Besonders erfreulich ist die Entwicklung bei Typ-1-Diabetes: In der DCCT/EDIC-Studie lag die ESRD-Inzidenz nach 22 Jahren bei 0,5–1,1 Fällen pro 1.000 Patienten und Jahr (DCCT/EDIC Research Group, N Engl J Med 365:2366, 2011), in einer populationsbasierten Kohortenstudie aus Schweden nach 30 Jahren bei 2,5–4 % (Möllsten et al., Diabetes 59:1803, 2010). In Österreich liegt der Anteil der Typ-1-Diabetiker an der Hämodialyse nur noch bei 2 % (Kramar & Oberbauer, ÖDTR-Jahresbericht 2010). Es ist zu erwarten, dass Typ-1-Diabetes als Grund für die Zuweisung zur Nierenersatztherapie bis auf Einzelfälle völlig an Bedeutung verlieren wird. Auch bei Typ-2-Diabetes ist die Zahl der inzidenten Patienten an der Nierenersatztherapie in Österreich zwischen 2004 und 2010 um mehr als ein Viertel zurückgegangen, allerdings stellen Patienten mit Typ-2-Diabetes noch immer 26 % der Neuzugänge.
Dass Nephropathie bei Diabetes häufig kein nierenspezifisches Phänomen ist, sondern Ausdruck einer generalisierten Gefäßerkrankung, zeigt aktuell eine prospektive Kohortenstudie aus Taiwan, in der die Prävalenz und die Progression der chronischen Nierenerkrankung mit dem metabolischen Syndrom und der Insulinresistenz korrelierten (Cheng et al., J Clin Endocrinol Metab 2012 Feb 15 [Epub ahead of print]). Vor allem bei Patienten mit Typ-2-Diabetes gilt überdies, dass Albuminausscheidung und reduzierte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) voneinander unabhängige Erscheinungsformen der Nephropathie kennzeichnen. So haben nur 30 % der Patienten mit Typ-2-Diabetes und Mikroalbuminurie eine noduläre Glomerulosklerose als typisches Merkmal der diabetischen Nephropathie; bei 40 % finden sich unspezifische Befunde und bei weiteren 30 % sogar eine weitgehend unauffällige Histologie (Fioretto et al., Diabetologia 41: 233, 1998).
In einer aktuellen italienischen Querschnittsstudie (RIACE) bei mehr als 15.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes waren schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse stärker mit einer reduzierten GFR (interessanterweise schon bei errechneten GFR-Werten < 78 ml/min/1,73 m2) assoziiert als mit Albuminurie (≥ 10,5 mg/24 h), was wiederum auf den systemischen Charakter der vaskulären Schädigung hinweist. Schwieriger zu interpretieren ist die Beobachtung, dass koronare Ereignisse stärker mit der GFR, zerebrovaskuläre und peripher vaskuläre Ereignisse hingegen stärker mit der
Albuminurie korrelierten. Die schlechteste Prognose hatten erwartungsgemäß Patienten mit Albuminurie und reduzierter GFR (Solini et al., Diabetes Care 35:143, 2012).
Neue Daten gibt es auch zum Effekt der glykämischen Kontrolle auf die kardiovaskuläre Mortalität bei dialysepflichtigen Diabetespatienten. In einer Observationsstudie mit über 54.000 Teilnehmern hatten jene Patienten die beste Überlebensprognose, deren HbA1c im Beobachtungszeitraum von 6 Jahren durchschnittlich zwischen 7 % und 8 % (53–64% mmol/mol) lag (Ricks et al., Diabetes 61:708, 2012). Inwieweit medikamentöse Effekte (insbesondere Hypoglykämien) für die höhere Mortalität bei Patienten mit niedrigerem HbA1c verantwortlich waren, ist aus den Analysen nicht ablesbar. Wir wissen aber, dass ein Drittel der regulatorischen Glukoseproduktion bei abfallendem Blutzucker in den Nieren stattfindet (Cersosimo et al., Diabetes 49:1186, 2000) und dass Dialysepatienten auch im Hinblick auf Hypoglykämien ein Hochrisikokollektiv darstellen.
Insgesamt können wir ein äußerst positives Resümee ziehen: Dass bei steigender Diabetesprävalenz und allgemein längerer Diabetesdauer die Häufigkeit des terminalen Nierenversagens bei unseren Patienten absolut und auch relativ zu anderen Grunderkrankungen zurückgeht, ist ein Erfolg, den die Diabetologie mit gutem Recht für sich in Anspruch nehmen kann und der die Bedeutung unseres Fachs im Kreis der internistischen Disziplinen unterstreicht.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Guntram Schernthaner