Der folgende Artikel zum EASD/ADA-Konsensus1 bezieht sich auf den Bereich der atherosklerotisch kardiovaskulären Erkrankungen sowie auf das Auftreten und die Therapie der Herzinsuffizienz.
Im Konsensus-Report ist neuerdings ein sogenannter „Decision Cycle for Patient-centered glycemic Management in Type 2 Diabetes“ angeführt.
Wenn man diesen unter den Gesichtspunkten ASCVD, das heißt kardiovaskuläre Erkrankungen bzw. Herzinsuffizienz, betrachtet, sind mehrere Punkte zu beachten, um die Therapieziele zu erreichen. Primär muss versucht werden, Komplikationen zu verhindern. Es wird aber ein ebenso wichtiger Fokus auf die Lebensqualität gelegt.
Einer der kritischsten Punkte ist die Vermeidung der sogenannten „Inertia“, d. h. der klinischen Trägheit. Darunter versteht man, dass rechtzeitig die Therapie im Sinne des Patienten initiiert wird bzw. Modifikationen im Sinne der zentralen Therapieziele stattfinden.
Ein Schlüssel bzw. ein spezielles Augenmerk sollte auf die Charakterisierung von bestehenden Sekundärkomplikationen gelegt werden. Weiters sollte auf eine Einschränkung der Herzleistung (Herzinsuffizienz) geachtet werden. Diese ist beim Patienten mit Diabetes oft unbemerkt, könnte allerdings mittels Echokardiografie oder Biomarker (BNP) erhoben werden.
In dem neuen EASD/ADA-Konsensus-Statement kommt es zu einem eindeutigen Paradigmenwechsel. So wird nun als Zweitlinientherapie nach Metformin bei anamnestisch erhobenen kardiovaskulären Erkrankungen inkl. Herzinsuffizienz die Therapie mit GLP-1-Analoga bzw. SGLT-2-Hemmern empfohlen. Dies deswegen, weil in den aktuellen Studien signifikant positive kardiovaskuläre Endpunkte durch die Therapie mit GLP-1-Analoga (Liraglutid/Semaglutid) wie auch mit den SGLT-2-Hemmern (Empagliflozin/Canagliflozin/Dapagliflozin) erzielt werden konnten.
In dem neuen Flow Chart (Abb.) sollen als Therapie nach Metformin bei anamnestisch bekannter atherosklerotisch kardiovaskulärer Erkrankung inkl. Herzinsuffizienz diese zwei Medikamentengruppen eingesetzt werden.
Wenn atherosklerotisch kardiovaskuläre Erkrankungen dominieren, dann soll ein GLP-1-Rezeptor-Antagonist mit einem nachgewiesenen kardiovaskulären Benefit, alternativ ein SGLT-2-Hemmer mit einem nachgewiesenen kardiovaskulären Benefit eingesetzt werden. Bei den SGLT-2-Hemmern muss auf eine ausreichende Nierenfunktion geachtet werden.
Besteht eine Herzinsuffizienz, sollte bevorzugt ein SGLT-2-Hemmer mit Evidenz der Reduzierung von Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz oder Reduktion der Nierenfunktionseinschränkung eingesetzt werden. Sollte ein SGLT-2-Hemmer nicht vertragen werden bzw. die eGFR zu niedrig sein, dann soll ein GLP-1-Rezeptor-Agonist eingesetzt werden.
Bei atherosklerotischen Erkrankungen ist in weiterer Folge bei Nichterreichen des HbA1c-Zieles eine Therapieeskalation mit DPP-4-Hemmern (wenn keine Therapie mit GLP-1-Analoga besteht), Basalinsulin, Thiazolidindionen bzw. Sulfonylharnstoffen vorgegeben.
Im Flow Chart Herzinsuffizienz ist bei Nichterreichen des HbA1c-Zieles eine Eskalation mit DPP-4-Hemmern (nicht Saxagliptin), Basalinsulin oder Sulfonylharnstoff vorgesehen. DPP-4-Hemmer und GLP-1-Agonisten sollten wegen des gleichen Wirkansatzes nicht gemeinsam gegeben werden.
Thiazolidindione sollten bei Herzinsuffizienz nicht eingesetzt werden, da sie zu einer Natriumrückresorption und damit zu einer Wasserretention führen. Dies kann eine unerkannte Herzinsuffizienz dekompensieren lassen. Thiazolidindione sind als Substanz allerdings nicht schädlich für das Herz, d. h. nicht kardiotoxisch.
Diese neue, klar strukturierte Therapievorgabe basiert auf 5 großen prospektiven randomisiert kontrollierten Studien (LEADER, SUSTAIN-6, EMPA-REG, CANVAS und DECLARE).
Die GLP-1-Studien umfassten die LEADER-Studie und die SUSTAIN-Studie. In der LEADER-Studie konnte eine Reduktion der Gesamtmortalität, der kardiovaskulären Mortalität und der renalen Endpunkte neben der Reduktion des 3-Punkt-MACE (kardiovaskulärer Tod/nichttödlicher Myokardinfarkt und Schlaganfall) nachgewiesen werden. In der SUSTAIN-Studie, auch eine GLP-1-Studie, kam es ebenfalls zu einer Reduktion des 3-Punkt-MACE, der vor allem durch eine Reduktion von Schlaganfällen neben einer Verbesserung der renalen Endpunkte getrieben wurde.
Im Bereich der Herzinsuffizienz sind drei Studien erwähnenswert. Dies sind EMPA-REG mit Empagliflozin, CANVAS mit Canagliflozin und DECLARE mit Dapagliflozin. In allen drei Studien konnte der primäre Endpunkt reduziert werden. In der DECLARE-Studie allerdings nicht der 3-Punkt-MACE.
Erwähnenswert ist, dass Empagliflozin auch eine Reduktion der Gesamtmortalität und der kardiovaskulären Mortalität nachweisen konnte. Eine Reduktion der Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz war in allen drei Studien ähnlich signifikant, ebenso die Reduktion der Progression einer Niereninsuffizienz.
Die Empfehlung für das Einsetzen eines SGLT-2-Hemmers bei bestehender Herzinsuffizienz basiert auf der Überlegung, dass auch die Subpopulationen mit vorbekannter Herzinsuffizienz in den Studien einen Benefit gezeigt haben. Reine Studien, die den Effekt von SGLT-2-Hemmern bei Patienten mit Herzinsuffizienz untersucht haben, sind noch nicht abgeschlossen, allerdings aktuell im Laufen. Es gibt daher noch keine klaren Daten für Patienten mit vorbestehender Herzinsuffizienz. Es ist aber in Zusammenschau der Gesamtbefundkonstellation wahrscheinlich, dass auch hier ein Benefit erwartet werden kann.
In den „Real-World-Daten“ (= Registerdaten) für Dapagliflozin, Canagliflozin und Empagliflozin konnte dieser Effekt bereits relativ klar nachgewiesen werden.
Für atherosklerotisch kardiovaskuläre Erkrankungen ist die Datenlage hingegen klarer.