Session OP09; Chair: J. J. Meier
Semaglutid ist das erste GLP-1-Analogon, das sowohl oral (1-mal täglich) als auch subkutan (1-mal wöchentlich) zur Verfügung stehen wird. Im Rahmen des EASD wurden aktuelle Daten der Entwicklungsprogramme „PIONEER“ (oral) und „SUSTAIN“ (subkutan) vorgestellt: Orales Semaglutid war dabei unabhängig von der Diabetesdauer immer gleich wirksam und konnte das HbA1c um bis zu 2,3 % in der Subgruppe mit dem höchsten Ausgangs-HbA1c (> 9 %) senken. Der Effekt wird zum Teil auch durch eine Verzögerung der Magenentleerung unmittelbar nach der Einnahme bewirkt. Subkutanes Semaglutid (wöchentlich) war deutlich wirksamer als Liraglutid (täglich) in Bezug auf HbA1c-Senkung und Gewichtsreduktion und in dieser Hinsicht ebenfalls deutlich effektiver als der SGLT2-Hemmer Canagliflozin.
E. Zijlstra; OP 31, Abstract #184
Dance 501 ist ein neues inhalatives Humaninsulin, das in einem 10-stündigen Clamp-Experiment mit Insulin lispro bei 22 Nichtrauchern mit Typ-2-Diabetes verglichen wurde. Dance 501 zeigte in unterschiedlichen Dosierungen einen rascheren Wirkbeginn (mediane Differenzen: 6,5–20 Minuten, p < 0,02) und eine stärkere Insulinwirkung während der ersten Stunde nach Verabreichung (mediane relative Differenzen: 45–107 %, p < 0,05). Es kam zu keinen relevanten Nebenwirkungen wie Husten oder Veränderungen in der Spirometrie. Somit zeigte Dance 501 einen raschen Wirkbeginn und einen guten glukosesenkenden Effekt ohne relevante Nebenwirkungen und könnte in Zukunft eine interessante Alternative zu subkutanen Insulinbolusgaben darstellen.
G. Höskuldsdottir, Session OP16, Abstract #91
Bariatrische Chirurgie ist seit vergangenem Jahr in den Leitlinien der American Diabetes Association (ADA) als Therapieoption bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und einem BMI > 35 kg/m² enthalten. Ob bariatrische Chirurgie auch bei Typ-1-Diabetes einen Vorteil hat, ist bisher nicht bewiesen. In einer schwedischen Registerstudie wurden insgesamt 387 Patienten mit Magenbypass und Typ-1-Diabetes eingeschlossen und mit gematchten Kontrollen verglichen. Es zeigten sich keine Unterschiede in der Gesamtsterblichkeit (p = 0,06), allerdings deutlich weniger kardiovaskuläre Ereignisse (HR 0,48; p = 0,0256) und weniger Schlaganfälle (p = 0,0265) sowie eine niedrigere kardiovaskuläre Mortalität (p = 0,0321) in der bariatrischen Gruppe; hinsichtlich der Herzinfarktrate wurde kein Unterschied zwischen den Gruppen dokumentiert (p = 0,1991). Im Gegensatz dazu zeigten sich in der bariatrischen Gruppe eine signifikant erhöhte Hyper- (p = 0,0300) und eine numerisch höhere Hypoglykämierate. Zu Limitationen dieser Studie zählen die fehlende Dokumentation des Gewichtsverlaufs und der Verwendung von Insulinpumpen.
Zusammenfassend zeigen sich Vorteile hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse und kardiovaskulärem Tod bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und bariatrischer Chirurgie, jedoch ein höheres Hyper- sowie Hypoglykämierisiko.
Session S14; Chair: P. Narendran
Für die SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin, Empagliflozin, Canagliflozin und Sotagliflozin zeigen Studien positive Effekte auf HbA1c, Insulinbedarf und Gewicht bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1. SGLT-2-Hemmer erhöhen jedoch das Risiko von potenziell gefährlichen Ketoazidosen. Daher wurden Empfehlungen inklusive Checkliste, Patienteninformation und -schulung zum sicheren Einsatz der Substanzen bei Typ-1-Diabetes erarbeitet und präsentiert (Danne et al., Diabetes Care 2019). Für die Beurteilung möglicher kardiovaskulärer und renaler Effekte der SGLT-2-Hemmer auch bei Diabetes mellitus Typ 1 ist die Studienlage noch nicht ausreichend.
S. Mutter, Session 10; Abstract #56; Tofte N, Session 10, Abstract #57
Gleich 2 große Studiengruppen präsentierten beim EASD ihre Daten zu Biomarkern bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 und diabetischer Nephropathie. In der FinnDiane-Population konnte durch die Bestimmung von Metabolomics (niedermolekulare Stoffwechselverbindungen in einem biologischen System) im Harn die Progression der Albuminurie besser vorhergesagt werden. In einem dänischen Typ-1-Diabetes-Kollektiv zeigte sich eine Korrelation typischer Serummetabolomics mit Vorhandensein und Progression der diabetischen Nephropathie.
Bedeutung für die Praxis: Eine bessere Charakterisierung der diabetischen Nephropathie beim Typ-1-Diabetes wird dazu beitragen, Patienten mit einem hohen Risiko für die Progression der Erkrankung zu identifizieren und Präventionsbemühungen zu unterstützen. Die Bestimmung von Metabolomics im Harn und Serum könnte schon bald in der Praxis möglich sein und individuellere Therapieansätze ermöglichen.
J. Rosenstock et al., JAMA 2019; DOI: 10.1001/jama.2019.13772
In der CAROLINA-Studie wurde die kardiovaskuläre Sicherheit von Linagliptin im Vergleich zu Glimepirid bei Patienten mit relativ kurzer Diabetesdauer, aber hohem kardiovaskulären Risiko untersucht. Nach einer medianen Therapiedauer von fast 6 Jahren wurde kein Unterschied im primären Endpunkt bestehend aus kardiovaskulärem Tod, nichttödlichem Schlaganfall und nichttödlichem Myokardinfarkt dokumentiert, allerdings war die Hypoglykämierate in der mit Glimepirid behandelten Gruppe deutlich erhöht. Zusammenfassend zeigt die Studie kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko von Glimepirid im Vergleich zu Linagliptin, allerdings unter Inkaufnahme einer deutlich erhöhten Hypoglykämierate.
Session S 25, Chair: L. Heinemann
Gesundheitsapps gibt es mittlerweile zahlreiche, vor allem auf dem Sektor des Diabetes. In Studien geprüfte Apps, die bereits therapeutischen Einsatz finden, werden als Digiceuticals bezeichnet. Neben Ernährungs-, Glukosemonitoring- und Insulinberechnungsapps gibt es auch Programme, die ein Closed-Loop-System ermöglichen, also die autonome Basalinsulinabgabe via Pumpe und gekoppeltem Sensor. Diese noch nicht zugelassenen Applikationen werden im OPEN-Programm untersucht. In Kürze wird ein EASD/ADA-Joint-Statement zu diesem Thema publiziert.
N. A. Lund-Blix, PO #369
Eine norwegische Kohortenstudie, die Daten von 86.306 Kindern (geboren zwischen 1999 und 2009) inkludierte, untersuchte den Einfluss der Glutenaufnahme der Mutter während der Schwangerschaft sowie des Kindes innerhalb der ersten 18 Lebensmonate auf das Risiko, Typ-1-Diabetes zu entwickeln. Nach einem medianen Follow-up von 12,3 Jahren wurde bei 346 Kindern (0,4 %) Typ-1-Diabetes diagnostiziert.Die Glutenaufnahme während der Schwangerschaft war nicht mit einem erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes assoziiert. Im Gegensatz dazu wurde ein Zusammenhang zwischen einer frühkindlichen Glutenaufnahme und einem erhöhten Diabetesrisiko festgestellt, wobei das Risiko pro 10 g Gluten um 46 % zunahm. Der Effekt von Gluten auf das Mikrobiom stellt einen möglichen Mechanismus für diesen Zusammenhang dar.
Fazit: Bisher liegen sehr unterschiedliche Ergebnisse zu einem möglichen Zusammenhang einer frühkindlichen Glutenaufnahme und der Entwicklung einer Inselzellautoimmunität vor, wobei auch der Zeitpunkt der erstmaligen Aufnahme eine Rolle spielen könnte. Auch wenn kein kausaler Zusammenhang aus dieser Studie abgeleitet werden kann, so zeigen diese neuen Daten dennoch, dass die Manifestation des Typ-1-Diabetes durch frühe Glutenaufnahme getriggert werden könnte, wie vor Kurzem auch für die Zöliakie gezeigt wurde.