Rund 1,7 Millionen Österreicher leiden an chronischen Schmerzen. Gerade die ältere Generation ist oft aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen nicht mehr fähig, Schmerz zu äußern oder nimmt den Schmerz als “gottgewollt” hin. Das hat weitreichende Folgen für die Lebensqualität. Die SeneCura Gruppe, privater Betreiber von mehr als 60 Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen in Österreich und der Schweiz hat diesen Umstand zum Anlass genommen, kürzlich gemeinsam mit der Paracelsus Medizinischen Universität ein Projekt zu Schmerzerkennung, -management und -vermeidung bei älteren Menschen zu starten. Unter dem Titel “Schmerzfreies Pflegeheim” erfolgt erstmals eine österreichweite wissenschaftliche Evaluierung des Schmerzmanagements in Pflegeheimen.
Studien gehen davon aus, dass 60 bis 80 Prozent der Pflegeheimbewohner mit chronischen Schmerzen kämpfen und dass ein großer Teil von ihnen keine adäquate Therapie erhält, da ihre Schmerzen oft nicht erkannt werden und die Schmerzstärke generell unterschätzt wird. “Ältere Schmerzpatienten zeigen oft eine negative Einstellung zum Alter, sind niedergeschlagen und pessimistisch und können den Alltag nur schwer bewältigen. Schmerz hat großen Einfluss auf das Wohlfühlen, deshalb ist Schmerzfreiheit unser Schwerpunkt der nächsten Jahre”, erklärt Prof. Rudolf Öhlinger, Geschäftsführer von SeneCura.
“Im Durchschnitt dauert es 2,5 Jahre, bis die Diagnose chronischer Schmerz feststeht und eine optimale Therapie einsetzen kann. Durch eine angemessene, den Erkenntnissen der modernen Schmerztherapie entsprechende Behandlung können bei vielen Betroffenen vermeidbare Schmerzen erspart und vorhandene Schmerzen gelindert werden”, ist Univ.-Prof. DDr. Jürgen Osterbrink, Vorstand des Instituts für Pflegewissenschaft an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg und wissenschaftlicher Projektleiter von “Schmerzfreies Pflegeheim” überzeugt. In dem dreijährigen Forschungsprojekt werden vorerst in zwölf SeneCura-Häusern in ganz Österreich das bestehende Schmerzmanagement und seine Effizienz evaluiert. “Denn neben einer systematischen Schmerzerfassung und Dokumentation ist eine enge interdisziplinäre Kommunikation unverzichtbare Voraussetzung zur Umsetzung einer optimalen Schmerztherapie”, so Osterbrink.
Nach einer Analyse der Ausgangssituation in den SeneCura- Häusern werden Optimierungspotenziale abgeleitet, daraus erfolgt die Planung und Durchführung von Interventionen und die Evaluation der Situation nach der Intervention. “Die Schmerzerfassung ist der erste wesentliche Schritt für die Einleitung angemessener schmerztherapeutischer Interventionen. Hier ist zu bedenken, dass ältere Menschen im Pflegeheim teilweise unter kognitiven Einschränkungen leiden. Gerade bei dementen Bewohnern kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie ihren Schmerz selbst einschätzen und beschreiben können”, erklärt Osterbrink. Daher wird im Rahmen der Studie eine Stichprobe mit Pflegenden und Bewohnern anhand quantitativer Instrumente zu Schmerz befragt und gleichzeitig werden schmerzrelevante medizinische Daten erhoben. Die Datenerhebung beinhaltet Selbst- und Fremdeinschätzungen, und auch die Beobachtung durch das Projektteam. Berücksichtigt werden die Anonymität der Teilnehmer, ihre informierte Zustimmung, die Freiwilligkeit, das Recht auf Abbruch der Teilnahme sowie der Schutz vor Schäden. Die Teilnehmer sind älter als 60 Jahre, nehmen Langzeitpflege in Anspruch, sind nicht in akuten Erkrankungssituationen oder geistig mehrfach behindert.
Im Jänner 2012 will SenaCure einen hochkarätig besetzten Schmerzbeirat konstituieren, um nicht nur die Ergebnisse der Studie adäquat umzusetzen, sondern auch die Lebenssituation der Bewohner nachhaltig zu verbessern. Auch die Qualifikation der SeneCura-Mitarbeiter ist ein wichtiger Teil des Projektes: So werden 100 SeneCura-Mitarbeiter zu speziellen “Pain Nurses” ausgebildet und die pflegerischen Kompetenzen im Schmerzmanagement verbessert. Neue Tools zur Schmerzerfassung und -dokumentation werden eingeführt und maßgeschneiderte Schmerztherapien je nach Bedarf der Bewohner entwickelt. Einige SeneCura-Häuser werden als Lehrheime das erworbene Wissen weitertragen.