Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Als Österreichische Diabetes Gesellschaft hoffen wir natürlich, dass dies auch neuen Schwung in die Umsetzung der Diabetesstrategie bringt. Diese sieht neben präventiven Maßnahmen auch den Ausbau und die Weiterentwicklung des Disease-Management-Programms vor. Verankert in der Diabetesstrategie wurde 2017 auch, dass evidenzbasierte medizinische Leitlinien „als Grundlage für die Arbeit mit an Diabetes erkrankten Menschen“ dienen. Eine uneingeschränkte Umsetzung der evidenzbasierten Leitlinien ist aufgrund der Refundierungssituation derzeit nicht möglich, obwohl durch die Reduktion von Folgeerkrankungen und/oder Therapiekomplikationen mit verminderten Gesamtkosten zu rechnen ist. Enthalten in der Diabetesstrategie ist auch ein Bekenntnis zu evidenzbasierter Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Hinsichtlich des Disease-Management-Programms „Therapie Aktiv“ fordert die ÖDG seit langem nicht nur den Ausbau, sondern auch eine zeitgemäße Adaptierung mit Implementierung einer zweiten Versorgungsebene.
Laut einer rezenten Auswertung („Therapie Aktiv“ – Diabetes im Griff, Auswertung 2019, Competence Center Integrierte Versorgung) werden derzeit etwa 85.000 Menschen mit Diabetes von 1.833 „Therapie Aktiv“-Ärzten österreichweit betreut. In der Langzeitevaluierung wurde das Outcome von rund 7.000 Menschen mit Diabetes mit jenem von Patienten verglichen, die nicht im DMP betreut wurden. Auffällig ist, dass nur eine sehr geringe Anzahl von Patienten eine Kombinationstherapie oder Insulintherapie aufwiesen, sodass davon auszugehen ist, dass vorwiegend Patienten mit kurzer Diabetesdauer und eher geringer Komorbiditätsrate eingeschlossen werden. In der Langzeitevaluierung zeigte sich eine reduzierte Gesamtmortalität der im DMP betreuten Patientengruppe, die auch mit geringeren Gesamtkosten verbunden war. Letzteres war hauptsächlich auf reduzierte Kosten für stationäre Behandlungen zurückzuführen. Eine an die Langzeitauswertung angeschlossene Kurzzeitauswertung brachte ähnliche Resultate hinsichtlich Mortalität. Zudem zeigte sich, dass augenärztliche Untersuchungen ebenso wie HbA1c-Bestimmungen häufiger bei im DMP behandelten Menschen mit Diabetes durchgeführt wurden.
Diese Auswertung unterstreicht die Forderung der ÖDG nach einer Ausweitung und strukturellen Adaptierung des DMP sehr deutlich. Es zeigt aber auch die Limitationen des derzeitigen Systems auf: Nur rund 10 % aller Menschen mit Diabetes werden in Österreich derzeit von „Therapie Aktiv“-Ärzten betreut. Eine Versorgungslücke im niedergelassenen Bereich besteht sichtlich auch für Patienten mit komplexeren Therapieschemata oder Multimorbidität. Diesen Patienten bleibt derzeit oftmals nur der Weg in überfüllte Spitalsambulanzen.
Als Fachgesellschaft hoffen wir für unsere Patienten auf einen neuen und raschen Anlauf in der Umsetzung der Diabetesstrategie und freuen uns auf einen konstruktiven Dialog mit allen neuen Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik.