“Die Industrie arbeitet unermüdlich an Fortschritten und Verbesserungen. Damit unsere Kunden von der neuesten Technik optimal profitieren können, müssen wir wissen, was sie kann, wie sie arbeitet und wo der größte Nutzen liegt”, betonte Martin Blecker, Vorsitzender der EUHA (Europäische Union der Hörgeräteakustiker e.V.). Daher wird beim EUHA-Kongress jedes Jahr auch immer großer Wert auf die Industrieausstellung gelegt, an der heuer rund 110 Aussteller teilnahmen. Weiters standen Kongressvorträge von mehr als zwanzig nationalen und internationalen Experten, ein Roundtable-Gespräch sowie fünf Workshops auf dem Programm. Ein Blick auf die Highlights zeigt, welches Innovationspotenzial in der Branche steckt:
Direktionalität wird beim Hören von Sprache im Störgeräusch eingesetzt, bietet jedoch keinen Nutzen, wenn das Sprachsignal nicht vor dem Zuhörer platziert wird, der Abstand zum Gesprächspartner zu groß ist und der Störschall nicht hinter dem Hörsystemträger liegt.
Innovativer Lösungsansatz: Im Bereich von Hörsystemen bietet die digitale drahtlose Übertragung neue Lösungsansätze für dieses Problem. Eine neue Möglichkeit ist das Mini-Mikrofon, das die 2,4 GHs-Wireless-Technologie verwendet und in einer aktuellen Studie validiert wurde. Das Sprachverstehen wurde mit Dantale II im Störschall gemessen, um den Nutzen des Mini-Mikrofons ohne die Mikrofone sowie mit den Mikrofonen der Hörsysteme zu ermitteln. Darüber berichteten Charlotte T. Jesperson, M.A. und Marit C. Clausen, M.A. aus Ballerup, Dänemark. Alle Probanden der Studie waren erfahrene Hörsystemträger und trugen Mini-HdOs mit geschlossenen Otoplastiken und Venting abhängig vom Hörverlust. Das beste Sprachverstehen im Störschall wurde durch das reine Mini-Mikrofon-Signal erreicht, gefolgt vom kombinierten Gebrauch des Mini-Mikrofons mit aktiven Mikrofonen in den Hörsystemen.
Die Therapiemöglichkeiten bei einseitiger Taubheit waren bislang auf eine CROS-Hörgeräteversorgung mit konventionellen oder Knochenleitungshörgeräten auf dem tauben Ohr beschränkt. Mit modernen Cochlea-Implantaten ist es möglich, das Gehör erstaunlich gut wiederherzustellen, berichtete Prof. Dr. Joachim Müller, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde in München.
Mit modernen CI-Systemen ergibt sich die Möglichkeit, bei einseitiger Normalhörigkeit das taube Ohr mit einem Cochlea-Implantat zu versorgen. Die bislang versorgten Patienten profitieren, so Müller, von einem hohen Sprachverständnis auf dem CI-Ohr, das gut mit dem Normalgehör der Gegenseite harmoniert. Damit erleben die Patienten im täglichen Leben einen räumlichen Höreindruck, selbst Sprachverstehen im Störschall wird nachhaltig verbessert und das Richtungsgehör wieder hergestellt. Subjektiv wird von den Patienten von einer deutlichen Zunahme der Hörqualität berichtet.
Der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier, Wissenschaftlicher Leiter des Hörzentrums Oldenburg, ging der Frage nach, wie zukünftige Hörgerätegenerationen den natürlichen, ohne Hörstörung zu erwartenden Höreindruck beim individuellen Patienten wiederherstellen können. Der Experte lieferte einen Überblick über Ansätze zur modellbasierten Hörgerätefunktion: Aufgrund individuell angepasster Parameter wird die Differenz zwischen tatsächlicher und “gewünschter” interner Repräsentation des eingehenden Signals laufend ermittelt, um die gestörten Hörfunktionen mit dem Hörgerät gerade ausgleichen zu können.
Mögliche Optimierungskriterien sind dabei empfundene Lautstärke, subjektiver Klangeindruck und berechnete Sprachverständlichkeit auch unter komplexen, binauralen Bedingungen.