Medizinprodukte spielen nahezu bei jeder Diagnose und Therapie eine zentrale Rolle. Mehr als 10.000 Produktfamilien und über 500.000 verschiedene Artikel machen eine Gesundheitsversorgung ohne diese Produkte praktisch unmöglich. Aus dieser Vielfalt – vom Pflaster bis zum Computertomografen – erklärt sich auch, warum es verschiedene Risikoklassen gibt. Sie hängen davon ab, wie hoch das Risiko bei der Anwendung am Patienten ist – das heißt zum Beispiel, dass bei einem Herzschrittmacher die Risikoklasse naturgemäß höher ist als bei einem Urinbeutel.
Die Regeln zur Klassifizierung sind detailliert im Anhang IX der EU-Richtlinie 93/42/EWG festgelegt. Die Anwendung der Klassifizierungsregeln richtet sich nach der Zweckbestimmung der Produkte (und liegt daher in der Verantwortung des Herstellers).
Für die Zulassung hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entscheiden, dass keine zentralen behördlichen Stellen die Zulassung übernehmen, sondern eine privatwirtschaftlich agierende „Benannte Stelle“. Medizinprodukte sind heterogener, haben kurze Innovationszyklen und eine andere Wirkweise als Arzneimittel. Die MDR und IVDR haben die Ansprüche an die Benannten Stellen verschärft und der Umfang der klinischen Bewertung oder der technischen Dokumentation ist sprunghaft angestiegen.
Die Anforderungen, die diese „Benannten Stellen“ erfüllen müssen, sind mit den neuen EU-Verordnungen massiv angestiegen. Um als Benannte Stelle anerkannt zu werden, ist ein Verfahren erforderlich, das über viele Monate andauern kann. Laut Verordnung muss „ausreichend administratives, technisches und wissenschaftliches Personal … mit einschlägiger klinischer Erfahrung“ vorhanden sein. Nur wenige privatwirtschaftliche Unternehmen können die finanziellen und personellen Ressourcen dafür bereitstellen.
Die Verordnungen verlangen, über den gesamten Zulassungsprozess von Medizinprodukten hochqualifizierte Mitarbeiter einzusetzen. Sowohl Behörden als auch Betriebe und Forschungseinrichtungen suchen daher am Arbeitsmarkt nach den – ohnehin nicht ausreichend vorhandenen – Experten.
Weniger Benannte Stellen und eine höhere Anzahl an Produkten, die den Prozess durchlaufen müssen, werden zu Wartezeiten führen. Daher wird es für viele Produkte länger dauern, bis sie auf den Markt kommen. Manche Unternehmen, für die der Aufwand nicht mehr leistbar ist, werden keine neuen Produkte auf den Markt bringen können.