Trotz unbestreitbarer Fortschritte in Diagnostik und Therapie haben Patienten mit Diabetes mellitus (Typ 1 und Typ 2) immer noch eine deutlich beschleunigte Atherogenese und damit ein hohes Risiko, ein akutes atherothrombotisches Ereignis wie etwa einen Myokardinfarkt, ischämischen Insult oder eine periphere arterielle Thromboembolie zu erleiden. Dabei sind auf Basis einer rupturierten atherosklerotischen Plaque letztendlich hämostatische Vorgänge für die Okklusion des betroffenen Gefäßes verantwortlich. An diesen hämostatischen Vorgängen sind einerseits plasmatische Vorg.nge wie Gerinnung und Fibrinolyse und andererseits zelluläre Prozesse wie Thrombozytenaktivierung, Thrombozyten EndothelzellInteraktionen, aber auch die Aktivierung von Monozyten/Makrophagen beteiligt.
Sowohl Insulinresistenz wie auch Hyperglykämie führen zur Beeinflussung unterschiedlichster Parameter der Hämostase (Tab. 1). So führen beispielsweise beide Noxen zu einer vermehrten Expression von Plasminogenaktivatorinhibitor-1 (PAI-1). Dieses Glykoprotein aus der Gruppe der Serin proteinaseinhibitoren hemmt den Tissue Plasminogen Activator (tPA) und damit die Fibrinolyse. Die PAI-1-Konzentration stellt zum Beispiel einen Risikomarker für das Auftreten von Myokardinfarkten bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) dar.
Bei insulinsensitiven Personen kann Insulin über eine Rezeptorinteraktion an Thrombozyten die thrombozytenstimulierenden Effekte einer Reihe von Agonisten, wie z. B. Adenosindiphosphat (ADP) antagonisieren. Dieser Effekt wird jedoch bei Vorliegen einer Insulinresistenz nicht mehr beobachtet (Trovati & Anfossi, J Diabetes Complications 2002).
Eine akute Hyperglykämie, wie sie z. B. im postprandialen Zustand bei Patienten mit Diabetes beobachtet wird, führt zu einer weiteren Aktivierung der bei Diabetes bereits praktizierten Thrombozyten (Gresele et al., J Am Coll Cardiol 2003). Ebenso wird dabei eine akute Steigerung der Gerinnungsaktivität und Reduktion der Fibrinolyse beobachtet (Übersicht in: Ceriello, Eur Heart J 2005; Ceriello, Diabetes 2005).
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass Insulinresistenz, akute Hyperglykämie wie auch Glykierungsprozesse bei Patienten mit Diabetes mellitus ein „proatherothrombotisches“ Milieu schaffen, in dem nach der Ruptur einer atherosklerotischen Plaque durch die Aktivierung von Thrombozyten, der Gerinnung und auch durch die Hemmung der Fibrinolyse Entstehung und Ausmaß einer Atherothrombose gefördert bzw. aggraviert werden.
Ein wünschenswerter Hinweis auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Insulinresistenz und Hyperglykämie einerseits und Aktivierung der Hämostase andererseits wären kontrollierte Interventionsstudien. Diese existieren für viele Facetten dieses komplexen Geschehens. So kann bei Personen mit abdomineller Adipositas (und damit Insulinresistenz) durch Gewichtsverlust die Thrombozytenaktivierung reduziert werden (Russo et al., Obesity 2010). Sportliche Aktivität führt zwar akut zu einer Aktivierung der Hämostase, langfristig allerdings zu einer Verbesserung (Lippi & Maffulli, Semin Thromb Hemost 2009).
Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes besteht grundsätzlich ein enger Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Thrombozytenaktivierung und der glykämischen Kontrolle (Demirtunc et al., J Diabetes Complications 2009). Ebenfalls konnte gezeigt werden, dass eine Verbesserung der Glykämie durch antihyperglykämische Therapie zu einer Verbesserung der Thrombozytenaktivierung bei Typ-2-Diabetes führt (Hara et al., Transl Res 2012).
Dass nicht nur das generelle Ausmaß der Hyperglykämie, sondern auch die postprandiale Hyperglykämie per se eine Rolle spielt, konnte die Arbeitsgruppe von A. Ceriello in unterschiedlichen Arbeiten zeigen. Dabei resultierte eine Verminderung der postprandialen Hyperglykämie durch Acarbose oder Insulin in einer Verminderung der hämostatischen Alterationen (Ceriello et al., Diabetologia 1996; Ceriello et al., Diabet Med 2004).
In einer rezent veröffentlichten Analyse der BARI-2D Studie (Sobel et al., Circulation 2011) konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und KHK durch eine Therapiestrategie, welche die Insulinresistenz verbessert, im Vergleich zu einer Strategie, die das Insulinangebot steigert, die Fibrinolyse verbessert und die Inflammationsaktivität gesenkt werden kann (Abb. 1).In der CHIPS-Studie (Vivas et al., Heart 2011) konnte gezeigt werden, dass eine intensive Blutzuckerkontrolle bei Patienten mit Typ-2- Diabetes, die wegen eines akuten Koronarsyndroms hospitalisiert wurden, im Vergleich zu einer konventionellen Therapie die Reaktivität von Thrombozyten reduziert (Abb. 2).
Zu guter Letzt muss im Zusammenhang des Themas die Frage aufgeworfen werden, ob es substanzspezifische Effekte einzelner Antidiabetika gibt, die über einen Effekt auf die Glykämie (nüchtern und postprandial) hinausgehen.
In einer nicht verblindeten Studie wurde der Effekt von Gliclazid und Glibenclamid auf PAI-1 und Thrombozytenfunktion untersucht (Konya et al., Metabolism 2010). Dabei konnte gezeigt werden, dass offenbar Gliclazid, möglicherweise auf Basis seiner antioxidativen Eigenschaften, in der Lage ist, beide Parameter zu verbessern. Im Vergleich zwischen Gliclazid und Metformin existieren andererseits Daten, die nahelegen, dass Metformin hinsichtlich des Effektes auf die Thrombozytenaktivierung überlegen sein könnte (Formoso et al., Diabetes Metab Res Rev 2008).
Sowohl für Metformin wie auch für Pioglitazon existieren außerdem Daten, die eine Verbesserung hämostatischer Parameter zeigen – allerdings niemals kontrolliert für Effekte auf die Insulinresistenz bzw. die glykämische Kontrolle.