Beeinflussung metabolischer Parameter durch körperliche Aktivität

In der Prävention kardiometabolischer Erkrankungen nehmen Lebensstilempfehlungen – und dabei insbesondere Maßnahmen zur Steigerung der körperlichen Aktivität – eine zentrale Rolle ein (ADA, Standards of Medical Care, Diabetes Care 2015). Unter dem Begriff der körperlichen Aktivität wird grundsätzlich ein Verhalten definiert, bei dem durch Bewegung ein Energieverbrauch erreicht wird, der über dem Ruhegrundumsatz liegt (LaMonte et al., J Appl Physiol 2005). Körperliches Training beinhaltet das Ziel, die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Entsprechend den Ergebnissen von Einzelstudien (Keadle et al., Appl Physiol Nutr Metab 2014) und Metaanalysen bewirkt bereits ein Wechsel von körperlicher Inaktivität zu einem Aktivitätslevel von 30 Minuten Spazieren pro Tag (1.100 kcal/Woche) eine Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen um rund 20 % (Sattelmair et al., Circulation 2011).
In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden die publizierten Daten zur Einflussnahme der körperlichen Aktivität auf Muskel- und Fettgewebe, die Insulinsensitivität, die glykämische Kontrolle und den Lipidmetabolismus überblicksmäßig dargelegt.

Muskelgewebe

Körperliche Aktivität führt über komplexe strukturelle und biochemische Mechanismen im Muskelgewebe zu günstigen metabolischen Auswirkungen (Tab. 1). Die Skelettmuskulatur ist grundsätzlich für rund 80 % der peripheren Glukoseaufnahme verantwortlich (Löllgen et al., Internist 2012).
Die Muskelfaserkontraktion im Rahmen der körperlichen Aktivität bewirkt vor allem eine verstärkte Translokation von Glukosetransportermolekülen (GLUT-4) sowie im Kapillarsystem eine vermehrte Aktivierung der Triglyzeridlipase und der NO-Synthase mit günstigen Effekten auf den Lipidmetabolismus und die endotheliale Funktion (Wernhart et al., Herz 2015). Darüber hinaus konnte unter körperlichem Training eine Ausschwemmung von endothelialen Progenitorzellen aus dem Knochenmark beobachtet werden (Laufs et al., Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 2005). Wesentlichen Einfluss hat die körperliche Aktivität auf die endokrine Aktivität des Muskelgewebes und damit auf das Verteilungsmuster der Myokine bzw. Adipo-Myokine (Raschke et al., Mediators of Inflammation 2013). Die Myokinsekretion unterliegt großteils der Regulation durch die Muskelfaserkontraktion. Zu den Myokinen zählen unter anderem Irisin, Myonectin, Apelin, Interleukin-(IL-)6 und TNF-alpha, VEGF, IGF und PGC-1 alpha (Gamas et al., J of Diabetes Research 2015). Myokine beeinflussen über Interaktionen mit weiteren Organsystemen, wie vor allem Leber, Pankreas und Fettgewebe, die Insulinsensitivität und weisen darüber hinaus neuroprotektive, neuroregenerative sowie antiosteoporotische Effekte auf.

Hinsichtlich der klinischen Effekte konnte bei nichtdiabetischen adipösen Patienten nachgewiesen werden, dass durch ein Ausdauertrainingsprogramms die Expression des Myokins Apelin im Skelettmuskelgewebe ansteigt (Besse-Patin et al., Int J Obes 2014). Das im Zentralnervensystem und einer Reihe von peripheren Geweben exprimierte Peptid Apelin zeigt antidiabetische und antiadipöse Effekte (Castan-Laurelle et al., Endocrine 2011). Ein weiteres kürzlich entdecktes Peptidhormon ist Irisin, das durch Ausdauertraining aus dem Muskelgewebe freigesetzt wird und im weißen Fettgewebe „Beiging“ induziert (Boström et al., Nature 2012).

Fettgewebe

Allgemein bewirkt die körperliche Aktivität in einem entsprechenden zeitlichen Ausmaß und einer relevanten Intensität eine Abnahme der Fettmasse und insbesondere eine Verringerung des viszeralen Fettanteils (Goedecke et al., Med Sport Sci 2014).
Im weißen Fettgewebe führt die regelmäßige körperliche Aktivität zu einer Abnahme der Zellgröße und des Lipidgehalts der Adipozyten sowie zu einer Zunahme der mitochondrialen Aktivität (Stanford et al., Diabetes 2015). Training verändert im weißen Fettgewebe die Expression unterschiedlicher Genorte und resultiert so in Veränderungen des Phänotypus der Adipozyten („Beiging“). Die vermehrte Expression von Uncoupling Protein (UCP) 1, einem Marker des braunen Fettgewebes, bewirkt eine Steigerung der Thermogenese und damit des Energieverbrauchs (Stanford et al., Diabetes 2015).

Eine Reihe klinischer Untersuchungen konnte aufzeigen, dass regelmäßige körperliche Bewegung zur einem Anstieg antiinflammatorischer und einer Reduktion proinflammatorischer Zytokine führt (Golbidi et al., J of Diabetes Research 2014). Die Modulation der Adipozytokinsekretion im Rahmen von Bewegungsprogrammen korreliert mit der Verbesserung der Insulinsensitivität. So konnte bei adipösen Männern durch eine Gewichtsreduktion in Folge einer gesteigerten körperlichen Bewegung eine deutlichere Verbesserung der Insulinsensitivität, Abnahme der subklinischen Inflammation und Einflussnahme auf das Adipokinprofil innerhalb eines Zeitraums von 24 Wochen beobachtet werden als unter reinen Diätmaßnahmen mit einer Einschränkung der Energiezufuhr um 500 kcal (Khoo et al., Int J Sport Nutr Exerc Metab 2015).

Insulinsensitivität und glykämische Kontrolle

Aus klinischen Untersuchungen ist bekannt, dass bei Inaktivität, wie krankheitsbedingter Bettruhe, innerhalb weniger Tage eine deutliche Verringerung der Insulinsensitivität zu beobachten ist (Roberts et al., Medicine&Science in Sports&Exercise 2013). Muskuläre Tätigkeit verbessert kurz- und langfristig die Insulinsensitivität (Blüher et al., Dtsch Med Wochenschr 2010). Körperliches Training zeigt günstige Effekte auf das Myokin- und Adipozytokinsekretionsmuster und bewirkt eine Steigerung der Expression von GLUT-4 und der Insulinrezeptoren sowie eine Aktivitätszunahme der Proteinkinase und der Glykogensynthase (Tab. 1).
Im Rahmen von kontinuierlichen Glukosemessungen bei nichtdiabetischen Probanden fand sich eine deutliche Korrelation zwischen dem körperlichen Aktivitätsgrad und dem Ausmaß der postprandialen Hyperglykämie (Mikus et al., Med Sci Sports Exerc 2012). Bei zunächst körperlich inaktiven Typ-2-Diabetikern konnte aufgezeigt werden, dass die postprandialen Blutzuckerwerte im Rahmen von Trainingsprogrammen um 25–30 % abnehmen (Mikus et al., Diabetologia 2012).
Als besonders vorteilhaft gilt die Kombination von Ausdauer- und Widerstandstraining. Widerstandstraining erhöht die Muskelmasse und intensiviert möglicherweise dadurch die günstigen metabolischen Effekte der körperlichen Aktivität. Bei Typ-2-Diabetikern resultierte die Kombination von Ausdauer- und Widerstandstraining innerhalb eines Zeitraums von 9 Monaten in einer Reduktion des HbA1c-Wertes um ca. 0,34 % (Church et al., JAMA 2010).
Die HART-D-(Health-Benefits-of-Aerobic-and-Resistance-Training-in-Individuals-With-Type-2–Diabetes-)Studie untersuchte die Auswirkung von kombinierten Trainingsprogrammen auf verschiedene metabolische Parameter (Pandey et al., Diabetes Care 2015). Unabhängig vom erreichten Trainingseffekt („fitness responder“ und „non-responder“) fand sich bei den 202 Studienteilnehmern eine signifikante Verbesserung des HbA1c-Wertes (–0,26 %) und eine Reduktion des Taillenumfangs (–2,6 cm und –1,8 cm).
Unerwartete Ergebnisse zeigte die Look-AHEAD-Studie, an der über 5.000 übergewichtige oder adipöse Typ-2-Diabetiker teilnahmen (Look AHEAD Research Group, N Engl J Med 2013). Im Interventionsarm mit optimierter Umsetzung der Lebensstilempfehlungen fand sich innerhalb eines Zeitraums von 9,6 Jahren zwar eine deutlichere Gewichtsabnahme sowie Reduktion des HbA1c-Wertes und weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren, jedoch keine Verringerung der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität im Vergleich zur Kontrollgruppe. Im Rahmen der Diskussion wurde jedoch von den Autoren der Studie auf den Umstand hingewiesen, dass das zum Teil intensivere medikamentöse Management, wie die Verordnung von Statinen, in der Kontrollgruppe bei der Analyse der Ergebnisse berücksichtigt werden muss.

 

 

Lipidmetabolismus

Einzelstudien und Meta-Analysen bestätigen den günstigen Effekt von körperlicher Aktivität auf den Lipoproteinmetabolismus (Tab. 2). Zur Einflussnahme auf das atherogene Lipoproteinprofil trägt die Verbesserung der Insulinsensitivität im Rahmen von Bewegungsprogrammen mit einer Zunahme von HDL-Cholesterin und einer Reduktion von kleinen dichten LDL-Partikeln wesentlich bei (Kraus et al., N Engl J Med 2002). Entsprechend den Daten aus Meta-Analysen bewirkt die regelmäßige körperliche Bewegung einen Anstieg des HDL-Cholesterins um rund 4,3 % (Kraus et al., Obesity 2009). Körperliche Aktivität führt darüber hinaus zu einer Reduktion der postprandialen Hyperlipidämie. Als zugrundeliegende Mechanismen werden die Modulation der Aktivität der hepatischen Lipase, eine Steigerung der oxidativen Metabolisierung von lang- und mittelkettigen Fettsäuren, die Reduktion der Ceramidproduktion, Steigerung der mitochondrialen Aktivität und ein Anstieg der muskulären Lipoproteinlipase angeführt (Kraus et al., Obesity 2009).

 

 

Fazit

Die vorliegenden Studienergebnisse unterstreichen die komplexen günstigen metabolischen Effekte von Bewegungsprogrammen. Empfehlungen zur körperlichen Aktivität sind deshalb von grundlegender Bedeutung, sowohl in der Prävention des Typ-2-Diabetes als auch im umfassenden Behandlungskonzept. Im Hinblick auf die Zeitdauer anhaltend günstiger metabolischen Effekte der Bewegung sollte nicht länger als an 2 konsekutiven Tagen auf körperliche Aktivität verzichtet werden.