Patienten selbst oft nicht mehr in der Lage, ihre Wünsche zu äußern und so stellt der Informationsmangel in einer Situation, in der rasch eine grundsätzliche Entscheidung für die weitere Behandlung getroffen werden muss, das größte Problem für die Notärzte dar. Als weitere Herausforderung wird der richtige Umgang mit Angehörigen genannt. Diese sind im Idealfall die besten Informationsgeber, manchmal ist es aber den Angehörigen gar nicht bewusst, dass der Patient in Palliativbetreuung ist oder keine lebensverlängernden Maßnahmen gewünscht wurden. Überforderung, Hilflosigkeit und Angst beeinflussen oft die Kommunikation zwischen dem Rettungsteam und den Angehörigen. Juristische Aspekte können die Notärzte vor weitere Schwierigkeiten stellen. Der Wunsch des Patienten ist Gesetz, aber eine Patientenverfügung fehlt oft oder ist in der Notfallsituation nicht rasch auffindbar. Auch vorhandene Patientenverfügungen sind in der Realität oft nicht brauchbar, da sie auf die jeweilige Notfallsituation nicht zutreffen, unklar formuliert oder nicht aktuell sind. Die Information durch Angehörige über die Wünsche des Patienten ist zwar oft hilfreich, rein rechtlich aber nicht zulässig. Oft bleibt nur der Weg ins Krankenhaus. Laut Angaben der Wiener Rettungsärzte werden ungefähr zwei Drittel aller Palliativpatienten und Patienten in der Sterbephase in ein Krankenhaus transferiert. Als Gründe dafür werden der Wunsch der Angehörigen oder des Patienten nach einer Aufnahme im Krankenhaus oder die fehlenden Möglichkeiten zur Symptomkontrolle vor Ort angegeben.
Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Betreuung von Palliativpatienten durch Notärzte und Sanitäter könnte in einer Kombination aus Patientenverfügung und einem persönlichen Notfallplan der betreuenden Palliativstation oder der betreuenden Ärzte liegen. Diese an einem gut sichtbaren Bereich in der Wohnung des Patienten angebracht, kann als wertvolle Basisinformation zur Einschätzung der Situation durch das Rettungsteam dienen. Trotzdem bleibt natürlich die individuelle Beurteilung durch die Notärzte und Sanitäter, die besondere Kenntnisse auf medizinischer und kommunikativer Ebene voraussetzt. Mehr Information über palliativmedizinische Therapien abseits der Notfallalgorithmen und eine offene Diskussion über das Thema werden von den Rettungsteams sehr begrüßt.
In den erstversorgenden Stationen eines Krankenhauses sieht man sich bei der Betreuung von Palliativpatienten mit ähnlichen Problemen konfrontiert, wobei man einen besseren Zugang zu Information und Ressourcen hat als die Notärzte im prähospitalen Bereich. Auch im Krankenhaus gilt es zunächst, die Basisversorgung mit Symptomkontrolle und Schmerzbehandlung sicherzustellen, es folgt das Einholen von Informationen über die Situation des Patienten und die psychosoziale Betreuung der Angehörigen. Der weitere Betreuungsplan sollte besprochen, unnötige Therapien limitiert werden. Studien haben gezeigt, dass die Lebensqualität von Palliativpatienten in spezialisierten Palliativstation und Hospizen wesentlich höher ist als im Krankenhaus, ein möglicher Transfer dahin sollte daher frühzeitig diskutiert und geplant werden. Adressen findet man zum Beispiel über die Internetseiten der Palliativnetzwerke. Internationale Leitlinien über die Versorgung von Palliativpatienten in der Notfallaufnahme gibt es leider nur wenige. Das American College of Emergency Physicians hat kürzlich ein Informationsblatt zu diesem Thema veröffentlicht, in dem die Aktivierung von vorhandenen innerklinischen und externen Ressourcen als eine der wichtigsten Säulen genannt wird. Dazu gehören die internen und externen Palliativstationen, falls vorhanden ein Palliativteam, multidisziplinäres Schmerzteam, psychologisch/psychiatrische Unterstützung, eine religiöse Vertrauensperson oder ein Sozialdienst. Eine weitere Leitlinie inklusive einem Vorschlag zu einem möglichen Algorithmus wurde vom Kompetenznetzwerk „Improving Palliative Care in Emergency Medicine“ unter http://www.capc.org/ipal/ipal-em veröffentlicht.
Für Patienten, die am Ende ihres Lebens sind, sollte ein würdevolles Sterben ohne verlängertes Leiden und ein respektvolles Begleiten, Aufklären und Unterstützung der Angehörigen die wichtigste Aufgabe der Notfallaufnahme sein.