Beim Digital Health Symposion 2024 befasste sich eine gut besuchte Session mit der rechtlichen Stellung und der Erstattung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA). Im Rahmen der 3 Keynotes und der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass in Österreich noch viele Fragen rund um die spannenden digitalen Tools zu klären sind und alle gespannt auf die kommenden Entwicklungen warten. Besonders der Erfahrungsbericht aus Deutschland hat gezeigt, dass viele Problemfelder durch eine sorgfältige Planung umgangen werden können.
In das Thema eingeführt hat die Rechtsanwältin Dr.in Gisela Ernst, Postdoctoral Researcher an der Wirtschaftsuniversität Wien, die auf Medizinrecht spezialisiert ist. Sie gab einen Einblick in die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen für DiGA in Österreich, die als Medizinprodukte niedriger Risikoklasse gesehen werden können. Während DiGA in Deutschland bereits erstattungsfähig sind, gestaltet sich ihre rechtliche Einordnung und Erstattung in Österreich aufgrund von fehlend Rechtsakten und klaren Regelungen schwierig. Dennoch können DiGA als “sonstige Mittel” oder “notwendige Heilbehelfe” betrachtet werden, wenn sie ärztlich verordnet sind und zur Krankheitslinderung beitragen und als solche erstattet werden. Obwohl der direkte Zugang zu DiGA in Form einer Sachleistungsgewährung in Österreich noch nicht gegeben ist, sind durch ihre Klassifizierung als Heilbehelfe bereits erste wesentliche Schritte gesetzt, die eine baldige Aufnahme von digitale Gesundheitsanwendungen in die Erstattungsregelungen in Aussicht stellen.
Daran anknüpfend präsentierte Mag.a Veronika Mikl, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Pharmazeutischen Medizin und Digital Health Policy Lead bei Roche Austria einen Überblick zur Erstattung von DiGA. Österreich schneidet bei der Digitalisierung im globalen Vergleich gut ab, jedoch besteht trotz positiver Rahmenbedingungen, wie ELGA und e-Rezept, Handlungsbedarf bei der Umsetzung der EU-Vorgaben. Die Integration und Erstattung von DiGA im öffentlichen Gesundheitsbereich ist entscheidend dafür, ihr volles Potenzial zu realisieren, wie Studien zu HTA-Modellen für DiGA in den Niederlanden und Österreich zeigen. All diese Modelle belegen die Kosteneffektivität und den Mehrwert von DiGA in der Versorgung. In der Gesundheitsökonomie müssten jedoch weiterhin die spezifischen und lokalen Bedingungen und Entwicklungen im Bereich der DiGA bei diesen Analysen berücksichtigen werden.
Dazu erläuterte Christian Bredl, Leiter der Techniker Krankenkasse (TK) Landesvertretung Bayern, die Erfahrungen der TK zur Verordnung und Erstattung von DiGA in Deutschland seit ihrer Einführung 2019. Trotz des erfolgreichen Starts, kontinuierlichen Wachstums und mehrheitlich positiven Rückmeldungen der Patient:innen sind DiGA noch immer nicht in die Regelversorgung integriert. Die Herausforderungen sieht er vor allem in der großen Preisspanne (20 – 2.000 €) und der noch nicht absehbaren Wirtschaftlichkeit. Laut seiner Einschätzung seien momentan noch keine Einsparungen für die Kassen zu erwarten und daher umso mehr eine sorgfältige Beobachtung der Evidenz für die individuelle DiGA und Therapieverläufe unter Einsatz von DiGA notwendig. Aktuell seien hohe Einstiegspreise zu beobachten, da diese in Deutschland im ersten Jahr frei wählbar seien und gleichzeitig auch DiGA, die nach einem Jahr, wenn die Wirksamkeit dann belegt werden müsste, gar nicht mehr am Markt seien. Trotzdem betont Bredl die Wichtigkeit des Muts zur Digitalisierung und die Bedeutung von Patientenorientierung und Transparenz in diesem Prozess.
An der anschließenden Diskussion nahmen neben den drei Keynote-Speakern auch Dr. Thomas Czypionka, Leiter Health Economics and Health Policy am Institut für Höhere Studien (IHS), Andreas Huss, MBA, Stellvertretender Obmann der ÖGK, und Dr. Stefan Konrad, MBA, 3. Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, teil. Dabei wurde noch einmal betont, dass die Erstattung der DiGA ohne Rahmenverträge, die den Preis eingrenzen, durchaus mit starken finanziellen Belastungen für das Gesundheitssystem einhergehen können, wie man in Deutschland sieht. Ein Punkt, um die durchaus hohen Entwicklungskosten besser zu verteilen, wäre eine europaweite Zulassung, die den einzelnen DiGA-Anbietern einen breiteren Markt zugänglich machen würde, erwähnte Dr. Czypionka. Diesen Punkt unterstrich auch Huss, der zusätzlich noch anmerkte, dass die ersten Pilotprojekte sich bereits in Verhandlung befinden würden, und damit in absehbarer Zeit auch in Österreich die ersten DiGA verschrieben und erstattet werden können. Dr. Konrad wies darauf hin, dass aus seiner Anwendersicht eine DiGA möglichst einfach zu verordnen und anzuwenden sein wird müssen, um auch erfolgreich zu sein. Nicht vergessen werden darf auch der Zusatzaufwand, der den Ärzt:innen vorbereitend und kontinuierlich durch die Verschreibung von DiGA entsteht, wobei Dr. Konrad anmerkte, dass dieser Aufwand, egal bei welcher Intervention der Ärzt:innen, bei der Betreuung von Patient:innen immer gegeben ist. Hier ließ Huss mit einem Apell dafür aufhorchen, die ärztliche Vergütung in der Niederlassung komplett neu zu denken und abzugehen von der leistungsbezogenen Abrechnung hin zu einer pauschalierteren Abrechnung, wie er es auch im gerade in Verhandlung befindlichen Gesamtvertrag durchzusetzen gedenkt.