Zulassungsverfahren bringt keinerlei Sicherheitsgewinn

Fast ein Jahr ist es her, dass der Skandal rund um die minderwertigen Brustimplantate des französischen Herstellers PIP für Schlagzeilen sorgte. Was dieser Vorfall für weitreichende Folgen mit sich bringt, hat sich im Juni dieses Jahres in einer konsolidierten Fassung des Entschließungsantrags des Europäischen Parlaments manifestiert. Dieser Entschließungsantrag ist für die Kommission zwar nicht bindend, gibt aber eine Richtung vor. Ein Vorschlag der Kommission für die Überarbeitung des regulatorischen Rahmens für Medizinprodukte wird in Kürze erwartet.

Der Antrag, der am 17. Juni im Plenum im Straßburg beschlossen wurde, hat für die Medizinprodukte-Branche vor allem in einem Punkt weitreichende Folgen: Die Europäische Kommission wird darin aufgefordert, bei Medizinprodukten der Klassen IIb und III auf das System einer Zulassung vor dem Inverkehrbringen um­zustellen.

Nach Meinung der AUSTROMED ist aber gerade diese Pre-Market-Authorisation nicht geeignet, um derartige Fälle zu verhindern. Ganz Europa, speziell Österreich, verfügt bereits heute über eine gesetzliche Marktzugangsregelung für Artikel der Medizinprodukte-Branche, die nachweislich ein hohes Maß an Sicherheit bietet. Diese sehr hohen rechtlichen Anforderungen an Qualität und Sicherheit sind mit denen der Arzneimittelzulassung vergleichbar, wobei auch das strengste Zulassungsverfahren nicht vor kriminellen Machenschaften, wie im Falle der Brustimplantate, schützen kann.

Weiters ist zu bedenken, dass die Adaption eines Pharma-ähnlichen Zulassungssystems nicht auf die unterschiedlichen Innovationszyklen von medizinischen Produkten eingeht und auch nicht zu einer Erhöhung der Patientensicherheit führen wird. Vielmehr kann es zu einer jahrelangen Verzögerung bei der Verfügbarkeit von medizintechnischen Lösungen und einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Innovation im Vergleich zu anderen Regionen kommen.

Weitaus sinnvoller wäre es, die bestehenden Rechtsvorschriften auszuschöpfen, die Kontrolle der staatlichen Überwachungsbehörden besser zu koordinieren und den Informationsaustausch unter den Behörden zu verbessern. Auch das Erfassen und Analysieren von Meldungen über Vorkommnisse mit Medizinprodukten in einer zentralen, europaweiten Datenbank wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Dadurch kann beispielsweise die Nachverfolgbarkeit von Implantaten durch eine eindeutige Identifikation und Erfassung gewährleistet werden. Die EU-weite Einführung des UDI-Systems könnte hierfür zusätzlich genutzt werden.

Es wird ein heißer Herbst – wir können nur hoffen, dass die Verantwortlichen der EU-Kommission kühlen Kopf bewahren und die beste Entscheidung für die Medizinprodukte-Branche und die Patienten treffen.

Ihr
Philipp Lindinger
Geschäftsführer AUSTROMED