DGKS Karin Meyer, M. Ed., Fachschwester für Kontinenzund Stomaberatung am Klinikum Klagenfurt, erläuterte, worauf es bei der Versorgung von Hautirritationen im peristomalen Bereich ankommt: „Im Bereich der Haut kann es zu einer Reihe von peristomalen Defekten kommen. Diese reichen von einfachen Rötungen über erosive, nässende Epidermisdefekte, ulzerativ nekrotisch fi brinöse Läsionen mit tiefl iegendem Substanzverlust bis hin zu proliferativen Prozessen im Sinne einer Hyperplasie, Granulombildung oder Neoplasmen.“
Am Beginn steht das gewissenhafte Assessment. Die Kontinenzund Stomaberaterin erhebt mittels standardisierter, teilstandardisierter oder nicht standardisierter Methoden wesentliche Informationen rund um die Betroffenen und deren Probleme. Das Problem als solches wird erhoben, eingeschätzt, beurteilt und die gesammelten Daten werden interpretiert. „Selbst- und Fremdeinschätzung können voneinander abweichen, somit sollten neben unstandardisierten Methoden auch standardisierte Assessments wie Einzel-Item-Messung oder Skalen zur Anwendung kommen. Ergänzt werden diese Methoden von einschlägigen Screening- und Diagnoseverfahren“, weiß Meyer. Der Aufwand ist offensichtlich groß, jedoch lohnenswert, denn die exakte Skalierung, Klassifizierung und Beurteilung des Ist-Zustandes hat einen wesentlichen Einfluss auf die Pflegeplanung und die Interventionsentscheidung. „Dabei ist das systematische, einheitliche und strukturierte Vorgehen von Bedeutung und stellt die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen sowie die Evaluation des Verlaufes sicher“, ergänzt die Expertin.
Da es in der Zwischenzeit Scores zur Einschätzung der Hautprobleme im peristomalen Bereich gibt, sollten diese auch angewendet werden. Aus dem Ergebnis des Scores und ihrem pflegefachlichen Wissen leitete die Kontinenz- und Stomaberaterin schließlich die jeweils individuelle Maßnahme für die Betroffenen ab. „Tragfähige Klassifizierungssysteme müssen immer standardisiert sein, eine Validitäts- bzw. Zuverlässigkeitsprüfung eingeschlossen. Sie müssen durch klare Definitionen praxistauglich sein und dennoch der Komplexität der Anforderungen gerecht werden“, ist Meyer überzeugt.
Das „European Pressure Ulcer Advisory Panel“ (Europäisches Beratungsgremium für Dekubitus) wurde bereits im Dezember 1996 in London gegründet. Es ist eine internationale Vereinigung von Pflegewissenschaftlern, Pflegepraktikern und Ärzten aus verschiedenen Professionen mit dem Ziel, die Dekubitusforschung voranzutreiben und Betroffene, Ärzte und Pflegepersonen aufzuklären und zu beraten. Dieses Gremium entwickelte eine Stadieneinteilung von Hautdefekten, die auch bei der Beurteilung peristomaler Hautprobleme zur Anwendung kommen kann (sh. Kasten).
Zur Verfügung stehen der DET-Score und der SACS-Score. Die Verbreitung der beiden Scores ist im deutschen Sprachraum noch nicht sehr ausgeprägt und leider fehlen auch einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen dazu. SACS™ steht für „Studio Alterazioni Cutanee Stomali“ (Studie über peristomale Hautläsionen). Die SACS™ Klassifikation wurde von Stomatherapeuten und Chirurgen in Italien entwickelt. Der Hintergrund lag im Fehlen eines einheitlichen Systems zur objektiven Beurteilung von peristomalen Hautläsionen. Der SACS-Score klassifiziert die Art der Läsion sowie deren Lokalisation in Relation zum Stoma. Das dreischrittige Verfahren umfasst die Klassifikation der Hautläsion, die Topografie und die Dokumentation.
Der DET-Score wurde durch eine Gruppe von Pflegewissenschaftlern in Dänemark entwickelt und unterstützt die Einschätzung und Erhebung von Risikofaktoren. Konkret beurteilt der DET-Score den Zustand der peristomalen Haut in den Kategorien: Hautverfärbung, Erosion und Gewebewucherung. Dabei werden alle drei Bereiche jeweils mit maximal 3 Punkten für die Größe und maximal 2 Punkten für den Schweregrad beurteilt – damit ergibt sich: 0 = bester / 15 = schlechtester Score (= Wert). Über einen Diagnose-Guide werden die peristomalen Hauterkrankungen nach ihren Ursachen kategorisiert. Zu den weiteren allgemeinen Schritten gehören die Beschreibung der Wunde und Präventionsmaßnahmen.
Die häufigsten Ursachen für Komplikationen im peristomalen Bereich sind: ein falsches Handling der Stomaversorgung, ein zu groß gewählter Stomadurchmesser, eine zu lange Tragezeit der Versorgung und eine Stomaversorgung, die der Körperform nicht angepasst ist. „Wichtige Voraussetzungen für den Versorgungserfolg sind in diesem Zusammenhang eine sorgfältige individuelle Anleitung, die konsequente Überprüfung der angelegten Versorgung, die Suche nach den individuell bestmöglichen Versorgungsmöglichkeiten, die ausreichende Vorabinformation über auftretende Probleme mit der Stomaversorgung, Beutelversorgung“, so Meyer. Auch Veränderungen in der Stomaumgebung können zu Hautproblemen führen und nicht zuletzt Störungen aufgrund veränderter Nahrungsaufnahme. „Hier sollte nicht vergessen werden, dass es in der Regel drei bis sechs Monate dauert, ehe ein Patient an diese völlig neue und auch psychisch durchaus belastende Lebenssituation adaptiert ist,“ ergänzt die Expertin. Eine wenig erfreuliche Ursache ist die unzureichende Stomaversorgung. Stomata können etwa „kippen“ und damit die Versorgung erschweren. Nicht zuletzt wird regelmäßig versucht, Betroffene in Patientenschulungen mit ihrer neuen Lebenssituation und dem Umgang damit vertraut zu machen. Allergien sind – trotz der fortlaufenden Bemühungen der Industrie um entsprechende hypoallergene Materialien – eine potenziell auftretende Reaktion. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass multimorbide Patienten hinsichtlich der Entwicklung von Allergien anders reagieren als Gesunde. „Nicht immer leicht abgrenzbar ist der Bereich der tatsächlichen Allergie von einer reaktiven Hautreizung im Sinne eines Kontaktekzems. Ursächlich in Betracht kommen für allergische Reaktionen zum Beispiel Bestandteile der Beutelfolie, Klebeflächen, Hautpflegemittel, Gürtel oder Konservierungsmittel in Reinigungsmitteln“, erklärt Meyer.