Update – Nephroprotektives Potenzial der antidiabetischen Therapie

Die diabetische Nephropathie gilt als die häufigste Ursache für die Entwicklung eines chronischen Nierenversagens. Etwa 30––50% der Patienten, die eine chronische Nierenersatztherapie benötigen, leiden an diabetischer Nephropathie. Entsprechend der aktuellen Datenlage liegt bei etwa 15–40% der an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankten Patienten eine Albuminurie vor. Man nimmt an, dass das renale Risiko bei beiden Diabetesformen annähernd gleich ist. So hatten in der UKPDS nach 10 Jahren 25% der Patienten eine Mikroalbuminurie, 5% eine Makroalbuminurie und 0,8% ein Kreatinin von > 2 mg/dl. Die jährliche Progressionsrate von der Diagnose des Diabetes zu Mikroalbuminurie, Makroalbuminurie und erhöhten Kreatininwerten bzw. Nierenersatztherapie betrug 2,0%, 2,8% und 2,3% (Adler et al., Kidney Int 2003).
Epidemiologische Studien demonstrieren einen linearen Zusammenhang zwischen hohen Blutglukosespiegeln, terminaler Niereninsuffizienz und Mortalität. Basierend auf den Daten einer Metaanalyse der Asia Pacific Cohort Studies Collaboration (APCSC) ist eine Steigerung der Blutglu kosespiegel um eine Standardabweichung mit einem um 60% höheren Risiko assoziiert, an einer renalen Komplikation zu versterben (O’Seaghdha et al., Hypertension 2009).

Referenzstudien zum Nutzen der Diabetestherapie

Zahlreiche Studien zeigen, dass eine intensivierte blutzuckersenkende Therapie die Inzidenz, aber auch die Progressionsrate der diabetischen Nephropathie senken kann. Im Rahmen der DCCT-Studie bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 konnte die Inzidenz der Mikroalbuminurie um 34% reduziert werden (DCCT Research Group, New Engl J Med 1993; Abb. 1). Selbst 8 Jahre nach dem Ende der DCCT-Studie blieb eine signifikante Risikoreduktion um 59% für das Auftreten einer Mikroalbuminurie nachweisbar (DCCT/EDIC Research Group, JAMA 2003; Abb. 2). Sind die Patienten bereits an einer inzipienten diabetischen Nephropathie erkrankt, so kann durch eine intensivierte Blutzuckertherapie die Progression von Mikroalbuminurie zur Makroalbuminurie um 56% reduziert werden. Nach dem Ende der aktiven Intervention trat eine neu diagnostizierte Albuminurie in der ehemaligen Interventionsgruppe bei 1,4% der Patienten verglichen mit 9,4% der Patienten in der Kontrollgruppe auf. Weiters wurde bei signifikant mehr Patienten der Kontrollgruppe (n = 19) verglichen mit den Patienten der intensivierten Therapiegruppe (n = 5) ein Serumkreatininspiegel über 2 mg/dl gemessen. Bei an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankten Patienten konnte durch eine intensivierte Therapie der Blutglukose in der UKPDS das Risiko, eine Mikroalbuminurie zu entwickeln, um 24% reduziert werden (UKPDS Group, Lancet 1998). Selbst 10 Jahre nach dem Ende der Intervention blieb trotz einer Angleichung der HbA1c-Werte der beiden Therapiegruppen eine Reduktion des Risikos für mikrovaskuläre Endpunkte darstellbar (Holman et al., New Engl J Med 1993). Zusammenfassend bewirkt eine intensivierte Blutzuckertherapie sowohl in der UKPDS als auch in der DCCT/EDIC-Studie eine höchst signifikante Reduktion renaler Endpunkte.

Evidenz aus neueren Endpunktstudien

Im Wesentlichen zeigen auch die rezent durchgeführten Studien (ACCORD, ADVANCE und VADT) ähnlich positive Resultate wie UKPDS und DCCT/ EDIC, wenngleich auch diese nicht auf den ersten Blick einheitlich zu erkennen sind (Abb. 1). Bei vergleichbaren renalen Endpunkten (Verdoppelung des Serumkreatinins, Anstieg der Albuminurie bzw. Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz) fallen zumindest in der VADT- und in der ACCORD-Studie die positiven Effekte geringer aus als erwartet. Beispielsweise konnte im VADTrial kein Unterschied hinsichtlich der Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (GFR) gezeigt werden. Die Verschlechterung der Albuminurie war jedoch in der intensivierten Therapiegruppe signifikant geringer (Duckworth et al., New Engl J Med 2009). Analog zu den VADTErgebnissen kam es in der ACCORD-Studie zu einer Reduktion der neu aufgetretenen Albuminurie um 21%. Die Inzidenz der Makroalbuminurie konnte um 31% reduziert werden (Ismail-Beigi et al., Lancet 2010) Interessanterweise waren die Ergebnisse der ADVANCE-Studie wesentlich positiver. In dieser Studie kam eine signifikante Reduktion der Inzidenz bzw. der prinzipiellen Verschlechterung der Nephropathie um 21% zur Darstellung, darüber hinaus verringerte sich die Inzidenz der Albuminurie um 9% (ADVANCE Collaborative Group, New Engl J Med 2009). Weiters wurde in der intensivierten Therapiegruppe ein Trend hinsichtlich einer reduzierten Hämodialysepflichtigkeit beobachtet (Hazard Ratio = 0,64; p = 0,09). Bemerkenswert ist, dass die renalen Endpunkte in der ADVANCE-Studie wesentlich seltener waren als erwartet. Diese Tatsache liefert ein weiteres Indiz für die hohe Wertigkeit einer optimalen Blutzuckertherapie zur Reduktion renaler Endpunkte.
In der VADT-Studie konnte zwar keine signifikante Reduktion der Inzidenz der Mikroalbuminurie dargestellt werden; allerdings bewirkte eine intensivierte Therapie der Blutglukose eine signifikant geringere Progression der Nephropathie (Wechsel in ein höheres Stadium der Albuminurie): 13,8% in der Kontrollgruppe verglichen mit 9,1% in der Interventionsgruppe (Duckworth et al., New Engl J Med 2009). In einer rezent durchgeführten Metaanalyse von Boussageon und Kollegen (BMJ 2011) mit Daten von insgesamt 13 Studien, darunter auch UKPDS 33, ADVANCE, VADT und ACCORD, konnte insgesamt eine signifikante Reduktion der Mikroalbuminurie gezeigt werden (Abb. 3).

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Im Vergleich zur DCCT-Studie bzw. zur UKPDS wurden in ADVANCE, VADT und ACCORD wesentlich kränkere Patienten mit bereits langer Diabetesdauer eingeschlossen. Darüber hinaus erhielten die Teilnehmer dieser drei neueren Endpunktstudien eine multifaktorielle Intervention, wodurch die positiven Effekte einer optimierten Blutzuckertherapie nicht so klar herausrechenbar sind. Analog zur ADVANCE-Studie waren auch in der VADT- und der ACCORD-Studie Blutdruck und Lipide optimiert. Ebenso anzumerken ist, dass die HbA1c-Ausgangswerte, vor allem aber die Verlaufswerte der glykämischen Kontrolle in diesen Studien nicht vergleichbar sind.
Aufgrund dieser Tatsachen sind die Patientenkollektive, aber auch die Interventionen in UKPDS und DCCT vollständig mit den aktuellen Studien vergleichbar. Deshalb erscheint besonders bemerkenswert, dass trotz der multifaktoriellen Intervention eine Reduktion renaler Endpunkte demonstriert werden konnte. Selbst bei Patienten mit bereits dialysepflichtiger diabetischer Nephropathie verbessert eine optimale Blutzuckertherapie die Überlebensrate. In einer Studie von Oomichi et al. (Diabetes Care 2006) lag die 5-Jahres-Überlebensrate bei Patienten mit einem HbA1c von unter 6,5% (48 mmol/mol) bei 52,9%, verglichen mit 28,9% bei den Patienten, die ein HbA1c über 8% (64 mmol/mol) aufwiesen.

Resümee

Nach den hier vorgestellten Daten ist der Nutzen der Blutzuckersenkung – neben der blutdruck- und der lipidsenkenden Therapie – für die Prävention und Progressionsverzögerung der Nephropathie bei Typ-1-Diabetes und auch bei Typ-2-Diabetes eindeutig belegt. Darüber hinaus zeigen die Daten von DCCT, UKPDS, aber auch der STENO-II-Studie (Gaede et al., New Engl J Med 2003), dass mit einer blutzuckersenkenden Therapie frühzeitig begonnen werden und die Intervention nicht erst im Stadium des Nierenschadens erfolgen sollte. Der österreichweite Rückgang der neuen Dialysepatienten ist wahrscheinlich auf die frühzeitige, verbesserte Betreuung durch multiple Interventionen zurückzuführen und zeigt einmal mehr die Notwendigkeit einer führenden diabetesbezogenen Betreuung im ambulanten wie im stationären Bereich.